Müller: Finanzplanung ist nichts, womit sich Menschen gern beschäftigen – es ist einfach nicht „sexy“. Menschen wachen nicht morgens mit dem Wunsch auf, sich heute eine Altersvorsorge zuzulegen oder gar ein Finanzprodukt zu kaufen. Berater müssen viel genauer verstehen, wie Kunden denken.
Die Verbraucher haben kein Vertrauen in die Politik, kein Vertrauen in die Medien, kein Vertrauen in die Finanzvertriebe. Sie kommunizieren ganz anders, sie informieren sich ganz anders und haben neue Vertrauensfelder aufgebaut. Berater müssen es schaffen, als Gravitationszentrum in diese Vertrauensfelder hineinzukommen und den Kunden Informationen anzubieten, die sie haben wollen und brauchen.
Neuenfeldt: Das ist ja kein Problem der Ruhestandsberatung, das ist auch schon ein Problem der Altersvorsorge. Wobei es in der Altersvorsorge noch einfacher ist, die Kunden zu erreichen. Einen neuen Sparvertrag kann man – salopp gesagt – immer verkaufen. Wenn man die Ruhestandsplanung dagegen nicht konzeptionell betrachtet, wird sie nicht funktionieren.
Rosemeyer: Wenn das Gefahrenbewusstsein für die Altersarmut in der Bevölkerung ausgeprägter wäre, dann hätten wahrscheinlich mehr Kunden den Wunsch, sich davor zu schützen. Dass die Berater ihre Kunden auf dem Lebensweg irgendwann verlieren, geschieht immer wieder und hat zwei Seiten. Einerseits hat der Berater den Kunden nicht mehr regelmäßig angesprochen, andererseits hat der Kunde auch den Berater nicht kontaktiert.
Das hat wiederum drei Gründe: Erstens ist die Bevölkerung finanziell relativ unaufgeklärt, zweitens sprechen die Deutschen nicht über Finanzen und drittens macht es vielen keinen Spaß, sich mit dem Thema zu befassen. Man beschäftigt sich mit dem Thema ähnlich wenig wie mit dem Zahnarzt. Aber die Zahnärzte haben es immerhin geschafft, die Leute von der Notwendigkeit regelmäßiger Prophylaxe zu überzeugen.
Zur regelmäßigen Finanzberatung gehen sie noch nicht automatisch. Das große Kundeninteresse an unseren Ruhestandsseminaren, in denen das Thema umfassend behandelt wird und die oftmals den Ausgangspunkt für intensivere individuelle Beratung bilden, taugt immerhin als Indiz für eine Entwicklung zum Besseren.
Interview: Julia Böhne und Frank O. Milewski
Foto: Florian Sonntag
Lesen Sie das vollständige Interview im Cash.-Magazin 11/2016.