„Russland, China und Ukraine als Performancetreiber“

Foto: Carmignac
Joseph Mouawad, Carmignac

Der Fonds Carmignac Portfolio Emerging Market Debt hat sich den ersten Platz bei den diesjährigen Financial Advisors Awards in der Kategorie Investmentfonds gesichert. Cash. befragte Fondsmanager Joseph Mouawad zu Strategie und Positionierung.

Aus welchen Gründen investieren Anleger derzeit in Schwellenländeranleihen?
Mouawad
: Es lassen sich drei Hauptgründe für Investitionen in Schwellenländeranleihen nennen: 1. Die finanzielle Repression umgehen: Die Industrieländer bieten niedrige und inflationsbereinigt sogar deutlich negative Renditen, während die Schwellenländer als einzige noch positive Realrenditen bieten. 2. Market-Timing: Unser zentrales Szenario für die Schwellenländer sind konstruktive Wachstumsaussichten mit einer anhaltenden Erholung nach der Pandemie und einer expansiven Politik. Die schrittweise Normalisierung der Geldpolitik durch die Federal Reserve dürfte diese konstruktiven Wachstumsaussichten nicht beeinträchtigen.

Darüber hinaus profitieren Vermögenswerte der Schwellenländer vom Inflationsanstieg, da diese Länder die meisten Rohstoffe und Industriegüter besitzen, die einen Inflationsschutz bieten. 3. Das breite Anlageuniversum und die Liquidität, die der Schwellenmarkt bietet, halten eine Fülle von Möglichkeiten bereit. So machen Schwellenländeranleihen beispielsweise mehr als 30 Prozent des globalen Anleihenuniversums aus, wobei China der zweitgrößte Anleihenmarkt ist (Quelle: Bloomberg, 30/09/2021).

Inflationäre Tendenzen nehmen weltweit zu. Marktbeobachter sind sich uneinig, ob es sich um einen langfristigen Anstieg oder um ein kurzfristiges Phänomen handelt. Was ist Ihre Meinung?
Mouawad
: Die weltweite Erholung durch die Wiederaufnahme der Wirtschaftstätigkeit hat dazu geführt, dass die Nachfrage in vielen Sektoren schneller gestiegen ist als das Angebot. In der Welt nach COVID-19 wird das kurzfristige Angebot durch die folgenden drei Engpässe eingeschränkt: den Mangel an Halbleitern, die volle Auslastung der Schifffahrts- und Straßentransportkapazitäten sowie den Arbeitskräftemangel im Baugewerbe und Humandienstleistungssektor. Diese Engpässe werden voraussichtlich allmählich weichen, doch der Inflationsdruck wird in verschiedenen Regionen bestehen bleiben – in welchem Ausmaß, wird von den wirtschaftspolitischen Maßnahmen vor Ort abhängen.

Und der jüngste Ausverkauf bei Anleihen spiegelt deutlich wider, dass die Zentralbanken angesichts der weltweit gestiegenen Inflationsraten vorsichtiger werden. Vor diesem Hintergrund sind wir in Bezug auf Kernanleihen zurückhaltend und halten Short-Positionen am kurzen Ende der US-Renditekurve.

Wie würde sich eine anhaltend hohe Inflation auf den Anlageprozess des Carmignac Portfolio EM Debt auswirken?
Mouawad
: Schwellenländeranlagen stellen eine natürliche Inflationsabsicherung dar. Schwellenländer sind nämlich die wichtigsten Produzenten und Exporteure von Rohstoffen und Industriegütern. Wenn also die Preise steigen, steigt auch der Wert der Exporte. Gemäß dem Anlageprozess der Strategie beobachten wir auch die Inflationsdynamik in den verschiedenen Schwellenländern sehr genau, um die Entwicklung der Realzinsen und potenzielle Reaktionen der Zentralbanken bestmöglich zu antizipieren.

Denn hohe positive Realzinsen korrelieren üblicherweise mit einer höheren inflationsbereinigten Kaufkraft, während die Kaufkraft bei niedrigen Realzinsen im Laufe der Zeit sinken dürfte. Deshalb strebt der Fonds mit seinem flexiblen und opportunistischen Anlagestil an, die verschiedenen Chancen zu nutzen, die Schwellenländer unabhängig von den Marktbedingungen bieten, sei es in einem inflationären oder deflationären Umfeld.

Der Fonds konzentriert sich auf Lokal- und Fremdwährungsanleihen sowie auf Schwellenländerwährungen. Welches Segment war in letzter Zeit der größte Performancetreiber, und wo müssen Sie derzeit Risiken vermeiden?
Mouawad
: Unser maßgeblicher Performancetreiber im Jahr 2021 war unser Exposure gegenüber Russland, China und der Ukraine. Diese Länder sind in Bezug auf ihre Fundamentaldaten und interessanten Spreads weiterhin attraktiv. Des Weiteren haben wir bei den Schwellenländerwährungen aktives Management betrieben, um den Anstieg der Realzinsen zu nutzen. Der Fonds profitierte außerdem von einer starken Untergewichtung von Anleihen aus mitteleuropäischen Ländern, bei denen es sich um überhitzte Volkswirtschaften mit extrem negativen Realzinssätzen handelt.

Wie ist der Fonds derzeit positioniert und warum?
Mouawad
: In Bezug auf die Positionierung liegt die modifizierte Duration des Fonds bei rund 720 Basispunkten. Bei Lokalwährungsanleihen, die im Hinblick auf die Fundamentaldaten attraktiv sind, halten wir Papiere aus Ländern wie Südkorea, Chile und Russland. Da wir niedrige Realrenditen und illiquide Währungen meiden wollen, waren wir bei Fremdwährungsanleihen vor allem von Ländern wie Rumänien, der Ukraine und der Dominikanischen Republik überzeugt. Überdies hält der Fonds ausgewählte Unternehmensanleihen aus Schwellenländern in zahlreichen Sektoren wie Energie, Finanzen oder Immobilien.

Abschließend sei gesagt, dass wir zum Schutz des Portfolios Absicherungen in Form von Short-Positionen auf Kernländer einsetzen, falls die Renditen steigen sollten. Um Risiken zu vermeiden, sind wir bestrebt, bei der Aktienauswahl so selektiv wie möglich vorzugehen und unseren flexiblen Anlageprozess, der auf systematischen Signalen, praktischen Analysen und ESG-Bewertungen basiert, konsequent umzusetzen.

Gibt es Schwellenländer, die Sie für besonders attraktiv halten?
Mouawad
: Im Bereich festverzinsliche Wertpapiere entdecken wir allmählich viele attraktive Gelegenheiten in den Schwellenländern. Wir können etwa Länder mit Investment-Grade-Status ausmachen, die hohe Realrenditen bieten. Wir glauben, dass Südkorea, Indonesien, Russland oder Chile allesamt Länder mit hochwertigen Anleihen, niedriger Verschuldungsrate im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) und soliden Finanzen sind. Sie bieten Anleihen, deren Verzinsung zwei bis drei Prozent über der Inflationsrate liegt. In den Industrieländern, wo die meisten Zinssätze deutlich unter den derzeitigen Inflationsraten liegen, ist dies eine Seltenheit.

Wann wird in den Schwellenländern ein ESG-Niveau erreicht sein, das mit dem der Industrieländer in gewisser Weise vergleichbar ist?
Mouawad
: Wir sind heute nicht mehr der Ansicht, dass alle Industrieländer ein höheres ESG-Niveau aufweisen als Schwellenländer. Dies gilt insbesondere dann, wenn wir die Entwicklung anstelle des aktuellen Niveaus betrachten. Denn viele Industrieländer haben eine sehr schlechte Umweltpolitik und extrem hohe CO2-Emissionen pro Kopf. In vielen dieser Länder beobachten wir außerdem, dass das mittlere Einkommen sinkt und Armut zunimmt.

In einigen Industrieländern ist die Lebenserwartung – selbst vor der COVID-19-Pandemie – gesunken. Einige reiche Länder schneiden im Hinblick auf ESG-Faktoren gut ab, andere wiederum schlecht. Auf der anderen Seite leisten einige arme Länder im Hinblick auf ESG-Faktoren großartige Arbeit, während andere hoffnungslose Fälle sind.

Die Fragen stellte Frank O. Milewski, Cash.

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