Kolumne von Achim Küssner, Schroders
Kennen Sie den ‚Handy-Nacken’? Schuld sind Smartphone, Tablet und Co. und der permanente Zwang, heutzutage nach unten auf sein Telefon zu starren…
So wird unsere ohnehin oft verspannte Nackenmuskulatur noch mehr angespannt. Aus gesundheitlichen und zwischenmenschlichen Gründen ist es also fraglich, ob Social Media und Co. unser Leben verbessern. Aber auch aus Investorensicht muss man sich heute mehr und mehr die Fragen stellen, ob die Dauerkommunikation im Netz nun Fluch oder Segen ist.
Fakt ist, der Druck insbesondere im Konsumsektor ist für Unternehmen heute immens groß. Beispiel Lebensmittelindustrie: Sie hat mit einem wachsenden Misstrauen bei den Online aktiven Konsumenten zu kämpfen und bereits jegliche Kontrolle über die dort diskutierte Agenda verloren. Das gilt ebenso für einst gestandene und über Jahre etablierte Marken. Ihr Wert wird vor allem durch den Online-Handel eruiert. Die dortigen ‚Regale’ schaffen durch das unbegrenzte Platzangebot Raum für neue Marken. Gepaart mit geschickt im Netz platzierten Marketingkampagnen – häufig viral – wird es so auch unbekannten Herstellern ermöglicht, einen Teil vom Kuchen zu beanspruchen.
Neue Konsum-Generation
Gefahr droht aber auch von der jüngeren Generation. Die Millennials, oder Generation Y, hält nichts mehr von Markenloyalität. Hip ist, was anders und bloß nicht mainstream ist. Das bekommen vor allem Luxusmarken wie Gucci oder Louis Vuitton zu spüren. Es ist nämlich nicht mehr schick, Logo zu tragen. Überhaupt wird Besitz weniger wichtig – das Auto als Statussymbol etwa ist überholt.
All das hat natürlich Konsequenzen für Investoren. Sie müssen sich nicht nur mit den veränderten Bedingungen vertraut machen und eventuell den Markenwert aus den Bilanzen rausrechnen. Es gilt künftig auch zu antizipieren, welches Unternehmen die Zeichen der Zeit erkannt und seine Strategie rechtzeitig angepasst hat. Hierfür gibt es ein paar Faustregeln: Je besser die Online-Strategie eines Unternehmens, desto geringer der Kontrollverlust über das eigene Image im Netz. Zudem lohnt ein Blick auf die kleineren und mittelständischen börsennotierten Unternehmen und auf Großkonzerne, die bereit sind, sich auch hinter unbedeutendere Marken zu stellen.
Mainstream langweilig
Denn sie werden von den niedrigen Eintrittsbarrieren beim E-Commerce profitieren. Konsumgüterhersteller, die ausschließlich von ihren Marken und dem Vertrieb anhängig sind, werden es hingegen schwer haben. Bei den Lebensmittelherstellern sind es vor allem die nachhaltigen und biologisch angebauten Produkte, die groß rauskommen werden. Aber auch regionale Marken und Hersteller werden Marktanteile gut machen. Maintream und austauschbare Produkte strafen die online-affinen Konsumenten hingegen ab.
Kurz: Wer künftig mit Konsumgüterherstellern verdienen will, für den wird Stock-picking noch stärker als zuvor über Erfolg und Misserfolg bei seinen Investments entscheiden. Und für alle Skeptiker, die meinen, die Markenwelt sei noch vollkommen in Ordnung: Die Marketingagentur Havas Media hat 134.000 Verbraucher aus 23 Ländern gefragt, was sie von 700 Marken halten. Das Ergebnis: Die meisten würden es nicht einmal merken, wenn 73 Prozent dieser Marken verschwinden würden.
Autor Achim Küssner ist Geschäftsführer der Schroder Investment Management GmbH.