Schroders: Nachhaltigkeitsrisiken werden immer deutlicher an den Märkten spürbar

Irene Lauro
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Irene Lauro, Schroders

Die globalen Finanzmärkte stehen zunehmend unter dem Einfluss des Klimawandels, da Nachhaltigkeitsrisiken immer deutlicher spürbar werden. Wie sich diese Risiken bereits jetzt auf die Märkte auswirken und welche Herausforderungen dadurch entstehen, erläutert Irene Lauro, Environmental Economist bei Schroders

Die Finanzmärkte neigen dazu, klimabezogene Risiken als langfristig zu betrachten. Es gibt jedoch mehrere Faktoren, die sich bereits in den nächsten Jahren oder sogar Monaten auf die Portfolios auswirken können.

Die globale Erwärmung wird sich in den nächsten Jahrzehnten verstärken und wir bewegen uns gleichzeitig auf das Ziel zur Erreichung von Netto-Null-Emissionen zu. Doch die Risiken und Chancen auf diesem Weg können erhebliche Auswirkungen auf die Märkte und die Performance von Portfolios haben, wie eine Analyse von Schroders zeigt.


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Extreme Temperaturen beeinträchtigen die Wirtschaftstätigkeit 

Extreme Temperaturen und Niederschläge sind in vielen Regionen der Welt zu beobachten. Die große Hitze in den USA und Lateinamerika, Südeuropa und Teilen Asiens verschärft die Trockenheit und beeinträchtigt die landwirtschaftliche Produktion, die Stromerzeugung aus Wasserkraft und die Schifffahrt. Eine Möglichkeit, wie sich diese Störungen auf die Märkte auswirken, ist ein Aufwärtsdruck auf die Inflation.

Der nicht zuletzt auf extreme Hitze zurückzuführende Anstieg der Inflation bei den Lebensmittelpreisen zeigt sich vor allem in den Rekordpreisen für zahlreiche Agrarrohstoffe wie Kakao, Kaffee, Olivenöl und Orangen. Gleichzeitig haben die jahrelangen spärlichen Niederschläge die weltweite Wasserkrafterzeugung belastet. Dies wird in Ländern wie den USA, China und Indien zu einem bedeutenden Problem, da der Rückgang der Stromerzeugung zu höheren Energiepreisen führen könnte. Und nicht zuletzt führen geringe Niederschläge auch zu besorgniserregend niedrigen Wasserständen, die die Befahrbarkeit wichtiger Handelswasserstraßen, wie des Panamakanals, einschränken. Dies kann zu höheren Transportkosten und Verzögerungen beim Warentransport führen, was sich auf Branchen auswirkt, die auf die rechtzeitige Lieferung von Rohstoffen oder Fertigprodukten angewiesen sind.

Darüber hinaus wird erwartet, dass die rekordverdächtig warmen Meerestemperaturen im Atlantik in diesem Sommer zu einer überdurchschnittlichen Hurrikanaktivität führen werden, so die National Oceanic and Atmospheric Administration (NOOA). Der Hurrikan Beryl ging im Juli in Texas an Land. Mehr als 400 000 Arbeitnehmer meldeten, dass sie im Juli wegen widriger Witterungsverhältnisse nicht arbeiten konnten. Diese Zahl stellt nicht nur einen Rekord dar, sondern übertrifft den Durchschnitt für Juli um mehr als das Zehnfache.

Protektionismus bei Metallen gefährdet die Energiewende

Die Umstellung von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energiequellen ist in hohem Maße von Metallen wie Lithium, Kobalt und Nickel abhängig. Als Reaktion auf die wachsende Nachfrage und das begrenzte und geografisch konzentrierte Angebot könnten einige wichtige Produzenten beginnen, protektionistische Maßnahmen zu ergreifen, z. B. Ausfuhrbeschränkungen und Zölle, um die heimische Industrie zu schützen und gleichzeitig die Verfügbarkeit für ihren eigenen Bedarf im Rahmen der Energiewende sicherzustellen. Diese protektionistischen Maßnahmen könnten eine erhebliche Herausforderung für die globale Energiewende darstellen, da sie die Lieferketten unterbrechen und die Kosten erhöhen. Die Produktion ist derzeit auf die folgenden Länder ausgerichtet: China, die Demokratische Republik Kongo, Australien und Chile. Die größten Verbraucher, die am meisten betroffen sein dürften, sind die USA, die EU, Japan und Südkorea. Anleger könnten dieses Thema nutzen, indem sie verstärkt in Industriemetalle und Rohstoffwährungen wie den australischen Dollar investieren.

Verlangsamung der europäischen Nachhaltigkeitsgesetzgebung durch rechte Kräfte

Der Anteil rechtsgerichteter Parteien im EU-Parlament hat deutlich zugenommen. Diese Parteien äußern sich häufig skeptisch gegenüber der Klimapolitik, und ihr politisches Gewicht könnte die rasche Entwicklung der EU hin zu grüner Energie möglicherweise verlangsamen. Diese Verschiebung erhöht die Unsicherheit für Investoren in saubere Energien innerhalb der EU.

Die Wahl von Ursula von der Leyen für eine zweite fünfjährige Amtszeit als Präsidentin der Europäischen Kommission wird dafür sorgen, dass die bestehenden EU-Rechtsvorschriften für Green Deals wahrscheinlich unverändert bleiben. Allerdings könnte es schwieriger werden, neue grüne Maßnahmen vorzuschlagen, was die Rolle der EU als Vorreiter in Sachen Klimaschutz in Frage stellt.

Auf der anderen Seite des Ärmelkanals wird das Vereinigte Königreich voraussichtlich einen Aufschwung seiner grünen Energiewende erleben, da die neue Labour-Regierung Großbritannien zu einer Supermacht für saubere Energie machen und in Solar- und Windtechnologien investieren will. Darüber hinaus möchte die Labour-Partei sowohl das Emissionshandelssystem als auch das CBAM-Steuersystem an das der EU angleichen. Sollte das Vereinigte Königreich ebenfalls eine Kohlenstoffsteuer an seiner Grenze einführen, würde zusätzlicher Druck auf die wichtigsten Exportländer ausgeübt, die Kohlenstoffpreise im eigenen Land zu erhöhen. Die Anleger könnten sich die Bildung dieses „Kohlenstoff-Clubs“ zunutze machen, indem sie Aktien aus Schwellenländern mit geringer Kohlenstoffintensität gegenüber solchen mit höherer Kohlenstoffintensität bevorzugen.

Wenn wir in der Lage sind, solche Risiken aber auch Chancen im Voraus zu erkennen, sind wir in einer besseren Position, um proaktiv zu reagieren und deren Wesentlichkeit für die Finanzmärkte und unsere Portfolios zu erkennen. Dann können wir überlegen, welche Maßnahmen wir ergreifen könnten, um uns für diese zu positionieren, anstatt erst dann zu reagieren, wenn sich die Situation bereits entwickelt. Deshalb haben wir ein Rahmenwerk für Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen entwickelt, das darauf abzielt spezifische Ereignisse zu identifizieren, welche auf Ebene von Nachhaltigkeitsgesichtspunkten die Märkte nicht nur mittel- und langfristig, sondern auch kurzfristig bewegen können.

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