Im gesamten Bereich der Finanzdienstleistungsbranche haben wir aufgrund unterschiedlicher EU-Richtlinien schon die unterschiedlichsten Stilblüten erlebt. Häufig fragt man sich wirklich, ob der weitere gesetzliche Regulierungswahn nicht irgendwann einmal ein Ende haben könnte? Die Michaelis-Kolumne
Eigentlich bin ich persönlich ein klassischer Verfechter unseres Deutschen Rechtssystems. Ohne eine gesetzliche Anspruchsgrundlage mit klar geregelten Voraussetzungen kann es keine Ansprüche geben. Es bedarf des Bestimmtheitsgebotes, dass das Gesetz hinreichend verständlich mitteilt, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, um einen materiellen Anspruch zu begründen.
Ganz anders ist natürlich das „Case-Law“, in welchen rechtsvergleichend über die bereits erfolgten gerichtlichen Entscheidungen der höchsten Gerichte eines jeden Landes die Angemessenheit, die Anspruchsgrundlage, die Voraussetzungen und die Rechtsfolgen richterlich geklärt werden und jeweils von Fall zu Fall zu begründen und heranzuziehen sind.
Beschäftigung mit dem Einzelfall
Ein Rechtssystem nach Case-Law hat zumindest zur Folge, dass man sich in jedem Einzelfall über das gesellschaftliche Wertesystem Gedanken machen muss, um in Zeiten einer veränderten gesellschaftsrechtlichen Bewertung angemessene Ergebnisse zu finden.
Aufgrund der Erforderlichkeit einer weiteren EU-Richtlinie wurde nun die Strafbarkeit des Diebstahles von Geschäftsgeheimnissen in den Paragrafen 17 bis 19 UWG abgeschafft. Soll es nun wirklich straffrei sein, wenn jemand Geschäftsgeheimnisse stiehlt? Natürlich nicht!
Anstelle von wenigen Paragraphen wurde gleich ein ganzes Gesetz neu geschaffen. Es ist das neue Geschäftsgeheimnisgesetz. Nach alter Rechtslage konnte man gegenüber dem Gericht darlegen, was warum ein Geschäftsgeheimnis ist und im Rahmen einer allgemein wertenden Betrachtung wurde in der Regel dann bei sensiblen Unterlagen, wie zum Beispiel Mandantendaten oder Versicherungsunterlagen von einem Geschäftsgeheimnis ausgegangen.
Ein Geschäftsgeheimnis ist ein Geschäftsgeheimnis ist ein Geschäftsgeheimnis
Nach neuer komplizierterer Rechtslage ist ein Geschäftsgeheimnis aber nicht ein Geschäftsgeheimnis. Ein Geschäftsgeheimnis ist nur dann ein Geschäftsgeheimnis, wenn es auch als solches geschützt wird. Daher die dringende Aufforderung an jeden Unternehmer: Weisen Sie nach, dass Sie alle Ihre Geschäftsgeheimnisse auch wirklich geschützt haben. Sowohl in rechtlicher als auch in technischer Hinsicht! Es besteht Handlungsbedarf.
Wir haben also weiterhin regelmäßig die EU-Vorgaben zu beachten und werden ständig wieder neue Aufgaben vom nationalen Gesetzgeber finden. Vielleicht müssen Sie ja auch bald als Finanzanlagenvermittler alle Kundentelefonate aufbewahren, nach 5 Jahren löschen und sie dann später nach acht bis zehn Jahren erneut mit dem Anleger vor Gericht auseinandersetzen?
Vielleicht ist aber der Sarkasmus hier auch an der falschen Stelle… Jetzt wissen Sie, wofür Sie schon wieder einen Anwalt gebrauchen können!
Rechtsanwalt Stephan Michaelis LL.M. ist Fachanwalt für Versicherungsrecht.
Foto: Florian Sonntag