Vorab anzumerken ist, dass im Wahlprogramm der Grünen klargestellt ist, dass nur Selbständige, die nicht anderweitig abgesichert sind, in die gesetzliche Rente einzahlen sollen. Da hängt es dann an den konkreten Kriterien, die an die anderweitige Absicherung gestellt werden. Und im Koalitionsvertrag der Ampel stand noch sinngemäß, dass nur neue Selbständige in die Rentenversicherung mit einbezogen werden sollen, wenn sie nicht anderweitig abgesichert sind. Das aktuelle Wahlprogramm der SPD ist da nicht differenziert. Es wird sich darin tatsächlich pauschal für eine Bürgerversicherung in der gesetzlichen Rente ausgesprochen – wie auch bei den Linken und dem BSW.
Die Argumente für eine Einbeziehung von Selbständigen, die Olaf Scholz und Robert Habeck vorgebracht haben, sind jedoch nicht völlig von der Hand zu weisen. Für uns als AfW sprechen aber zahlreiche Gründe ganz klar gegen eine pauschale Einbeziehung aller Selbständigen in die gesetzliche Rentenversicherung (GRV).
Gefahr doppelter Absicherung und finanzieller Mehrbelastung
Viele Selbständige verfügen bereits über private Vorsorgekonzepte, sei es durch Rentenversicherungen, fondsgebundene Lösungen oder berufsständische Versorgungswerke. Eine verpflichtende GRV-Mitgliedschaft würde sie zu doppelten Beitragszahlungen zwingen, ohne dass ein verhältnismäßiger Zusatznutzen entsteht. Dies führt zu erhöhter finanzieller Belastung und schadet der Eigenverantwortlichkeit in der Altersvorsorge.
Unflexibles Einheitsmodell ungeeignet für Selbständige
Selbständige sind nicht mit Angestellten gleichzusetzen und benötigen flexible Vorsorgemodelle. Einheitliche Pflichtbeiträge ignorieren individuelle Einkommensverläufe und bestehende Vorsorgemaßnahmen. Eine starre Pflichtversicherung gefährdet bewährte private Absicherungsstrategien und reduziert den finanziellen Handlungsspielraum.
Gefährdung von Kleinunternehmen und Existenzgründern
Gerade kleine und neu gegründete Betriebe haben mit begrenzten finanziellen Ressourcen zu kämpfen. Zusätzliche Pflichtbeiträge könnten ihre Liquidität massiv einschränken, insbesondere in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Existenzgründer würden durch starre Beitragspflichten unproportional belastet, was den Unternehmensstart erschwert und den Mittelstand schwächt.
Einschränkung der unternehmerischen Freiheit
Selbständige treffen ihre eigenen finanziellen Entscheidungen und gestalten ihre Altersvorsorge aktiv. Eine gesetzliche Pflichtmitgliedschaft schneidet diese Möglichkeiten drastisch ein. Individuell anpassbare Vorsorgekonzepte bieten höhere Flexibilität und Potenzial für bessere Renditen.
Kapitalgedeckte Vorsorge mit höheren Renditechancen
Private Kapitalmarktinvestitionen (zum Beispiel Aktien, Fonds, ETFs) bieten langfristig höhere Renditen als das umlagefinanzierte GRV-System. Selbständige profitieren von individuellen Anlageentscheidungen und können flexibel auf Marktentwicklungen reagieren. Die Umlagefinanzierung sichert keine garantierte Rendite und birgt demografische Risiken.
Schwächung des privaten Vorsorgemarktes
Vermittlerinnen und Vermittler bieten bereits vielfältige, bedarfsgerechte Altersvorsorgelösungen für Selbständige an. Eine staatliche Zwangslösung würde den Wettbewerb privater Anbieter einschränken und Innovationen bremsen. Die Wahlfreiheit für individuell zugeschnittene Vorsorgemaßnahmen wäre stark eingeschränkt.
Keine nachhaltige Verbesserung des Rentensystems
Zusätzliche Beitragszahler könnten die Rentenkasse zwar kurzfristig stabilisieren, die Basis der Einzahler zunimmt. Die Verpflichtung von Selbständigen führt zu höheren künftigen Rentenansprüchen und damit zu neuer finanzieller Belastung der GRV. Statt Zwangsverpflichtungen sind nachhaltige Rentenreformen und kapitalgedeckte Modelle notwendig.
Einkommensschwankungen und starre Beitragspflichten
Selbständige haben oft unregelmäßige Einkünfte. Eine feste Beitragspflicht belastet sie in einkommensschwachen Phasen besonders stark. Aufwendige Ausnahmeregelungen wären erforderlich, die zusätzliche Bürokratie schaffen und Missbrauchsrisiken bergen.
Zusätzliche Bürokratiebelastung
Eine Einbeziehung in die GRV würde neue Melde- und Prüfpflichten für Selbständige bedeuten. Zeit- und kostenintensive Verwaltungsaufwände entstehen. Besonders Kleinstbetriebe und Solo-Selbständige wären unverhältnismäßig betroffen.
Missachtung bestehender Expertise in der Finanzberatung
Vermittlerinnen und Vermittler entwickeln passgenaue Altersvorsorgelösungen, die auf individuelle Bedürfnisse zugeschnitten sind. Eine einheitliche Zwangslösung würde bedarfsgerechte Beratung ersetzen. Hochwertige Vorsorgemodelle könnten verdrängt werden, obwohl sie effizientere Lösungen bieten.
Fazit
Die Idee einer verbesserten sozialen Absicherung für Selbständige ist grundsätzlich sinnvoll. Eine verpflichtende GRV-Mitgliedschaft ignoriert jedoch bestehende Vorsorgelösungen, schadet der unternehmerischen Freiheit, erhöht den bürokratischen Aufwand und bietet keine nachhaltige Systemverbesserung. Statt einer Zwangslösung in der GRV sollte ein Opt-Out Modell für eine verpflichtende Altersvorsorge für beginnende Selbständige etabliert werden, ähnlich den Plänen der Ampelkoalition. Dann können diese selbst entscheiden, wie sie vorsorgen möchten und somit dann einen für ihre jeweilige Situation passende Altersvorsorgelösung finden.
Frank Rottenbacher ist Vorstand des AfW Bundesverband Finanzdienstleistung.