Erbium, Europium, Praseodym und Holmium. Im Rateshow-Klassiker „Wer wird Millionär“ wüssten vermutlich nur die wenigsten, was sich hinter diesen exotischen Begriffen verbirgt. Es sind vier der 17 sogenannten Seltenen Erden. Ihre chemischen und physikalischen Eigenschaften machen sie für viele Schlüsseltechnologien – etwa aus dem Bereich Elektromobilität, Energietechnik, Informations- und Kommunikationstechnologie –unverzichtbar. Hierzulande gelten die Seltenen Erden als Schlüssel zur Energiewende. Ohne sie läuft kein Windrad, kein Elektromotor und kein Mobiltelefon.
Laut des Instituts für Seltene Erden und strategische Metalle sind sich „viele Menschen nicht bewusst, welchen enormen Einfluss Seltene Erden auf ihr tägliches Leben haben, aber es ist fast unmöglich, ein Stück moderner Technologie zu benutzen, das keine Seltenen Erden enthält“. Christian Nevermann, Partner, bei der Stuttgarter Economia Vermögensberatungs- und Beteiligungs-GmbH: „Entgegen ihres Namens sind Seltenerdmetalle nicht unbedingt selten. Doch sie kommen oft in geringen Konzentrationen vor und lassen sich nur schwer wirtschaftlich gewinnen.“
Gefährliche Abhängigkeit von China
China besitzt eine Vormachtstellung und kontrolliert den Markt. „Der Nahe Osten hat Öl, China hat seltene Erden“, sagte der damalige KP-Chef Deng Xiaoping bereits 1992. Gut 30 Jahre später werden 98 Prozent aller von Europa verarbeiteten Seltenen Erden aus der Volksrepublik importiert. Für den Westen wird das zunehmend zum Problem, denn das Reich der Mitte nutzt seine Marktmacht und drosselt immer wieder Exporte.
Die marktbeherrschende Stellung der Volksrepublik gibt zudem Anlass zu Bedenken in Bezug auf Umwelt- und Nachhaltigkeitsfragen, da die Gewinnung und Verarbeitung dieser Mineralien häufig mit umweltschädlichen Praktiken verbunden ist. In Abbauländern wie Australien und Südamerika ist die Bergbauindustrie streng reguliert, während die Rohstoffe in Ländern wie China, Indien oder Pakistan bisweilen unter Bedingungen abgebaut werden, die gleichermaßen den Arbeitern wie der Umwelt schaden. Während des Abbaus werden giftige Substanzen freigesetzt, die die Grundgewässer belasten und die Gesundheit der Bergbauarbeiter gefährden.
„Wir sollten pragmatisch vorgehen und einen konkreten Plan aufstellen, wie wir sie abbauen können, ohne der Umwelt und den Arbeitern unnötig zu schaden“, fordert daher Urs Gmür, Fondsmanager bei der Schweizer Investmentboutique Active Niche Funds. Dafür sei ein Dialog zwischen Politik, Umwelt-NGOs und Minenbetreibern notwendig: „Wir brauchen diese Firmen, aber behandeln sie wie Stiefkinder“, gibt der Schweizer zu bedenken.
Erschwerend kommt hinzu, dass Europa von den globalen Wertschöpfungsketten abgeschnitten ist. Auf dem Kontinent lagern erheblich weniger der wertvollen Rohstoffe als in anderen Ländern. Außerdem gibt es nicht eine einzige große Raffinerie oder Anlage, um die Seltenen Erden durch Recycling zu gewinnen.
EU-Kommission stuft Seltene Erden als „kritisch“ ein
Im Januar verkündete der staatliche schwedische Bergbaukonzern LKAB den größten Fund Seltener Erden in Europa. Mehr als eine Million Tonnen an Seltenerd-Oxiden sollen in den Böden rund das 200 nördlich des Polarkreises liegenden Städtchen Kiruna schlummern. Politik und Medien feierten den Fund bereits als wichtigen Schritt zur Unabhängigkeit von China. Rohstoffexperte Gmür mag dieser Sichtweise nicht folgen und mahnt stattdessen zu mehr Realitätsnähe. „Ich will nicht zynisch sein“, so der Fondsmanager gegenüber Cash., „aber nur weil große Vorkommen vermutet, oder wie im Falle Schwedens, entdeckt werden, heißt das noch lange nicht, dass sich solche Projekte auch realisieren lassen“.
Die Nachhaltigkeitshürden seien noch immer viel zu groß, wenn aus grüner Natur riesige Baugruben werden sollen. Zudem sei die gesellschaftliche Akzeptanz für den Abbau von Rohstoffen in Europa nicht vorhanden: „Es macht uns Europäern nichts aus, „Critical Raw Materials“ aus Gegenden, wo Nachhaltigkeitsrichtlinien erst dürftig angewandt werden, zu beziehen. Geht es aber darum, Vorkommen auf unserem Kontinent zu fördern, dann wird gebremst.“ Selbst wenn die Vorgaben in Sachen ESG – also Umwelt- und Klimaschutz (Environment), gesellschaftlicher Zusammenhalt (Social) und eine gute und nachhaltige Unternehmensführung – erfüllt wären, bliebe ein weiteres Problem: Laut dem Bergbaukonzern LKAB werden noch 15 Jahre vergehen, bis die Förderung beginnen kann.
Die EU-Kommission hat die Seltenen Erden bereits vor mehr als 14 Jahren als „kritisch“ eingestuft und setzt sich ein ambitioniertes Ziel: Laut „Critical Raw Materials Act“ sollen bis 2030 zehn Prozent des jährlichen Bedarfs an strategisch wichtigen Rohstoffen aus dem heimischen Bergbau gedeckt und 40 Prozent innerhalb der EU verarbeitet werden. Doch der Weg ist weit: Bei Seltenen Erden liegt Europas Förderanteil derzeit bei null Prozent. Um dies zu ändern, plant die Behörde, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. So sollen für elementare Vorhaben – die Brüsseler Beamten bezeichnen sie als „strategische Projekte“ –zwischen Antragstellung und Beginn der Förderung nicht mehr als zwei Jahre vergehen. Um dies zu realisieren, plant die EU nicht zuletzt, Untersuchungen zu den Folgen des Abbaus für die Umwelt zu verkürzen. Dennoch wird eine tatsächliche Autarkie vermutlich niemals möglich sein. Laut Schätzungen der Kommission lagern nicht einmal ein Drittel der kritischen Rohstoffe, die Europa in absehbarer Zeit benötigen wird, innerhalb der EU-Grenzen.
Nachfrage nimmt stetig zu
Experten sind sich einig: Längerfristig ist eine hohe Nachfrage bei Seltenen Erden zu erwarten – bei eher begrenztem Angebot. Das Beratungsunternehmen McKinsey prognostiziert vor diesem Hintergrund, dass das Angebot mittelfristig nicht mit der steigenden Nachfrage mithalten kann. „Die Prognosen der Wirtschaft weisen darauf hin, dass die Nachfrage nach Seltenen Erden in der Masse weiter kontinuierlich steigen wird“, unterstreicht Matthias Rüth, Gründer und Geschäftsführer des auf strategische Rohstoffe spezialisierten Handelshauses Tradium in Frankfurt, „gleichzeitig sind die Rohstoffe nur limitiert verfügbar.“
Die Crux für Anleger, die von dieser Entwicklung profitieren wollen: Üblicherweise ist der Zugang zu diesen nicht börsengehandelten Rohstoffen großen Industrieunternehmen oder Staaten vorbehalten. Doch es gibt Nischenanbieter, die haushaltsübliche Mengen verkaufen. Ein Beispiel ist die 2012 gegründete Golden Gates Edelmetalle AG, die in Kooperation mit dem Frankfurter Handelshaus Tradium auch Kleinanlegern Investitionsmöglichkeiten in Seltenen Erden zu Großhandelspreisen anbietet. Das familiengeführte Unternehmen ist in Deutschland, Österreich, Ungarn, Slowakei, Polen, Litauen und der Schweiz tätig. Handelbar sind Iridium, Ruthenium, Neodym, Terbium, Praseodym und Dysprosium. Sie werden jedoch nicht an die Kunden ausgeliefert, sondern bleiben in Originalverpackung in einem Hochsicherheits-und Zollfreilager in Frankfurt. Die Ware wird vor der Einlagerung und auch bei der Auslagerung auf ihren Reinheitsgrad geprüft. „Die Nachfrage hat uns positiv überrascht, das Interesse seitens der privaten Anleger ist groß“ berichtet Golden Gates-Seniorchef Herbert Behr.
Der Sparplan „Green Economy“ ermöglicht Anlegern ab 50 Euro monatlich die Seltenerdmetalle Neodym, Terbium, Praseodym und Dysprosium zu erwerben. Sie sind wesentliche Bestandteile bei der Herstellung von Batterien, Solarpanels und Wasserstofftechnologien. Ihr Kauf ist mehrwertsteuerfrei. Wer die Rohstoffe länger als ein Jahr hält, ist beim Verkauf von der Abgeltungsteuer befreit.
Privatinvestoren als Teil der Lieferkette
Golden Gates-Partner Tradium beliefert seit 25 Jahren die Industrie mit Technologiemetallen und Seltenen Erden. Während Großkunden 15 Seltene Erden handeln können, steht Privatanlegern der Kauf von Dysprosium, Neodym, Praseodym und Terbium offen. „Die Seltenen Erden sind in der Herstellung von Permanentmagneten, wie sie in vielen Windrädern oder E-Motoren verbaut sind, unersetzlich“, erläutert Tradium-Geschäftsführer Matthias Rüth. „Privatkäufer können die bei Tradium erworbenen Metalle später an die Industrie verkaufen und damit Teil der Lieferkette werden“, bringt der Szenekenner das Geschäftsmodell bildhaft auf den Punkt. Die Metalle lagern hinter zwei Meter dicken Wänden in einem ehemaligen Weltkriegsbunker im Osten der Main-Metropole. Die Transaktionskosten werden individuell kalkuliert. „Die Preise für Technologiemetalle und Seltene Erden sind teilweise sehr volatil, der Verkaufspreis richtet sich immer nach der aktuellen Marktsituation“, erklärt Tradium-Geschäftsführer Matthias Rüth.
Noble Elements wiederum ist 2014 in den Handel eingetreten und betreibt in Berlin-Tegel ein 800 Quadratmeter großes Zollfreilager. Die Tochtergesellschaft Noble BC (siehe Interview auf Seite 76) sichert die Rohstoffeinkäufe mit der Blockchain-Technologie ab. Mittels einer digitalen Mittelverwendungskontrolle können Kunden die Engagements in allen Phasen über ein sogenanntes Wallet, also eine Art virtuelle Geldbörse, verfolgen. „Jede noch so geringe Abweichung von den an den Handels- und Einlagerungsprozessen beteiligten Parteien würde durch die Kontrolle und Vernetzung der Blockchain sofort auffallen. Dies stellt einen beispiellos hohen Sicherheitsstandard in dieser Branche dar“, sagt Lars Kruse, Geschäftsführer von Noble BC.
Eine andere Möglichkeit des Zugangs zu Seltenen Erden sind Fonds und ETFs, die Firmen bündeln, die an der Gewinnung und Verarbeitung dieser Metalle beteiligt sind. „Fonds und ETFs entwickeln sich zwar nicht genau so, wie die zugrundliegenden Rohstoffe“, gibt Economia-Partner Christian Nevermann zu bedenken. Doch bieten sie seiner Ansicht nach zwei entscheidende Vorteile: „Sie sind depotfähig und bieten eine breitere Streuung als Einzelinvestments in Aktien.“ Anleger sollten auf jeden Fall über ein stabiles Nervenkostüm verfügen, meint Nevermann: „Die Seltenerdmetalle schwanken ebenso wie die Minenaktienfonds signifikant stärker als breit streuende Börsenbarometer wie der MSCI World. Rückgänge von 70 bis 80 Prozent sind keine Ausnahme.“
Günstige Einstiegschancen
Bleibt die Frage nach dem richtigen Einstiegszeitpunkt. „Zurzeit überwiegt an den Märkten klar die Angst“, konstatiert Fondsmanager Urs Gmür. Deshalb sei es wichtig, dass Anleger über Stehvermögen und Geduld verfügen. Im Zuge der starken Korrektur in diesem Jahr hätten sich die Aussichten für erfolgreiche Aktienanlagen im Themenbereich der kritischen Rohstoffe allerdings deutlich aufgehellt. „Wird sich die Energiewende durchsetzen, woran wir fest glauben, bieten kritische Rohmaterialien auf Sicht von drei bis fünf Jahren heute günstige Einstiegsmöglichkeiten“, blickt Gmür zuversichtlich in die Zukunft.
Als Manager des Rare Earth Elements Fund (ISIN CH0111943673) wurde er 2021 im Forbes-Ranking als bester Fondsmanager der deutschsprachigen Region ausgezeichnet. Der frühere Investmentbanker kombiniert die fundamentale mit der technischen Analyse und investiert in Firmen entlang der ganzen Wertschöpfungskette – vom Abbau der Seltenen Erden über den Handel und die Produktion bis hin zum Recycling. Chinesische Unternehmen blieben zuletzt außen vor. Die größten Positionen des in Schweizer Franken notierenden Fonds waren die australische Lynas Rare Earth, Sylvania Platinum und Ivanhoe Mines.
Der VanEck Rare Earth and Strategic Metals ETF (ISIN IE0002PG6CA6) ermöglicht Anlegern ein Investment in die weltweit größten und liquidesten Unternehmen aus den Bereichen Seltene Erden und Strategische Metalle. Um in den Index aufgenommen zu werden, müssen die Unternehmen mindestens die Hälfte ihrer Erträge mit diesen Rohstoffen erwirtschaften oder an Minenprojekten arbeiten, die ein vergleichbares Zukunftspotenzial besitzen. Jedes Indexunternehmen muss zudem einen Börsenwert von mindestens 150 Millionen Euro aufweisen, die Gewichtung ist auf maximal acht Prozent begrenzt. Die größten Positionen waren Ende September China Northern Rare Earth Group, Pilbara Minerals und der chilenische Lithium-Riese Sociedad Quimica y Minera de Chile (SQM).
Lars Kruse von Noble BC ist für die Zukunft durchaus positiv gestimmt: „Seit etwa 2021 sehen wir eine positive Preisentwicklung im Rohstoffmarkt aufgrund der steigenden Nachfrage durch den technologischen Fortschritt. Die begrenzten Ressourcen können diese Nachfrage nicht ausreichend decken, und dieser Trend wird voraussichtlich mindestens 10 Jahre anhalten. Funde von Seltenen Erden werden den Markt nicht vor einem Jahrzehnt entlasten. Daher erwarte ich, dass die Preise für Technologiemetalle und Seltene Erden auch 2024 weiter stabil steigen werden.“
Autor Christian Euler ist Buchautor und Wirtschaftsjournalist.