So manche Digitalisierung macht „Service-arm“

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Fast-Food-Restaurant: Der Bestellprozess findet nun über Terminals statt.

Das Digitale leistet einer gewissen Verramschung von Leistungen Vorschub. Premium geht anders. Gastbeitrag von Falk S. Al-Omary

Wer in den letzten Wochen ein bekanntes Fast-Food-Restaurant besucht hat, wird eine „Innovation“ bemerkt haben. Der gesamte Auswahl- und Bestellprozess findet nun über Terminals statt. Ohne Zwiebeln, Currysauce oder Ketchup, die Variante mit extra Jalapeños und die Auswahl des Spielzeugs in der Juniortüte, all das lässt sich am Touchpad entscheiden. Doch wer profitiert von dieser „Innovation“? Die Schlangen an den Terminals sind nur selten kürzer als früher die an den Kassen. Die Preise für Burger, Pommes und Co. sind eher gestiegen als gesunken. Und wer kein regelmäßiger Gast ist und deswegen neue Produkte und Sonderaktionen, die schier unendlichen Variationsmöglichkeiten und die verborgenen Untermenüs des Systems nicht kennt, spart kaum Zeit. Eine vierköpfige Familie braucht mitunter 15 Minuten bis zur endgültigen Bestellung und Bezahlung. Und erst nach deren Abschluss werden die Gerichte zubereitet, das Warten aufs Essen beginnt dann also erst. Der Kundennutzen ist gering.

Der Vorteil liegt allein auf Seiten des Fast-Food-Anbieters. Er spart Personal, beschleunigt und optimiert seine Prozesse und steigert so seinen Gewinn. Der Begriff „Systemgastronomie“ erlangt jetzt seine spürbare Bedeutung. Der Gast macht mehr Arbeit, das Unternehmen profitiert. Und so sieht Digitalisierung an vielen Stellen aus. Der Gast arbeitet mit, degradiert sich selbst vom Leistungsbezieher zum Leistungserbringer.

So mancher Steuerberater ist stolz auf sein weitgehend papierloses Büro. Doch wer hat dies ermöglicht? In der Regel der Mandant, der seine Belege einscannt und elektronisch übermittelt. Ähnlich verhält es sich bei „digitalen“ Behördenleistungen. Der Bürger steht am Anfang der Lieferkette.

Es ist heute kein Problem mehr, seinen Stromtarif per App zu ändern, einen Kredit online zu beantragen oder eine Versicherung per Mausklick abzuschließen – aller rechtlicher Komplexität und regulatorischer Auflagen zum Trotz. Was technisch beeindruckend sein mag und vielleicht sogar als Service verstanden wird, hinterlässt jedoch bei vielen Zweifel. Selbst die längsten FAQs und facettenreichsten Erklärfilme hinterlassen beim Verbraucher offene Fragen und Bedenken, nicht selten deutlich größere Kauf-Reue und entsprechende Stornierungen. Auch hier gewinnt am Ende meist nur der Anbieter. Dessen Prozesse sind schlank, automatisiert und effizient. Der Kunde indes berät sich selbst und steht mit seiner Entscheidung allein.

Einigung auf dem kleinsten gemeinsamen Qualitätsnenner

Derlei Digitalisierung gibt es inzwischen in jeder Branche. Selbst in Luxushotels kann der Gast inzwischen per QR-Code ein- und auschecken. Allerdings: In Summe führt dies zu einer Service-Verarmung, zu einer Einigung auf dem kleinsten gemeinsamen Qualitätsnenner.

Man mag einwenden, dass diese Entwicklung nur ein Zwischenschritt hin zu einer Vollautomatisierung ist, an deren Ende der Kunde noch viel mehr eingebunden sein wird und letztlich auch profitiert. Aber dennoch: Es wird einen Punkt geben, an dem man sich als Unternehmen, zumal als Premiumanbieter, fragen muss, ob der Trend hin zu immer mehr Digitalem, zu immer mehr Technologie noch sinnvoll ist

Auf diese Art digitalisieren kann schließlich jeder. Einen Online-Shop zu haben, eine App anzubieten, Chatbots einzusetzen oder eine 24/7-Hotline, die weitgehend Algorithmus-betrieben wird, ist kein Unterscheidungsmerkmal. Es sorgt an keiner Stelle dafür, sich positiv vom Wettbewerb abzuheben oder sich in Sachen Servicequalität abzugrenzen. Stattdessen werden sich insbesondere Premiumanbieter schon sehr bald daran messen lassen müssen, was sie im Sinne der Kunden nicht digitalisiert haben, wo sie es sich im Sinne des Services noch leisten, teures Personal einzusetzen. Im oberen Preissegment wird sich das Analoge behaupten, der Mensch mit seiner Servicebereitschaft zum Gradmesser für einen Qualitäts- und Premiumanspruch.

Digitales ist dort gut, wo es den Kunden nicht stört: in der Produktion, in der Logistik, in der Prozessteuerung, beim Controlling und bei Routinen. Algorithmen steigern an vielen Stellen tatsächlich die Qualität – nämlich immer da, wo sie helfen, menschliche Fehler zu vermeiden.

Gastlichkeit, Beratungsempathie, echten Service am Menschen jedoch werden sie auf absehbare Zeit nicht bieten können. Aber nur hier lässt sich noch etwas gewinnen im harten Wettbewerb immer vergleichbarer Leistungen, in denen das mittlere Preissegment ohnehin schrumpft und sich immer mehr Unternehmen, Produkte und Marken entscheiden müssen, ob sie zukünftig Discount oder Premium sein wollen. Immer mehr Touchpoints zum Kunden zu digitalisieren, bedeutet auch, sich selbst in Richtung Discount zu bewegen – zumindest in Sachen Image. Denn trotz letztlich extrem hoher Preise würde man dem Fastfood-Anbieter wohl kaum in die Kategorie Luxus einordnen. Auf der anderen Seite würde man ein derartiges Terminal niemals in der Gastronomie eines 5-Sterne-Hotels akzeptieren.

Die Brille des Unternehmens ablegen

Das Digitale leistet einer gewissen Verramschung von Leistungen Vorschub. Premium geht anders. Premium muss auch weiterhin auf den Faktor Mensch setzen – trotz Fachkräftemangel und dadurch höherer Kosten.

Wer seine Prozesse digitalisiert, muss umdenken, die Brille des Unternehmens ablegen und stattdessen den Kunden wahrhaftig in den Mittelpunkt rücken. Im Moment wird sehr viel aus der „Wir-Perspektive“ der Unternehmen digitalisiert. Wie können wir unsere Kosten senken? Wie können wir dem Arbeitskräftemangel begegnen? Wie können wir Prozesse in unserem Sinne optimieren? Die Antworten auf diese Fragen führen zu „schlechter Digitalisierung“ und Service-Verlusten, die letztlich die ganze Wirtschaft in Sachen Service nivelliert. Stattdessen wäre zu fragen, welchen Vorteil der Kunde davon hat? Wo kann der Kunde profitieren? Wie kann der Kunde individuellere Leistungen beziehen? Wie können höchste Ansprüche befriedigt werden? Wie wird Vertrauen und Nähe garantiert?

Es gibt auch diese positiven Beispiele: Uber oder Sixt ride haben das „Taxifahren“ günstiger gemacht, Amazon hat Maßstäbe in Sachen Umtauschrecht und Liefergeschwindigkeit gesetzt, AirBnB das „Mitwohnen“ als Wettbewerb im Gastgewerbe etabliert. Hier hat das Digitale dem Kunden Vorteile gebracht. Diese Plattformen sind aus Sicht des Kunden entwickelt und stetig optimiert worden. Sie sind nicht entstanden aus Mangel, nicht, um vorhandene Defizite zu kompensieren, sondern um einen Mehrwert zu generieren.

„Gute Digitalisierung“ teilt also den Profit mit dem Kunden, macht ihn zum alleinigen Maßstab. Es wird immer Kundensegmente geben, die nicht bereit sein werden, Serviceverzicht zu üben, aber mehr Service auch entsprechend honorieren können. Diese Kunden sind die besten Kunden. Und deswegen sollte man diese im Auge behalten, wenn technologische Entscheidungen anstehen. Anspruchsvolle Kunden wollen mit ansprechenden Menschen interagieren, nicht mit Terminals.

Falk S. Al-Omary ist Strategieberater rund um die Themen Marke, Medien, Meinungsbildung und Markteinführung sowie Krisenkommunikationsmanager.

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