21 Uhr und noch immer am Schreibtisch? Ende des Quartals und kein heißer Termin in Sicht? Viele Finanzberater kennen und fürchten dieses Gefühl. Die Zeit rast, der Papierkram sitzt im Nacken und man zittert von Monat zu Monat. Die gute Nachricht: Es geht auch anders – ohne Zauberei, sondern mit guter Planung. Mit diesen Tipps nutzen Berater ihre Zeit effektiv. Die Renziehausen-Kolumne
Mit neidischem Blick staunt so mancher Finanzberater über den Kollegen: Stefan macht pünktlich um 15 Uhr Schluss. Holt die Kinder von der Kita, geht golfen oder ins Stadion. Und trotzdem läuft sein Geschäft wie geschmiert: Aufträge zuhauf, kein Zeitdruck, volle Bücher. Wie geht das? Der Unterschied zwischen dieser Erfolgsspezies und den Normalo-Kämpfern: Profi-Berater planen ihre 24 Stunden so, dass am Ende des Tages mehr Freizeit statt Arbeit übrigbleibt. Die besten Ergebnisse erzielen die Berater, die sich jeden Tag auf ihre Erfolgsbringer konzentrieren. Dafür muss jeder erst mal für sich identifizieren, welche Aufgaben die größte Wirkung erzielen. Stichwort Pareto-Prinzip: Mit welchen 20 Prozent Ihrer Kunden erzielen Sie 80 Prozent Ihres Umsatzes? Wer bei den Big Playern mitspielen will, braucht also eine Inventur. Nur mit einer Bestandsaufnahme finden Berater ihre Zeitfresser und Ablenker. Wem es gelingt, seinen Tag besser zu planen und optimal zu nutzen, hat auch keine Angst mehr vor dem Blick auf die Uhr. Hierzu eine Praxisanleitung.
1. Schritt: Gipfel definieren – groß denken
Wer als Finanzberater an die Spitze will, braucht Orientierung. Nur mit klaren Erfolgsgipfeln vor Augen vermeidet er Irr- und Umwege. Ein solcher Gipfel können jährlich sichere Einnahmen in Summe x, zuverlässige Gewinne in Höhe y oder eine Abschlussquote von x Prozent sein. Das Wichtigste dabei: Denken Sie Ihren Gipfel groß! Er sollte mindestens fünf, besser zehn Jahre in der Zukunft liegen. Nur wer gedanklich nach den Sternen greift, kommt überhaupt ins All. Doch nicht jedem geht es um ein Geldpolster. Wirtschaftlicher Erfolg ist nur wertvoll, wenn man ihn auch genießen kann. Fragen Sie sich daher: Was will ich wirklich? Mehr Verkäufe? Mehr Einnahmen? Weniger reisen? Mehr Anerkennung? Wie frei wollen Sie sein? Wie viele Stunden arbeiten? Manche treibt es an, der „beste Finanzberater in der Region“ zu sein oder zwanzig Mitarbeiter zu beschäftigen. Andere wollen die Jugendarbeit des Fußballvereins unterstützen oder setzen sich als Bürgermeister für ihre Heimatstadt ein. Alles Zielbilder, die den strategischen Tagesablauf bestimmen. Je klarer Berater ihren persönlichen Gipfel definiert haben, desto einfacher fällt es, die Prioritäten zu planen, die Sie dorthin bringen.
2. Schritt: Etappenziele festlegen – rückwärts nach vorne
Bei der Prio-Planung empfehle ich einen Rückwärtsansatz. Das gewährleistet, dass alle Aktivitäten auf das Erreichen des Gipfelziels ausgerichtet sind. Berater definieren zuerst ihre 3-Jahres-Prioritäten. Überlegen Sie im ersten Schritt, welche Zahlen Sie in drei Jahren erreicht haben wollen. Die Zahlen sollten Sie in der gleichen Einheit wie Ihren Gipfel definieren – zum Beispiel der Jahresprovisionserlös, wiederkehrenden Einnahmen, betreutes Anlagevermögen, Versicherungsbestand, die Anzahl der A-Kunden oder Wochenarbeitsstunden. Im zweiten Schritt schreiben Sie Ihre 1-Jahres-Prioritäten auf. Was wollen Sie in den kommenden zwölf Monaten erreichen, um dem 3-Jahres-Etappenziel näher zu kommen? Im dritten und letzten Schritt kümmern Sie sich um Ihre Prioritäten für die kommenden 90 Tage. Es handelt sich dabei um die konkreten Taten, um Ihren 1-Jahres-Zwischenstopp zu erreichen. Konzentrieren Sie sich in allen drei Zeitfenstern auf die wenigen wichtigen Ziele, die Ihren Erfolg sichern.
3. Schritt: Los geht’s – Tagesplanung mit der Ivy-Lee-Methode
Der Gipfel steht. Die Etappen sind definiert. Los geht’s mit der Tagesplanung. Profis nutzen dafür die Ivy-Lee-Methode. Sie schreiben am Ende jedes Arbeitstages die sechs wichtigsten Jobs auf, die sie morgen erreichen wollen. Und priorisieren die Punkte in ihrer Wichtigkeit. 1, 2, 3 … Wenn Sie am nächsten Tag am Schreibtisch sitzen, konzentrieren Sie sich auf Punkt 1. Beenden Sie diese Aufgabe, bevor Sie mit der zweiten starten. Verfahren Sie mit dem Rest in gleicher Weise. Am Ende des Tages schreiben Sie alle unbeendeten Jobs auf eine neue Liste mit insgesamt maximal sechs Punkten. Wiederholen Sie dies jeden Arbeitstag neu. Die Ivy-Lee-Methode ist simpel, effektiv und besticht durch vier Argumente: 1. Sie ist einfach. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Sie die Planung auch wirklich umsetzen. 2. Berater sind gezwungen, sich auf wenige wichtige Dinge zu konzentrieren. 3. Das Anfangen fällt leicht. Berater können einfach oben auf dem Zettel starten. Und zu guter Letzt: 4. Die Methode vermeidet Multitasking – einer der Hauptgründe für geringe Produktivität.
Umsetzungstipps – damit Sie nicht ins Stolpern geraten
Tipp 1 – Vom Gehirn nicht austricksen lassen
Unser Gehirn ist immer auf der Jagd nach schneller Belohnung. Für den kurzen Kick verleitet es uns, den Schreibtisch aufzuräumen, E-Mails zu sortieren oder Visitenkarten zu designen. All das gibt ein gutes Gefühl, bringt den Finanzberater aber kein Stück nach vorn. Die Lösung: Hinterfragen Sie regelmäßig die Aufgaben, die Sie gerade erledigen. Sind sie wichtig? Oder scheinen sie nur dringend? Im Laufe der Zeit bemerken sie es immer schneller, wenn Ihr Gehirn Sie in die Falle lockt.
Tipp 2 – Sagen Sie öfter Nein
Das Zauberwort für erfolgreiche Finanzberater lautet „Nein“. Die magischen Buchstaben sind ab sofort Ihr neues Maskottchen. Was paradox und nach Bremse klingt, beinhaltet tiefe Logik und Schubkraft. Wer öfter Nein als Ja zu unwichtigen Aufgaben sagt, hat mehr Zeit für Wichtiges. Und wichtig ist nur, was wirklich aufs große Ziel einzahlt. Wer sich für nervige, aber dringende Begleit-Jobs täglich eine Stunde freihält, hat danach Ruhe – wenn er dann auch wirklich aufhört. Oft lösen sich viele dieser Nebensächlichkeiten sogar in Luft auf, wenn Sie sich nicht sofort darum kümmern.
Tipp 3 – Arbeiten Sie bewusst
Was habe ich heute eigentlich den ganzen Tag gemacht? Mit dieser Frage outen wir uns als Getriebene. Der Schlüssel zum Erfolg ist Klarheit. Dazu gehört auch das eigene Angebot. Was genau bieten Sie an? Wer ist Ihr Kernkunde? Wer die Möglichkeit hat, sein Angebot zu entschlacken, sollte es tun. Mit einem Bauchladen an Produkten kann man sich leicht verzetteln. Fokus ist das A und O, um effektiver zu arbeiten. Fokus auf bestimmte Produkte, Kunden, Ziele – und vor allem Aufgaben.
Autor Marcus Renziehausen ist Betriebswirt und leidenschaftlicher Unternehmer, Autor und Speaker. Seit 2002 ist er als Vorstandsvorsitzender bei der The Engineers of Finance AG tätig. Renziehausen hat aus The Engineers of Finance ein erfolgreiches Unternehmen mit 15 Mitarbeitern und 1.000 angeschlossenen Finanzberatern gemacht. Er ist zudem zertifizierter scale up Senior Coach. www.renziehausen.de / www.engineers-of-finance.de
Foto: Marcus Renziehausen