Wie sollten sich Anleger in einem Umfeld verhalten, das aufgrund des Coronavirus-Ausbruchs durch erhöhte Volatilität und kurzfristige Risiken einerseits und ein günstiges konjunkturelles Umfeld andererseits geprägt ist? Diese Frage beantwortet Karen Watkin, Portfoliomanagerin des AB All Market Income Portfolio beim Asset Manager AllianceBernstein (AB).
Der Ausbruch des Coronavirus hat neue Risiken geschaffen und könnte das globale Wirtschaftswachstum kurzfristig beeinträchtigen. Das Abwärtsrisiko ist jedoch begrenzt, denn die Konjunkturdaten stabilisieren sich und die Geldpolitik bleibt unterstützend. In diesem wirtschaftlichen Umfeld sollten Anleger einerseits breit diversifizieren und sich durch Qualitätstitel vor Risiken schützen. Andererseits sollten sie genug Marktengagement beibehalten, um an einer kurzfristigen Erholung zu partizipieren.
Die Auswirkungen des Coronavirus auf die Weltwirtschaft sind nach wie vor sehr schwer abzuschätzen. Die Schlüsselvariablen sind Angst und die Reaktion der Politik. Die Angst schränkt die wirtschaftliche Aktivität ein, indem sie das Verhalten von Unternehmen und Verbrauchern verändert. Die Reaktion der Politik begrenzt zwar zunächst die wirtschaftliche Aktivität, ist jedoch entscheidend dafür, dass diese mittelfristig wieder in Schwung kommt.
Reflationswahrscheinlichkeit sinkt
Wir haben unsere globale Wachstumsprognose nach dem Ausbruch des Coronavirus nicht geändert, und wir glauben nicht, dass das Rezessionsrisiko gestiegen ist. Allerdings haben wir in unserem Basisszenario die Wahrscheinlichkeit gesenkt, dass es zu einer globalen Reflation mit einem gedämpften Wachstum kommt. Daher lautet unsere Einschätzung: Sollte die Epidemie innerhalb von drei Monaten eingedämmt werden, könnte das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) Chinas um 0,8 Prozent sinken. Dauert es neun Monate, den aktuellen Ausbruch unter Kontrolle zu bringen, könnte sich Chinas BIP um bis zu 1,9 Prozent verringern. Da es schwierig ist, die Dauer der Epidemie zu bestimmen, haben wir eine vorsichtige kurzfristige Sicht auf die chinesische Wirtschaft und die Preise für Vermögenswerte.
Die jüngsten proaktiven Bemühungen der Regierungen auf der ganzen Welt – wie etwa die Schließung von Grenzen und die Einschränkung des Reiseverkehrs – werden sich wahrscheinlich kurzfristig auf das globale Wachstum auswirken. Das gilt speziell für China und allgemein für Asien. Doch das volle Ausmaß der Auswirkungen ist noch nicht bekannt. Einerseits könnten die wirtschaftlichen Folgen der Epidemie diesmal größer sein als bei früheren Epidemien, denn die Lieferketten sind stärker global integriert, während globale Reisen und Tourismus weiter verbreitet sind. Andererseits wird aber erwartet, dass weitere monetäre und fiskalische Lockerungen dazu beitragen werden, dies abzufedern.
Es ist zudem erwähnenswert, dass mehrere kürzlich veröffentlichte Wirtschaftsdaten darauf hindeuten, dass die Weltwirtschaft im Januar auf solideren Fundamenten stand, mit positiven Entwicklungen im Handelskonflikt und Anzeichen einer Stabilisierung im verarbeitenden Gewerbe. Das könnte ein Hinweis sein, dass die Weltwirtschaft besser in der Lage sein dürfte, die Auswirkungen des Virus zu verkraften, als dies noch vor wenigen Monaten der Fall gewesen wäre.
Sicherheit und Wachstumschancen kombinieren
Das Marktumfeld lässt sich gegenwärtig wie folgt beschreiben: Einerseits herrschen erhöhte Volatilität und ein kurzfristiges Risiko durch das Virus. Andererseits ist das konjunkturelle Umfeld jedoch günstig. Um einen Ausgleich zwischen den beiden Umständen zu schaffen, haben wir unsere Aktienallokation insgesamt leicht reduziert und einen Teil unseres Engagements in Aktien mit geringer Volatilität verlagert, die sich durch Qualität und Stabilität auszeichnen.
Hinzu kommt: Bei Aktien achten wir nach wie vor auf eine gute Diversifizierung und konzentrieren uns auf Unternehmen mit soliden Bilanzen, hoher Stabilität und geringerem Marktrisiko. Ergänzt wird dies durch Titel mit höheren Dividenden, um das Einkommen zu steigern, und Rohstoffaktien, die von einer prozyklischen Rotation profitieren dürften, wenn sich das globale Wachstum verbessert.
Keine Exzesse bei Anleihen
Zwar zeigten die Kredit-Spreads als Reaktion auf die risikoaverse Stimmung im Zusammenhang mit dem Coronavirus auch eine gewisse Volatilität, doch sie bleiben im historischen Vergleich niedrig. Und obwohl wir uns in einem späten Stadium des Marktzyklus befinden, sehen wir nicht die Arten von Exzessen, die typischerweise in dieser Phase auftreten: Neuemissionen konzentrieren sich weiterhin auf die Refinanzierung und kommen von Emittenten höherer Qualität, während die Zahl der Ausfälle außerhalb des Energiesektors gering bleibt.
Innerhalb unserer Wachstumsanlagen stellen unserer Ansicht nach Unternehmensanleihen einen sinnvollen Diversifikator dar. Denn: Wir befinden uns in einem sehr gemischten Umfeld, in dem sich das Wachstum zwar verlangsamt, aber nicht zusammenbricht. Gleichzeitig tragen positive Entwicklungen im Hinblick auf Handelskriege und andere Anzeichen einer Stabilisierung der Wirtschaftsdaten dazu bei, das Abwärtsrisiko für das Wachstum zu verringern.
Kurzfristiges Risiko erhöht
Im Moment scheint die Risikobalance relativ ausgeglichen, auch wenn das kurzfristige Risiko wahrscheinlich weiterhin erhöht bleiben wird. Während die Wachstumsaussichten gedämpft bleiben, wird von den Zentralbanken weltweit eine weitere Lockerung erwartet, die kurzfristig Unterstützung bieten dürfte – auch wenn die längerfristige Wirksamkeit solcher Maßnahmen weiterhin fraglich ist. Und während der Ausbruch des Coronavirus wahrscheinlich keine dauerhaften Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben wird, dürfte die Verschlechterung der makroökonomischen Daten, wenn auch nur vorübergehend, das kurzfristige Gewinnwachstum und das Vertrauen der Anleger belasten.
Wir beobachten weiterhin Signale, die uns zu einer pessimistischeren Sichtweise veranlassen könnten. Dazu gehören Anzeichen dafür, dass das Coronavirus wahrscheinlich einen länger anhaltenden Einfluss auf das globale Wachstum oder die Geschäfts- oder Verbraucherstimmung haben wird, aber auch eine dauerhafte erneute Eskalation des Handelskrieges oder eine Verzögerung der Reaktion der Zentralbanken. Sollten sich dagegen die Anzeichen verstärken, dass sich die Konjunktur stabilisiert, würde das dazu führen, dass wir wieder mehr Risiko in das Portfolio aufnehmen. Gründe dafür wären entweder ein Anstieg der Handelsströme, der die Produktion unterstützen würde, oder eine weitere Stärkung des Verbrauchersektors.
Unser Gleichgewicht zwischen Aktien-, Kredit- und Durationsrisiko im Portfolio sollte weiterhin die Verlustrisiken mildern und gleichzeitig genügend Marktengagement bieten, um bei einer schnellen Erholung Gewinne zu erzielen. Die Duration war in den letzten Wochen ein sehr hilfreicher Diversifikator und ein effektiver Schutz vor Abwärtsrisiken, ebenso wie unser Engagement im Immobiliensektor. Der dynamische Charakter unserer Portfoliostrategie ermöglicht es uns, diese sich schnell verändernde Marktdynamik weiter zu steuern. So schaffen wir ein Gleichgewicht zwischen dem Potenzial für eine weitere Marktaufwertung und dem Schutz vor möglichen Abwärtsrisiken oder auch stagnierenden Märkten.
Foto: AB