Social Media: Finger weg von Facebook und Co.

Foto: Shutterstock
Bewertungsportale, soziale Medien, Google und Kommentarfunktionen dienen Trollen, Wutbürgern, Gutmenschen und unzufriedenen Kunden gleichermaßen als Abladestelle ihrer persönlichen Unzufriedenheit.

Warum soziale Medien alles andere als sozial sind und schnell die Reputation gefährden. Gastbeitrag von Krisen-PR-Manager Falk S. Al-Omary

Es ist das Wesen der sogenannten sozialen Netzwerke, dass sich in ihnen jeder äußern, kommentieren und beteiligen kann. Wo Unternehmen und Selbständige früher teure Anzeigen in Printmedien schalteten oder aufwendig im Rahmen von Veranstaltungen netzwerken mussten – Messestände, Tickets, Reisekosten und Spesen inklusive –, scheinen die unbegrenzten Präsenz-, Sichtbarkeits- und Marketingmöglichkeiten im Netz wie ein El Dorado. Schnelle Interaktion mit tausenden Menschen, Werbemaßnahmen für wenige Cent pro Klick und die Möglichkeit, die eigenen Zielgruppen zu targetieren und individuell anzusprechen, versprechen die perfekte Werbung.

Mit ein bisschen Geschick beim Texten, ein wenig Photoshop und viel Wissen über die eigenen Produkte gehen immer mehr Makler, aber auch kleine und große Unternehmen ans Werk. Sie posten und teilen, kommentieren und liken, engagieren sich in Gruppen und Foren, schalten Ads und bauen sich eine Community auf. Facebook und Co. scheinen das Marketinggebot der Stunde. Es wirkt wie eine Fußgängerzone, in der jederzeit zigtausende Passanten am eigenen Schaufenster vorbeilaufen, die immer für alle geöffnet ist und in der die Interaktion niemals ruht. Tausenderkontaktpreise, die Maßeinheit für Werbetreibende, sind auf den ersten Blick extrem niedrig, verglichen mit Maßnahmen in den Printausgaben namhafter Magazine und Zeitungen, Messen oder postalischen Mailings.

Und genau hier liegt auch das Problem. Denn Orte, zu denen jeder voraussetzungslos Zutritt gewährt bekommt und an denen Massen verkehren, droht nach einer gewissen Zeit ein Zustand der Verwahrlosung. Nicht wenige Fußgängerzonen, Bahnhöfe und öffentliche Plätze legen Zeugnis davon ab. Was an belebten Orten sorglos weggeworfener Müll, defekte Infrastruktur und beschmierte Fassaden sind, sind in den sozialen Netzwerken verrohte Kommentare und Hassbotschaften, egogetriebene Selbstinszenierung mit maßlosen Übertreibungen und eine hemmungslose Flut billiger Anmachen privater oder wirtschaftlicher Natur. Die „Kauf mich jetzt nur hier und heute“-Versprechen sind dabei nichts anderes als die Anmachsprüche auf Partnersuchportalen. Die sozialen Netzwerke werden zunehmend zu sozialen Brennpunkten.

Jeder sollte sich fragen, was seine Beiträge und Kommunikationsmaßnahmen zwischen politischen Pöbeleien, Katzenfotos und fotografierten belegten Brötchen bewirken können und ob man dort mit seinen Angeboten wirklich gut aufgehoben ist.

Abgrenzung sorgt für bessere Geschäfte

Die meisten Fußgängerzonen bestehen heute in vielen Fällen primär aus Dönerbuden, Billigbäckern, Handyläden mit allerlei Mobilfunkzubehörtand, Ein-Euro-Shops und Textil-Discountern. Es herrschen Angebotsmonotonie und die bereits beschriebene schleichende Verwahrlosung. Ein anderes Bild geben die Edelmeilen in Großstädten ab. Dort, wo die großen Labels ihre Filialen und Flagshipstores betreiben, in der Maximilianstraße in München, der Königsallee in Düsseldorf, dem Neuen Wall in Hamburg oder der Friedrichstraße in Berlin, sieht es in der Regel besser aus. Schmierereien werden sofort entfernt und Schmutzecken entstehen erst gar nicht. Der Grund: Dort findet nicht jeder Zugang. Obwohl dort keine Sperrgitter stehen oder Zugangskontrollen stattfinden, ist die dort vorbeilaufende Klientel eine andere. Die wertvollen Auslagen der Schaufenster, die noble Beleuchtung, die gepflegten Geschäfte und das Gesamtambiente in Summe all der edlen Stores grenzen bestimmte Milieus und Kunden aus – wie von selbst. Wer den Laden betritt, ist in der Regel auch ein potenzieller Kunde mit entsprechender Kaufkraft.

Abgrenzung sorgt also für bessere Geschäfte in Form höherer Preise und einem anderen Bewusstsein der Kunden für Werte, Marken, Service und Qualität. Die radikale Abkehr vom „Jedermann-Marketing“ hin zu einem ausschließlichen Premiumgedanken trauen sich jedoch nur sehr wenige Marktakteure. Das Neinsagen fällt schwer. Oft fehlt der Mut, eine Abgrenzung zu vollziehen. Die Sorge, als arrogant zu gelten oder auf kleine aber vermeintlich sichere Umsätze zu verzichten, ist groß. Viele kleine Kunden scheinen für viele Anbieter die sicherere Perspektive als die Konzentration auf wenige, ausgewählte Premiumkunden. Doch hier trügt der Schein.

Wer sich als Selbständiger oder Unternehmer ehrlich macht, findet mit großer Wahrscheinlichkeit heraus, dass die Betreuung eines Kleinkunden in der Regel mehr proportionalen Aufwand erfordert als die Betreuung eines großen. Dieses Missverhältnis steigt, wenn der Beratungsanteil und der individuelle Service bei Produkten und Leistungen hoch ist. Je weniger sich automatisieren, skalieren und digitalisieren lässt, desto krasser fällt das Missverhältnis in der Regel aus. Individualität und Service haben eben ihren Preis. Dieser Preis bemisst sich nicht nur in Geld, sondern auch in Nerven, Reklamationen und zeitlichen Ressourcen. Wer aber nur wenige Kunden hochpreisig betreut, kann diesen mehr Service und Aufmerksamkeit schenken. Die Zufriedenheit steigt, die Kundebindung wird enger und die Erträge größer. Und: Ein begeisterter Premiumkunde empfiehlt auch an andere Premiumkunden weiter. Ein Effekt, der beim „Jedermann-Marketing“ ausbleibt. Wohlhabende und Anspruchsvolle kennen andere Wohlhabende und Anspruchsvolle. Jedermann kennt auch nur jedermann. Das ist leider so. Allein deswegen sind Facebook und Co. keine guten Werbeträger. Es sind die Fußgängerzonen der Billigketten und Discounter.

Falk S. Al-Omary

Doch das ist nur ein Aspekt, der gegen die sogenannten sozialen Netzwerke als Image- und Werbeträger spricht. Zwei weitere kommen hinzu: die ehrliche Analyse der wahren Kosten und die Gefahr von Shitstorms.

Die Verrohung der Sprache, die Absolutheit von Meinungen, der Wetteifer einzelner Akteure und ganzer Gruppen, die eindimensional ihre Weltsicht zur einzig wahren verklären, sowie die niedrigschwellige Möglichkeit, seinen Frust hemmungs- und hürdenlos in drei Zeilen loszuwerden, führen immer wieder zu Shitstorms. Angriffe bis hin zur Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz sind kein „Privileg“ von Virologen und Politikern, sondern können jeden treffen – den kleinen Selbständigen genauso wie den inhabergeführten Mittelständler. Eine unbedachte Meinungsäußerung, ein kleiner Fehler in der komplexen Lieferkette, eine falsche Aussage, ein kleiner Irrtum, alles kann schnell dazu führen, dass sich eine Welle der Empörung über den an sich wohlmeinenden Unternehmer ergießt.

Bewertungsportale, soziale Medien, Google und Kommentarfunktionen dienen Trollen, Wutbürgern, Gutmenschen und unzufriedenen Kunden gleichermaßen als Abladestelle ihrer persönlichen Unzufriedenheit. Schnell wird aus einer individuellen Schilderung ein systemischer und konzertierter Angriff. Meinungsfreiheit, Schutz der Persönlichkeit, Unschuldsvermutung und entlastende Fakten kommen dann schnell unter die Räder. Die Wahrheit interessiert niemanden mehr, wird rein subjektiv im Wetteifer um die Deutungshoheit. Hier beweist sich dann, wie „sozial“ die sozialen Netzwerke und wie „objektiv“ die Bewertungsplattformen sind.

Ein Shitstorm kostet Ressourcen

Je elitärer der Kundenkreis, je exklusiver das eigene Marketing, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, Opfer von Shitstorms und boshaften Attacken im Netz zu werden.

Wer sich in einem Shitstorm befindet, weiß, was das an Ressourcen kostet. Selbst wenn die Wahrheit am Ende ans Licht kommen sollte und die Reputation zumindest formal wieder hergestellt worden ist, bis dahin sind zigtausende Euro an Anwälte und Agenturen geflossen. Auf jeden Kommentar muss reagiert, Falschaussagen müssen vor Gericht gebracht, Mitarbeiter und Kunden müssen mit viel Kommunikationsaufwand beruhigt werden. Finanzielle und zeitliche Ressourcen fließen bisweilen über Monate und Jahre in die Abwehr der Aggressoren. Ressourcen, die dem eigentlichen Geschäft und den Kunden entzogen werden. Eine Gefahr.

Diese Gefahr muss bei der Betrachtung von Marketingkosten mit einberechnet werden. Dann nämlich sind Facebook, Instagram und Co. gar nicht mehr so günstig. Jeder Euro für Nichtkunden, die falschen Kunden und Jedermann-Kunden ist ein Euro zu viel, bringt keine nachhaltige Rendite. Der in Premium-Medien und Premium-Marketing investierte Euro bietet hingegen die Chance, sich in Sachen Reputation und Wachstum mit Noblesse anständig zu verzinsen.

Falk S. Al-Omary ist Krisen-PR-Manager, Markenentwickler und Kommunikationsexperte. Weitere Informationen unter www.al-omary.com.

Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments