Die staatlich geförderte private Altersvorsorge in Deutschland steht seit Jahren in der Kritik: zu kompliziert, zu unflexibel, für viele schlicht unattraktiv. Die letzte grundlegende Reform, das Alterseinkünftegesetz, stammt aus dem Jahr 2005 – seither ist es in diesem Bereich weitgehend still geblieben. Mit dem Bruch der Ampelkoalition im Herbst 2024 ist auch der jüngste Versuch einer Neuausrichtung gescheitert.
Das Institut für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP) hat in einem aktuellen Positionspapier konkrete Reformvorschläge für eine zukunftsfähige staatlich geförderte Altersvorsorge vorgelegt. Präsentiert wurden die Vorschläge am 26. März in Berlin – im Rahmen einer Tagung des Wirtschaftsrats.
Die Autoren des Papiers – Prof. Dr. Thomas Dommermuth, Prof. Michael Hauer und Andreas Kick – fordern eine grundlegende Neuausrichtung des Fördersystems: Bestehende Modelle wie Riester- und Basisrente sollen in einem modernen, einheitlichen Förderkonzept zusammengeführt werden. Ziel ist ein einfaches, transparentes und für alle Einkommensgruppen geeignetes Vorsorgemodell, das sich an den tatsächlichen Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger orientiert.
Reformvorschläge stoßen auf breite Zustimmung
Im Mittelpunkt der Berliner Veranstaltung stand das Thema „Die Zukunft der eigenverantwortlichen Altersvorsorge“. IVFP-Geschäftsführer Prof. Michael Hauer stellte die zentralen Inhalte der Reforminitiative vor und diskutierte sie mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Finanzbranche.
Die Resonanz war durchweg positiv: Unter dem Vorsitz von Hans Joachim Reinke, Vorstandsvorsitzender von Union Investment, diskutierten Bundestagsabgeordnete, Regierungsvertreter sowie führende Köpfe aus Versicherungen, Fondsgesellschaften, Bausparkassen und Finanzdienstleistungsunternehmen. Die rund 40 bis 60 Teilnehmenden befassten sich nicht nur mit den Herausforderungen der Alterssicherung, sondern auch mit aktuellen Fragen des Arbeitsmarkts und der betrieblichen Altersvorsorge. Die IVFP-Vorschläge trafen dabei einen Nerv, so der Tenor, und sie könnten neue Impulse für die politische Debatte um eine moderne, bürgernahe Altersvorsorge liefern.
Ein System für alle – mit automatischer Zulage
Kern des Reformvorschlags ist die Zusammenführung der bestehenden Fördermodelle in ein einheitliches System innerhalb der sogenannten „ersten Schicht“. Die bisherige Unterscheidung in mittelbar und unmittelbar Förderberechtigte soll abgeschafft werden – das neue Produkt soll grundsätzlich allen offenstehen. Auch die bislang komplexe Berechnung des Mindesteigenbeitrags (vier Prozent des Bruttoeinkommens des Vorjahres) entfällt.
Stattdessen soll es eine automatische Auszahlung der Grundzulage in Höhe von 120 Euro pro Jahr geben – ergänzt um Kinderzulagen von 180 Euro jährlich pro kindergeldberechtigtem Kind. Diese Zulagen sollen unabhängig vom Eigenbeitrag an alle Berechtigten fließen, bürokratische Hürden entfallen. Zusätzlich sieht das Modell einen einfachen Sparanreiz vor: Für jeden selbst eingezahlten Euro gibt es einen staatlichen Zuschuss von 20 Cent.
Flexiblere Kapitalanlage und höhere Renditechancen
Ein weiterer zentraler Reformbaustein betrifft die Kapitalanlage. Die bislang verpflichtende 100-Prozent-Beitragsgarantie soll abgeschafft werden. So sollen höhere Renditechancen durch eine chancenorientiertere Kapitalanlage möglich werden – ein längst überfälliger Schritt, so das IVFP, um die Produkte attraktiver zu machen.
Auch bei der Auszahlung soll es mehr Gestaltungsspielraum geben. Künftig könnten bis zu 50 Prozent des angesparten Kapitals als Einmalzahlung abgerufen werden. Alternativ ist eine steuerneutrale Übertragung in einen Auszahlplan vorgesehen, wobei der verbleibende Kapitalanteil zwingend in eine lebenslange Rente fließen muss. Die Besteuerung erfolgt dabei kohortenweise – wie bei den bestehenden Produkten der ersten Schicht.
Wettbewerb stärken – Anbieterwechsel erleichtern
Um die Effizienz der Produkte zu erhöhen, schlägt das IVFP außerdem verbesserte Wechselmöglichkeiten vor. Nach einer Mindestlaufzeit von fünf Jahren soll ein kostenfreier Anbieterwechsel möglich sein – auch in der Auszahlungsphase. Das soll nicht nur den Wettbewerb ankurbeln, sondern auch die Verwaltungskosten für die Sparer senken.
Eine klare Trennung zwischen Anspar- und Auszahlungsphase soll zudem mehr Flexibilität beim Renteneintritt ermöglichen: Versicherte könnten sich dann gezielt für Anbieter und Produkte entscheiden, die zu ihrer persönlichen Lebenssituation passen.
„Jump-in-Effekt“ statt Vorsorgepflicht
Mit den Reformvorschlägen verfolgt das IVFP ein ambitioniertes Ziel: eine zukunftssichere, gerechte und leicht verständliche Altersvorsorge, die wieder mehr Menschen zur Eigenvorsorge motiviert. Anstelle einer politisch kontrovers diskutierten Vorsorgepflicht mit „Opt-out“-Regelung setzen die Autoren auf einen sogenannten „Jump-in-Effekt“.
Das heißt: Durch höhere Attraktivität, niedrigere Einstiegshürden und einfache Förderung sollen mehr Menschen freiwillig in die Altersvorsorge einsteigen. Das IVFP hofft, dass die Reformideen den Nerv der Zeit treffen und – nach dem positiven Echo in Berlin – auch in der politischen Debatte neuen Schwung auslösen.