Der Deutsche Altersvorsorge-Index misst das Meinungsklima der Menschen in Deutschland bezüglich ihrer finanziellen Absicherung im Alter. Ergebnis unserer Befragung im September 2022: Das Alterssicherungsklima erreicht mit einem Indexwert von minus 5,4 einen neuen Tiefstand. Inzwischen erwarten 61 Prozent der Befragten, dass sich das Versorgungsniveau der gesetzlichen Rente weiter verschlechtern wird.
Unsere Erhebung zeigt, dass den Bürgerinnen und Bürgern bewusst ist: Auch jenseits der akuten Krisen wird das Umlageverfahren der Rentenversicherung in seiner derzeitigen Form bald an seine Grenzen stoßen. Die Bundesmittel zum Ausgleich ihres Defizits stiegen 2021 auf über 100 Milliarden Euro. Ökonomen schätzen, dass dafür bis 2045 jährlich mehr als die Hälfte des Bundeshaushalts benötigt werden könnten.
Die Schere geht weiter auf
In den nächsten Jahren werden nämlich besonders geburtenstarke Jahrgänge von Beitragszahlern zu Rentenempfängern. Auch die steigende Lebenserwartung bewirkt, dass sich die Schere zwischen Rentenbeiträgen und benötigten Rentenmitteln weiter öffnen wird. Die demografischen Entwicklungen werden zur größten Herausforderung für das Alterssicherungssystem. An einer Kombination aus länger arbeiten, weniger Rente und höheren Beiträgen führt mittelfristig kein Weg vorbei.
Dagegen verspricht der Koalitionsvertrag: „Wir werden das Mindestrentenniveau von 48 Prozent dauerhaft sichern.“ „In dieser Legislaturperiode steigt der Beitragssatz nicht über 20 Prozent.“ „Es wird keine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters geben.“ Viele Bürgerinnen und Bürger teilen diese Sichtweise. In unserer Umfrage sprechen auch sie sich mit großer Mehrheit dafür aus, Rentnerinnen und Rentner ebenso wie Beitragszahler vor Einschnitten – länger arbeiten, weniger Rente, höhere Beiträge – zu bewahren. Stattdessen plädieren viele für höhere Bundeszuschüsse in die Rentenkasse, finanziert vor allem durch Einsparungen bei anderen staatlichen Leistungen (46 Prozent), durch zusätzliche Schulden (33 Prozent) oder durch Steuererhöhungen (24 Prozent).
Daher verwundert nicht, wenn auch die Regierungskoalition Rentner verschonen will. Stattdessen will sie „in eine teilweise Kapitaldeckung der gesetzlichen Rentenversicherung einsteigen“. Die sogenannte „Aktienrente“ soll einen (kleineren) Teil der gesetzlichen Rente aus Aktienanlagen finanzieren. Dafür soll ein staatlicher Fonds aufgebaut und noch im laufenden Jahr mit zehn Milliarden Euro aus Haushaltsmitteln angeschoben werden.
Norwegen und Schweden als Vorbild
Künftig soll der Kapitalstock auch aus den Rentenbeiträgen befüllt werden. Als Vorbilder gelten die großen Altersvorsorgefonds in Schweden und Norwegen. Dieses Vorhaben wirft Fragen auf. Wenn der Staatsfonds das Defizit der Rentenkasse aus seiner Rendite – also Dividenden, Kursgewinnen, Zinserträgen – finanzieren soll, muss sein Kapitalstock ein Vielfaches des Defizits betragen. Sein Aufbau bräuchte Jahrzehnte – Zeit, die das Rentensystem nicht mehr hat.
Zudem: Wo soll das Geld zum Aufbau des Kapitalstocks herkommen? Eine ausreichende Erhöhung der Beitragssätze schließen die Koalitionäre aus. Ein Abzwacken aus aktuellen Rentenbeiträgen reißt aber Milliardenlöcher in die laufende Rentenfinanzierung. Einsparungen bei anderen Staatsleistungen? Steuererhöhungen? Oder Kreditfinanzierung, also „Aktienrente auf Pump“? Dann würde die Politik darauf spekulieren, dass die Rendite des Fonds dauerhaft über den Kreditzinsen des Staates liegt; ansonsten wäre er eine Belastung für künftige Staatshaushalte.
Die Quintessenz: Die Aktienrente hilft nicht aus dem akuten demografischen Dilemma. Auch unter optimalen Bedingungen braucht es Jahrzehnte, um ausreichend Kapital aufzubauen. Die Generationenfalle schnappt aber heute zu. Dennoch ist die Aktienrente ein langfristig interessantes Unterfangen, für das zukünftige Generationen dankbar sein werden.
In unseren Umfragen wollen wir auch wissen, wie die Bevölkerung die Aktienrentenpläne der Regierung bewertet. Grundsätzlich kann sich eine relative Mehrheit mit einer Aktienrente anfreunden (43 Prozent „sehr gut“ und „eher gut“), das sind doppelt so viele, wie sie ablehnen (22 Prozent „eher schlecht“ und „sehr schlecht“). Ebenfalls im September 2022 bat das DIVA auch Experten, 600 Vermögensberater, um ihre Einschätzung zur Aktienrente. Von ihnen vergeben sogar 69 Prozent die Noten „sehr gut“ oder „eher gut“, nur 15 Prozent äußern sich ablehnend.
Und in einer Erhebung im Januar 2022 bei knapp 1.000 Personen, die selbst aktienbasiert sparen, meinen über 60 Prozent der Befragten, dass eine Aktienrente die gesetzliche Rente stabilisieren wird. Dies überrascht nicht, denn beide Gruppen sind mit den Mechanismen von Vermögensbildung und Altersvorsorge vertraut und wissen um die Attraktivität langfristiger Aktien(fonds)anlagen.
Misstrauen gegenüber dem Staat
Wenn es darum geht, wer die Verwaltung und das Management des Staatsfonds übernehmen soll, haben die Menschen eine recht klare Meinung. Der Staat? Sicher nicht, sagt die Mehrheit. 68 Prozent trauen ihm nicht die notwendige Expertise und Erfahrung zu. Und gar drei Viertel haben Sorge, dass die Politik die Mittel des Staatsfonds zur Querfinanzierung anderer politischer Vorhaben verwenden könnte (75,4 Prozent).
Über 40 Prozent der Befragten wollen in Zukunft mehr für ihre private Altersvorsorge tun. Favoriten sind dabei die selbstgenutzte Immobilie (63,6 Prozent) und eine private Rentenversicherung mit Garantie (62,8 Prozent), gefolgt von aktienbasierten Geldanlagen (51,6 Prozent) und einer Immobilie zur Vermietung (51,7 Prozent). Mietfreies Wohnen im eigenen Heim und fixe Einnahmen einer garantierten Rente schaffen finanzielle Sicherheit im Alter. Zugleich wenden sich die Menschen zunehmend dem aktienbasierten Sparen zu, auch für ihre private Altersabsicherung.
Eine private Aktienrente als Gegenentwurf
Die Zahl der Fondssparpläne, der Depots und der Aktionäre wuchs in den vergangenen Jahren dynamisch, und das ohne staatliches Zutun. Dieser Trend lässt erahnen, was eine aktive staatliche Förderung aktienbasierten Sparens, beispielsweise mittels steuerlicher Anreize oder direkter finanzieller Zulagen, bewirken könnte – wenn also zehn Milliarden Euro nicht in einen Staatsfonds, sondern in die Förderung aktienbasierter Eigenvorsorge der Bürgerinnen und Bürger gingen. In eine „private Aktienrente“ als Gegenentwurf zur staatlichen Aktienrente.