Start-up-DNA: Fauler Zauber oder notwendige Voraussetzung?

In Zeiten des disruptiven wirtschaftlichen Wandels gilt das Sinnbild von StartUps für etablierte Unternehmen als Heiliger Gral. Doch was reizt Konzerne an den hippen Jungunternehmen und benötigen Unternehmen wirklich mehr Gründermentalität? Ein Kommentar von Dr. Consuela Utsch, Geschäftsführerin der Acuroc Solutions GmbH und der AQRO GmbH.

Schnelle Entwicklungszyklen, intensiver Austausch mit Kunden und innovative Technologien: Mit der zunehmenden Digitalisierung geht auch die Beschleunigung des Marktes einher. Start-ups entpuppen sich als der entscheidende Treiber für diese Entwicklung, während die Old Economy – die etablierten Unternehmen – versuchen, mit dem neuen Tempo mitzuhalten.

Innovation als Treiber

Die Innovationskultur ist tief in der DNA von Start-ups verankert. Denn die Young Economy bringt Produkte schnell auf den Markt, steht im engen Austausch mit Kunden und erfindet sich ständig neu. Start-ups setzen auf innovationstreibende Eigenschaften, dynamische Organisation und binden sich weniger an feste Strukturen.

„Auch etablierte Unternehmen realisieren nach und nach, dass Innovationen der Treibstoff des Erfolgs sind. Sie können Ansätze aus der Start-up-Kultur für sich nutzen, um Flexibilität und Innovationskraft zu stärken“, verdeutlicht Utsch.

Agil mit Stil

„Build – measure – learn. Repeat“: Dieser Grundsatz aus der Start-up-Welt prägt die Methode Lean-Start-up. Typischerweise befragen Start-ups zunächst potenzielle Kunden und ziehen daraus Schlüsse zur Gestaltung beziehungsweise Verbesserung des Produktes. Anschließend arbeiten sie sofort an den daraus resultierenden Impulsen – ohne jedoch zeitaufwendige Entwicklungsarbeit zu leisten.

Dabei leben sie eine iterative Vorgehensweise und praktizieren lösungsorientierte Denkweisen. Mittlerweile befinden sich auch in etablierten Unternehmen agile Methoden auf dem Vormarsch: von Design Thinking über Scrum bis hinzu Business Model Canvas. Die dadurch zunehmende Flexibilität und Agilität kann aber auch zu Unsicherheit aufseiten der Mitarbeiter führen.

Utsch dazu: „Viele Brainworker wissen nicht mehr, wo ihnen der Kopf steht: Sie brauchen klare Leitplanken. Rollenbasierte Methoden wie AQRO können Unternehmen, die die Transformation zu mehr Agilität risikoarm schaffen wollen und gleichzeitig die Bedürfnisse der Arbeitnehmer ernst nehmen, bei diesem Wandel unterstützen.“

Ausgeprägte Betakultur

Start-ups bringen oft kein fertiges Produkt auf den Markt, sondern zunächst nur einen Prototyp. Durch permanentes radikales Testen direkt beim und mit dem Nutzer wird das Produkt stetig angepasst und im Sinne des Kunden verbessert. Auf diese Weise orientiert sich die Produktentwicklung sehr stark an den Bedürfnissen des Nutzers – ein immenser Vorteil, von dem auch Konzerne profitieren könnten. Aber:

Je ausgereifter das Unternehmen, desto weniger präsent ist der direkte Draht zum Kunden. Mit dieser Distanz fehlt die Nähe zum Markt. „Ein Feld, auf dem große Unternehmen sicher gut mitspielen könnten – wenn sie die Zeit für den intensiven Kundenkontakt wertschätzen und die Bedürfnisse der Nutzer ernst nehmen“, erklärt Utsch.

Vertrauen und Eigenverantwortung bilden die Basis von Dynamik

Schnell aus Situationen lernen und das Scheitern als Teil des Lernprozesses begreifen: zwei Stärken aus der Start-up-Szene. Durch die praktizierte Trial-and-Error-Methode entwickeln sich die Geschäftsmodelle der Young Economy stetig weiter. Das erfordert eine entsprechende Fehlerkultur und den Willen zur Veränderung: Scheitern zulassen und Fehler ins Positive umkehren.

„Um solch eine Kultur leben zu können, braucht es ein hohes Maß an Vertrauen und Eigenverantwortung. Denn dadurch entsteht die gewünschte hohe Dynamik, Agilität und Kreativität, nicht durch enge Führung gemäß Befehl und Gehorsam“, berichtet Utsch. Besonders auf diesem Gebiet sollten sich Großkonzerne und traditionelle Mittelständler die Start-up-Szene zum Vorbild nehmen.

Innovationshemmer: Silodenken

Je größer ein Unternehmen, desto anfälliger zeigt es sich für das sogenannte Silodenken: Organisationseinheiten verhalten sich wie einzelne Unternehmen, die mit anderen konkurrieren. Dabei gerät das gemeinsame Ziel aus dem Blickfeld, die Abteilungsziele stehen im Vordergrund.

„Unweigerlich führt das zu Konflikten, Schnittstellenproblemen und entpuppt sich als wahrer Innovationshemmer“, betont Utsch.

„Start-ups hingegen sind geprägt vom Entrepreneur-Spirit – alle arbeiten in Richtung eines gemeinsamen Ziels. Blind kopieren können die großen Unternehmen diesen Spirit allerdings nicht, ihre Chance liegt in agilen und selbstorganisierten Teams, die mit einer klar umsteckten Aufgabe und der entsprechenden Selbständigkeit ausgestattet werden“.

Denn das macht Unternehmen schneller und effektiver; gleichzeitig erfahren die Brainworker durch das ausgesprochene Vertrauen mehr Anerkennung und sind damit deutlich motivierter.

Nur ein Tischkicker reicht nicht

Strukturen und Methoden klassischer Start-ups eignen sich durchaus, erfahrenen Unternehmen neue Impulse zu liefern. „Aber ins Silicon Valley zu reisen, das Jackett abzulegen und einen Tischkicker im Büro aufzustellen – das hat keine langfristigen Auswirkungen auf die Organisation“, warnt Utsch vor allzu viel Hype um die Gründerszene.

Brückenbauer sind gefragt, die für die Old Economy nützliche Start-up-Methoden identifizieren und diese mit dem traditionellen Unternehmertum verknüpfen. Auch eine Zusammenarbeit mit Start-ups erweist sich dabei als fruchtbar:

Die Mehrheit der großen Unternehmen profitiert vor allem von der Kreativität der Gründer, aber auch von der technologischen Expertise sowie der Arbeitsweise, so dass diese gut beraten sind, nicht abrupt das Alte zu verwerfen und alles umzukrempeln sondern Mitarbeiter und Führungskräfte in Iterationen zur Zielkultur hinzuentwickeln.

 

Foto: Shutterstock

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