Steht dem Mieter eines Reihenhauses bei Realteilung des Grundstücks ein Vorkaufsrecht zu?

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Tim Wistokat, von Poll Immobilien

Der Vermieter plant eine Realteilung des Grundstücks, auf dem ein vermietetes Haus steht. Welche rechlichen Folgen hat das für den oder die Mieter des Hauses?

Wird ein Mietshaus in Wohneigentum umgewandelt, steht den Mietern nach Paragraph 577 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ein Vorkaufsrecht zu. Das bedeutet, dass dem Mieter (Vorkaufsberechtigter) die Gelegenheit eingeräumt wird, in den Kaufvertrag zwischen dem Vermieter (Vorkaufsverpflichteter) und dem Dritten einzutreten. Somit kann der Mieter anstelle des Dritten die von ihm bewohnte Wohnung zu denselben Konditionen erwerben, wie sie der Vermieter mit dem Dritten ausgehandelt hatte. Dabei muss der Mieter sich nicht sofort entscheiden, ob er die Wohnung kaufen will – er kann mit seiner Entscheidung warten, bis ein notariell beglaubigter Kaufvertrag mit einem anderen Kaufinteressenten vorliegt. Bei der Umwandlung in Wohnungseigentum ist die Rechtslage eindeutig. Doch wie verhält es sich mit dem Vorkaufsrecht, wenn der Vermieter eine Realteilung des Grundstücks beabsichtigt? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 28. Mai 2008 (Az: VIII ZR 126/07) entschieden, dass der Schutz des Mieters bei Umwandlung in Wohnungseigentum analog bei realer Teilung des Grundstücks gilt.

Bei der Realteilung wird ein Grundstück mithilfe eindeutiger Grenzen in zwei voneinander unabhängige Grundstücke geteilt. Bei einem real geteilten Grundstück entstehen dadurch zwei neue Grundstücke, die jeweils ein eigenes Grundbuchblatt erhalten. Die selbstständigen Grundstücke können anschließend separat veräußert werden. Bei einem ideell geteilten Grundstück kann der Käufer hingegen nur einen Miteigentumsanteil erwerben, da keine tatsächliche Trennung der Grundstücke stattfindet. Doch was passiert mit Mietern, wenn das bewohnte Gesamtgrundstück in einzelne Grundstücke geteilt wird und diese anschließend veräußert werden sollen?

Bei der Umwandlung von Mietwohnungen in Wohnungseigentum ist die Rechtslage eindeutig. Dem Mieter steht in dieser Situation nach Paragraph 577 BGB ein Vorkaufsrecht zu. Zudem hat der Gesetzgeber mit Paragraph 577a BGB einen Kündigungsschutz für Mieter bei Wohnungsumwandlungen von mindestens drei Jahren vorgesehen. Bei der Realteilung von Grundstücken zum anschließenden Verkauf war die Rechtslage bisher nicht so präzise. Durch sein Urteil hat der BGH nunmehr für mehr Rechtssicherheit beigetragen.

In dem verhandelten Fall hatte die Mieterin eines Reihenhauses geklagt, nachdem ihre Vermieterin – die Eigentümerin des ungeteilten Gesamtgrundstücks der Siedlung – beschlossen hatte, das Gesamtgrundstück in Einzelgrundstücke real aufzuteilen und diese anschließend zu veräußern. Die Mieterin erhob daraufhin Klage auf Feststellung, dass ihr ein Vorkaufsrecht nach Paragraph 577 BGB zustehe und sie Kündigungsschutz im Falle des Verkaufs nach Paragraph 577a BGB genieße. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, die Berufung vor dem Landgericht wurde zurückgewiesen. Mit der vom BGH zugelassenen Revision hatte die Klägerin Erfolg.

Der BGH sieht in diesem Fall eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes. Laut dem BGH kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber den Mieter zwar bei Umwandlung in Wohnungseigentum, bewusst aber nicht bei realer Teilung eines Gesamtgrundstücks schützen will. Die Interessenlage des Mieters ist nämlich in beiden Fällen der Rechtsänderung im Wesentlichen gleich. Aus Sicht des Mieters machen die Umstände, die letztendlich zum Verkauf des Mietobjekts führen, keinen Unterschied. Sowohl bei der Umwandlung in Wohnungseigentum, als auch bei einer realen Teilung könnte der neue Vermieter sich – sofern alle Voraussetzungen erfüllt sind – auf Eigenbedarf berufen. Ebenso besteht in beiden Fällen das gleiche Interesse des Mieters daran, durch Ausübung eines Vorkaufsrechts selbst Eigentümer zu werden. Demnach existieren keine sachlichen Gründe dafür, dass der Mieter im Falle einer Realteilung des Gesamtgrundstücks keinen Schutz genießen sollte.

Fazit

Durch die Schaffung von Schutzbestimmungen in den Paragraphen 577 BGB und 577a BGB ist der Mieter im Falle einer Umwandlung von vermietetem Wohnraum abgesichert. Durch sein Urteil erweitert der BGH diese Schutzbestimmung auch für den Fall einer Realteilung. Demnach kann sich der Mieter auch bei der beabsichtigten realen Teilung eines Gesamtgrundstücks auf sein Vorkaufsrecht berufen und im Falle der Kündigung besonderen Kündigungsschutz genießen.

Autor Tim Wistokat, LL.M., ist Rechtsanwalt und Head of Legal Department bei von Poll Immobilien.

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