Die Schadenstatistiken der Versicherer zeichnen ein deutliches Bild: Bei den steigenden Kosten für Kfz-, Wohngebäude- und Hausratversicherungen handelt es sich um langfristige Trends, verursacht durch zunehmende Naturkatastrophen und Extremwetterereignisse. Das wirkt sich auch auf die Combined Ratio, also das Verhältnis von Schäden und Kosten zu den Prämieneinnahmen aus. Versicherer sollten diesen Teufelskreis unterbrechen und ihre Profitabilität sichern. Wir empfehlen drei Maßnahmen: Beitragsanpassungen – aber richtig, Neuzuschnitt der Produkte und Wertverkauf
Beitragsanpassungen differenziert vornehmen
In der Assekuranz bekannt und altbewährt ist das Modell der Beitragsanpassungen. Das Ziel: Die Wirtschaftlichkeit sichern, indem die Beiträge bei Minimierung der Stornoquote angepasst werden. Lassen sich Schadensentwicklungen gut prognostizieren, sind Beitragsanpassungen ein sehr nützliches Tool in Sachen Pricing.
Aufgrund der hohen Volatilität und der geringen Prognosefähigkeit ist das bei Naturkatastrophen jedoch nur bedingt der Fall: Die bisher gültigen Prognosemodelle versagen zunehmend – und werden Beitragsanpassungen nur im Hinblick auf die Kosten durchgeführt, bergen sie ein signifikantes Storno-Risiko. In einem stagnierenden oder gar schrumpfenden Markt verschärft das die negative Profitabilitätssituation zusätzlich.
Auf die passende Kommunikationsstrategie kommt es an
Sind Beitragsanpassungen allerdings gut umgesetzt, erzeugen sie eine minimale Storno-Quote, holen den größtmöglichen Kundenwert aus dem Bestand und sorgen für die bestmögliche Profitabilität im Portfolio. Dafür müssen jedoch die richtigen Prozesse implementiert und eine passende Kommunikationsstrategie umgesetzt werden. Die Prozesse sollten sowohl in- als auch extern sauber verzahnt und Verantwortlichkeiten und Aufgaben in der Organisation verankert werden.
Bei der Kundenkommunikation gilt es außerdem, die einzelnen Kundengruppen segmentspezifisch anzusprechen: Möchte der Kunde etwa persönlich vom Vermittler angesprochen werden oder lieber via Social Media? Hat er ein hohes Sicherheitsbedürfnis, oder ist ihm der Service besonders wichtig? So oder so: Versicherer sollten weniger über den Preis sprechen, sondern den Mehrwert ihres Produkts in den Mittelpunkt rücken.
Unvermeidbar: Beitragsanpassungen in der Sparte Wohngebäude
Beitragsanpassungen stellen in der Kundenbeziehung „Moments of Truth“ dar. Ob er wechselt oder nicht, entscheidet sich oft an diesem Punkt. Daher müssen in der Ausgestaltung zentrale Faktoren berücksichtigt werden. Dazu gehört , dass der Kunde vollständige Transparenz über alle für ihn relevanten Werttreiber des Produkts erhält und die Wertkommunikation entsprechend gestaltet wird. Zudem sollten Preisanpassungen differenziert nach unterschiedlichen Kundensegmenten vorgenommen werden.
Allerdings ist das Potenzial von Beitragsanpassungen irgendwann ausgeschöpft und die Preisobergrenze, das sogenannte Ceiling, erreicht. Versicherer sind dann gezwungen, ihre Produkt- und Tarifstrukturen zu überdenken, da die Kunden die klassischen Beitragserhöhungen auf Dauer nicht mittragen werden. Profitabilitätsverluste sind die Folge.
Die Wohngebäudeversicherung befindet sich dabei in einer besonderen Situation: Die deutsche Wohngebäudeversicherung ist preislich fehlpositioniert, weil viel zu billig. Die Prämie der Wohngebäudeversicherung als „Kasko fürs Haus“ liegt in vielen Fällen unter oder gleichauf mit der Kasko fürs Auto. Das widerspricht der Wertwahrnehmung und dem empfundenen Risiko der meisten Hausbesitzer, wie wir in unzähligen Studien nachweisen konnten.
Daher ist und bleibt die Beitragsanpassung ein probates Mittel zur Wiederherstellung der Profitabilität in der Sparte Wohngebäude. Allerdings trägt die Branche hier eine Altlast, nachdem Erhöhungen in der Vergangenheit zu selten durchgeführt wurden und zu gering ausgefallen sind. Die richtige Bemessung der Beitragsanpassung ist kein triviales Unterfangen: Es gilt, den profitablen Preis zu treffen und zugleich Storno zu vermeiden. Aufgrund der Zunahme und der Verschärfung der Wetterereignisse stoßen die Modelle zur Prognose des Stornos an ihre Grenzen, da das Stornoverhalten der Vergangenheit kein ausreichender Prädiktor für die Zukunft ist – und das nicht nur bei der Wohngebäudeversicherung, sondern auch in den Sparten Kfz und Hausrat.
Zahlungsbereitschaften im Neugeschäft abschöpfen
Ein weiterer Weg, um die Profitabilität zu sichern, besteht in einem innovativen Produktdesign. Hierbei gilt es jedoch bestimmte Erfolgsfaktoren zu beachten – wie wir aus unserer Projekterfahrung wissen. Alle Vertriebswege und Kommunikationskanäle müssen mitgedacht werden, seien sie on- oder offline. Eine solche Omnichannel-Strategie bietet konsistente Abdeckung über alle Kanäle hinweg und erreicht den jeweiligen Kunden am richtigen Touchpoint. Und weil es für den Kunden während der Customer Journey immer schnell und einfach gehen muss, sollten die Entscheidungsoptionen möglichst unkompliziert sein.
Da viele Wetterereignisse mittlerweile große mediale Aufmerksamkeit erhalten, beobachten wir eine stärkere Ausdifferenzierung der Risikowahrnehmung der Kunden. So bilden sich neu zusammengesetzte Segmente mit besonders risikoaversen Kunden heraus. Diese müssen zwar durch neue, besser passende Produkte angesprochen werden – zugleich lassen sich bei eben jener Kundengruppe aber auch höhere Prämien realisieren. Umgekehrt können Versicherer Segmente mit niedriger Risikowahrnehmung und geringer Zahlungsbereitschaft mit deutlich schlankeren und damit kostenoptimierten Produkten bedienen.
Es geht also darum, im Neugeschäft nicht mit dem Preis allein, sondern mit einer klug austarierten Kombination aus Preis und Wert zu operieren. Schlaue Produktdesigns gehören unbedingt dazu. Schließlich können diese effektiv eingesetzt werden, um den Bestand gezielt auf die neuen, vorteilhafteren Produkte umzustellen.
Wertverkauf umsetzen
Unsere Projekte haben gezeigt, dass neben klassischen Beitragsanpassungen und innovativen Produkten auch eine wertorientierte Kundensegmentierung im Verkauf die Profitabilität erhöhen und die Combined Ratio verbessern kann. Wobei hier der Fokus auf der Zahlungsbereitschaft sowie dem jeweiligen Kundenwert liegt und Versicherer eine segmentspezifische Kundenansprache und -betreuung implementieren müssen. Das bedeutet, dass im ersten Schritt eine klare Strategie mit definierten Zielen festgelegt werden muss. Zudem helfen dezidierte Verkaufstools, die Kunden entsprechend ihrer Zahlungsbereitschaft anzusprechen. Durch umfangreiche Value-Selling- und Verhandlungsschulungen können Versicherer den Vertrieb weiter stärken. Im Pricing folgen effektive Verkaufsgespräche dem Credo: „Wenn Du höhere Preise haben willst, musst Du über höhere Werte sprechen.“
Fazit
Versicherer können die Profitabilität in den Brennpunktsparten Wohngebäude, Kfz und Hausrat nur durch gezieltes Arbeiten an drei Stellschrauben retten: Höhere Preise im Bestand und im Neugeschäft einführen, neue intelligente Produktdesigns entwickeln, die zusätzliche Zahlungsbereitschaft erschließen und unnötige Kosten vermeiden sowie einen konsequenten Wertverkauf umsetzen, der den Preis über eine klare und zielgruppenorientierte Wertargumentation freisetzt.
Zu den Autoren: Dirk Schmidt-Gallas, Senior Partner und Leiter der globalen Insurance Practice und Carsten Mangels, Partner in der globalen Insurance Practice bei Simon-Kucher