Streit um DIN-Normen: „Aus dem Schneeball wird unausweichlich eine Lawine werden“

Klaus Möller
Foto: Defino
Klaus Möller

In einem Meinungsbeitrag hat Vema-Vorstand Dr. Johannes Neder den Einsatz von DIN-Normen in der Finanzberatung kritisiert. Zu der Kritik befragte Cash. Dr. Klaus Möller, Vorstand des Defino Instituts für Finanznorm.

Vema-Vorstand Johannes Neder hat kritisiert, dass gemeinsam definierte Soll-Anforderungen wie zum Beispiel DIN-Normen für unnötige bürokratische Hürden sorgen. Kunden bräuchten keine DIN-Norm für die Beratung, sondern kompetente Berater. Hat er Recht?

Möller: Worin soll die „bürokratische Hürde“ bestehen, wenn sich alle Berater auf eine – selbstverständlich jährlich anzupassende –, einheitliche Inflationsrate verständigen, wenn es um die Berechnung des in 40 Jahren benötigten nominalen Altersvorsorge-Solls für einen heute 27-Jährigen geht. Da ist kein bürokratischer Mehraufwand, nur ist die Willkür raus, dass ein Berater die Inflation ganz unterschlägt, ein zweiter mit zwei Prozent und der dritte genussvoll mit sechs Prozent rechnet. Das hat nichts mit Kompetenz oder Inkompetenz, sondern nur mit Redlichkeit und Unredlichkeit zu tun. Und die sind in unserer Branche genauso verteilt wie im Rest der Gesellschaft – nicht schlechter, aber eben auch nicht besser. 

Sie werfen Neder ein „Spiel mit der Angst“ vor. Warum? 

Möller: Er fabuliert, dass die Einführung von Normen dazu führen würde, dass „der fachlich geschulte Berater in seiner heutigen Form nicht mehr benötigt wird“. Das Gegenteil ist der Fall.  Im Übrigen kann ich auch nicht wahrnehmen, dass das standardisierte Vorgehen bei der Erstellung von Blutbildern dazu geführt hätte, dass wir keine qualifizierten Ärzte mehr brauchen.


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Abgesehen von diesem Fall: Wie groß sind die Widerstände in der Branche insgesamt gegen die DIN-Normen?

Möller: Es gibt ein einziges Unternehmen, eben „diesen Fall“, welches sich seit fünf Jahren unbelehrbar gegen die Normung für die Finanzbranche positioniert. Bei den anderen ist die Erkenntnis, dass Normen vielfältigen Nutzen haben  können – von Vertrauensbildung über Qualitätsverbesserung und Effizienz bis hin zur Eindämmung von politischer Regulatorik – immer mehr gereift. Da gibt es eine weite Spanne von begeisterter Überzeugung bis hin zu vorsichtig abwartender Distanz, aber keine lauten Widerstände. Das ändert nichts an der Tatsache, dass der Weg von der Entwicklung über die Akzeptanz bis hin zur flächendeckenden Umsetzung von Normen in einer bisher wenig Normungs-affinen Branche ein weiter ist. Die größte Begeisterung für den Einsatz von Normen gibt es bei den jungen Marktteilnehmern, den Brancheneinsteigern, die größten Vorbehalte aus nachvollziehbaren Gründen bei den Älteren, die in vielen Jahren oder Jahrzehnten eine für sie passende Arbeitsweise entwickelt haben, die sie nicht mehr aufgeben wollen.

Wie versuchen Sie, Widerstände zu überwinden und Ängste zu nehmen?

Möller: Vor allem durch die nachhaltigen Erfolgsgeschichten der Normanwender, durch positive Beispiele. Davon gibt es immer mehr. Deshalb wird aus dem Schneeball irgendwann unausweichlich eine Lawine werden.

Die Fragen stellte Kim Brodtmann, Cash.

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