Union und SPD streiten vor dem Rentengipfel der Koalition wieder um eine Anhebung des Rentenalters. In der Union mehren sich die Stimmen dafür, das Renteneintrittsalter künftig an die steigende Lebenserwartung zu koppeln.
Diesen Vorschlag habe Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bei einer Vorbesprechung der Unionsspitze vorgetragen, berichtete der „Spiegel“. Die SPD wandte sich strikt dagegen. Die Spitzen von CDU/CSU und SPD wollen am Dienstag über die geplante Rentenreform beraten.
In Unionskreisen wurde der Deutschen Presse-Agentur bestätigt, dass Schäuble für eine Kopplung des Rentenalters an die Lebenserwartung eintritt. Ein neues abgestimmtes Papier gebe es dazu aber nicht. Laut „Spiegel“ äußerte auch CSU-Chef Horst Seehofer grundsätzlich Sympathie dafür. Denkbar ist demnach etwa, dass sich die gesetzliche Altersgrenze mit jedem weiteren Jahr Lebenserwartung automatisch um ein halbes Jahr erhöht. Derzeit liegt sie bei 65 Jahren und fünf Monaten; bis 2029 wird sie auf 67 Jahre steigen.
SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht entgegnete: „Das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung zu koppeln, so wie es jetzt die Union will, ist mit der SPD nicht zu machen.“ Eine Erhöhung des Rentenalters stehe nicht zur Diskussion. „Wir wollen keine starren Regelungen, dass Arbeitnehmer bis 70 Jahre arbeiten müssen.“
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) bezeichnete die Unionspläne als „sozialpolitischen Unfug“, der nichts anderes sei als ein Rentenkürzungsprogramm. „Das geht völlig an der Realität vorbei – mit mathematischen Spielereien und statistischem Durchschnitt geht man komplett über die unterschiedlichen Lebenslagen und Biografien der Menschen hinweg“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Sie sprach von einer „unfassbaren Arroganz“ gegenüber Arbeitnehmern wie Krankenschwestern oder Verkäufern. „In vielen Branchen schaffen es die Menschen nicht mal bis zum jetzigen Renteneintrittsalter gesund und in sozial abgesicherter Beschäftigung.“
„Haltelinien austarieren“
Der CDU-Sozialpolitiker Karl Schiewerling sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Wir müssen die Alterseinkünfte sichern und die Rente bezahlbar halten.“ Dazu müsse die Politik Haltelinien beim Rentenniveau und den Beiträgen austarieren. „Das Rentenniveau sollte bis 2045 nicht unter 45 Prozent fallen, und die junge Generation darf bei der Finanzierung nicht überfordert werden“, sagte Schiewerling. „Deswegen wäre es falsch zu sagen, dass die Lebensarbeitszeit in Zukunft auf keinen Fall verlängert werden darf.“
Bereits heute seien rund 60 Prozent der 60 bis 65-Jährigen in Beschäftigung. Der Anteil der Beschäftigten über 65 steige. „Dieser Trend wird weitergehen“, sagte Schiewerling. „Allerdings bedarf es noch weiterer Anstrengungen, dass zunächst auch die Rente mit 67 tatsächlich für immer mehr Menschen in der Realität auch erreicht wird.“
Nahles gegen höheres Rentenalter
Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) hatte sich gegen ein höheres Rentenalter gewandt. Das hatte sie in interner Runde nach Teilnehmerangaben bei ihrem Rentendialog mit Verbänden, Gewerkschaften und Arbeitgebern deutlich gemacht. „Dazu sind die Lebensumstände, Gesundheitszustände und die persönlichen Planungen zu unterschiedlich“, hatte ein Sprecher ihres Ministeriums nach einem entsprechenden Vorstoß der „Wirtschaftsweisen“ gesagt. Schäuble war bereits im April mit der Forderung der Koppelung des Rentenalters an die Lebenserwartung auf Widerspruch bei Nahles‘ Ministerium gestoßen.
Erwartet wird, dass die Spitzenrunde am Dienstag mit Nahles und Schäuble auch über die geplante Ost-West-Angleichung bei der Rente redet sowie über eine bessere Absicherung von Geringverdienern, Erwerbsgeminderten und Selbstständigen. Unklar ist auch, ob sich Seehofer mit einer Ausweitung der Mütterrente durchsetzt. Nahles will bis Ende November ein Gesamtkonzept vorstellen. (dpa-AFX)
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