Selbst eine völlig heruntergekommene Immobilie muss aller Voraussicht nach von der Eigentümergemeinschaft saniert werden, wenn sonst die weitere Nutzung unmöglich wäre. Auf dieses Urteil steuert der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Streit aus Augsburg zu. Laut Gesetz entfällt zwar die Sanierungspflicht, wenn ein Gebäude „zu mehr als der Hälfte seines Wertes zerstört“ ist.
Damit dürften aber nur echte Zerstörungen durch Feuer oder Überflutung gemeint sein, wie die Vorsitzende Richterin Christina Stresemann in der Karlsruher Verhandlung am Freitag sagte – und kein Verfall. Die endgültige Entscheidung soll am 15. Oktober verkündet werden. (Az. V ZR 225/20)
In dem Augsburger Streit geht es um ein baufälliges Parkhaus, aber dieser Fall ist eher speziell. „Alles, was wir hier an Grundsätzen aufstellen, wird auch für Wohnungen gelten“, sagte Stresemann. Nach Vorberatungen hält ihr Senat deshalb eine großzügigere Auslegung des Paragrafen für problematisch. Die Richterinnen und Richter sehen die Gefahr, dass Eigentümern quasi die Wohnung entzogen wird – etwa weil ein einsturzgefährdetes Treppenhaus nicht mehr betreten werden darf.
Das mehr als 40 Jahre alte Augsburger Parkhaus mit 550 Stellplätzen auf elf Etagen ist größtenteils stillgelegt. Das ist ein Problem, weil den Besuchern des nahen Kongresszentrums Parkmöglichkeiten fehlen. Nur eine GmbH will ihre drei Etagen weiter an das Hotel im Hotelturm vermieten, mit 115 Metern Höhe ein Wahrzeichen der Stadt.
Die anderen Eigentümer – darunter zwei Großeigentümer – hatten wegen Mängeln beim Brandschutz mehrheitlich ein Nutzungsverbot für das gesamte Parkhaus beschlossen. Eine gemeinsame Sanierung ist nicht vorgesehen, die GmbH könne höchstens auf eigene Kosten tätig werden.
Bisher war die GmbH dagegen vergeblich vor Gericht vorgegangen. Das Landgericht München I hatte zuletzt entschieden, dass hier ausnahmsweise auf die Sanierung verzichtet werden könne. Deren Kosten würden auf 4,9 Millionen Euro geschätzt. Das sei mehr, als das heruntergekommene Parkhaus wert sei – rund 3,6 Millionen Euro.
Für den BGH ist das allerdings kein Argument. Eine mögliche wirtschaftliche Überforderung einzelner Eigentümer könne nicht dazu führen, dass eine Sanierung ausbleibe, sagte Stresemann. Sie legte den Parkhaus-Eigentümern nahe, sich irgendwie zu einigen. Das wäre auch die Voraussetzung für eine Auflösung der Gemeinschaft.
Im Augsburger Bauausschuss waren vor drei Monaten Pläne für einen Abriss des Parkhauses vorgestellt worden. Wie die Stadt damals berichtete, sollen dort eine Tiefgarage mit 635 Plätzen und ein weiterer, 66 Meter hoher Wohnturm samt Nebengebäude entstehen. (dpa-AFX)