Alexander Lehmann ist Geschäftsführer bei Invesco Asset Management in Frankfurt und nennt die Maßnahmen, die seiner Ansicht nach den Fondsvertrieb in Deutschland voranbringen können.
Die Zahl neu aufgelegter Fonds steigt wieder. Nimmt auch der Wettbewerb zu?
Lehmann: Die Fondsbranche ist längst keine Wachstumsbranche mehr, im Gegenteil – sie stagniert. Trotzdem betreiben viele Fondsgesellschaften wieder einen großen Aufwand und bauen ihre Kapazitäten auch im Vertrieb aus. Die Folge ist ein Verdrängungswettbewerb, bei dem einige Anbieter dramatisch verlieren werden.
Ist Honorarberatung eine Lösung?
In Deutschland wird sich die Honorarberatung als Alternative zum herkömmlichen Provisionsmodell nicht durchsetzen. Ursache ist zum einen die Mentalität der deutschen Anleger, die nicht bereit sind, für eine Finanzberatung zu zahlen, oder aber finanziell einfach nicht dazu in der Lage sind.
Zum anderen hängt der geschäftliche Erfolg der Vertriebe in hohem Maß von – vor allem gezillmerten – Provisionsmodellen ab. Folglich wird die Provisionsberatung weiterhin einen Großteil des Geschäfts anziehen.
Die Reformen der letzten Jahre halten Sie nicht für zielführend?
Die Politik hat zum Beispiel das Beratungsprotokoll mit dem wünschenswerten Ziel geschaffen, den Beratungsprozess transparenter zu machen, den Schutz des Anlegers zu verbessern und letztlich die Investmentkultur in Deutschland zu stärken.
Die Praxis der letzten Jahre hat aber gezeigt: Das Beratungsprotokoll bewirkt oft das genaue Gegenteil. Die Anleger geizen mit Informationen über sich und ihr Anlageverhalten. Die Berater sind verunsichert – trotz oder gerade wegen der Dokumentation – und scheuen die Beratungshaftung. Eine Wertpapierberatung findet so gut wie nicht mehr statt. Das Gros der Kundengelder fließt ins Tagesgeld- oder Einlagengeschäft – und das selbst dann, wenn real negative Renditen drohen.
Sie sagen, dass Strukturvertriebe sich um Deutschland verdient machen?
Ja, die Feststellung trägt der Tatsache Rechnung, dass es häufig die flächendeckenden Strukturvertriebe mit ihrem Allfinanz-Verkauf waren, die viele Deutsche für Vermögensaufbau und Altersvorsorge sensibilisiert haben und es weiterhin tun.
In diesem Sinn haben Strukturvertriebe eine gesellschaftliche Funktion, denn eine mäßig gute Berufsunfähigkeitsversicherung ist besser als gar keine.
Was ist denn für einen Fortschritt bei der finanziellen Allgemeinbildung notwendig?
Man muss über Geld sprechen. Wer nicht über Geld spricht, läuft Gefahr, am Ende keins zu haben. Das bedeutet nicht notwendigerweise, über konkrete Summen, wie etwa die Höhe des Einkommens oder das frei verfügbare Kapital zu sprechen.
Seite zwei: Bei Beratern ist fehlendes Finanzwissen ein Problem