Deutschen Arbeitnehmern, die nicht privat fürs Alter vorsorgen, droht im Rentenalter eine größere Vorsorge-Lücke als bislang angenommen, so eine Studie der Ruhr-Universität Bochum im Auftrag des Vermögensverwalters Fidelity Worldwide Investment. Fidelity rät zu Ausbau der betrieblichen Altersvorsorge.
Während Schätzungen derzeit von rund 70 Prozent des letzten Nettoeinkommens für die Lebensstandard-Sicherung ausgehen, ist der Bedarf laut der Studie deutlich größer: Im Schnitt müssen die Bürger demnach bei Eintritt ins Rentenalter rund 87 Prozent ihres letzten Nettoeinkommens für einen auskömmlichen Lebensabend erzielen.
Die gesetzliche Rente ersetzt im Idealfall lediglich knapp 60 Prozent des letzten Nettoeinkommens. In der Realität sei die Situation aufgrund brüchiger Erwerbsbiografien, Teilzeitphasen und Auszeiten meist noch viel dramatischer, so die Studie. Für das Jahr 2013 ergebe sich auf der Basis vorläufiger Zahlen sogar nur noch ein Nettorentenniveau von rund 55 Prozent.
Monatlich 650 Euro zu wenig in der Tasche
Damit beträgt die Vorsorgelücke der Studie zufolge statt der bisher angenommenen zehn Prozentpunkte ganze 32 Prozentpunkte, bei lückenhafter Erwerbsbiografie sogar 40 Prozentpunkte. Konkret fehlen demnach einem Standardrentner bei lückenloser Erwerbsbiografie künftig jeden Monat 650 Euro netto in der Tasche – 350 Euro mehr als bislang gedacht.
„Der Bedarf an ergänzender Vorsorge ist höher als bisher von der Fachwelt angenommen“, kommentiert Klaus Mössle, Leiter Institutionelles Geschäft bei Fidelity Worldwide Investment. Wer kein großes Vermögen angehäuft oder ein Erbe zu erwarten hat, sei auf eine ergänzende private und betriebliche Vorsorge angewiesen, um im Alter seinen gewohnten Lebensstandard zu halten.
Das gelte vor allem für niedrige Einkommensgruppen, die geringe Rentenanwartschaften erworben haben, so Mössle. Zwar reduziere sich demnach der Bedarf den Forschern zufolge während der Rentenphase geringfügig, doch aufgrund der Inflation bleibe die Ersatzrate nahezu unverändert bei rund 85 Prozent des letzten Nettoeinkommens.
Betriebliche Altersvorsorge stärker ausbauen
Die betriebliche Altersvorsorge (bAV) in Deutschland führe im internationalen Vergleich eher ein Schattendasein, moniert Mössle. Demnach stammen in Dänemark bereits 17 Prozent der Altersbezüge aus der betrieblichen Altersvorsorge, in den Niederlanden sogar ein Drittel. Hierzulande nutzen jedoch nur wenige Arbeitnehmer ihren seit 2002 gesetzlich verankerten Anspruch auf Entgeltumwandlung, vor allem im Mittelstand ist die Verbreitungsquote gering.
„Der Anteil der betrieblichen Altersvorsorge an den Gesamtrentenbezügen liegt in Deutschland lediglich bei vier Prozent. Künftig werden jedoch 25 bis 30 Prozent notwendig sein, um diese deutlich höhere Ersatzquote von 87 Prozent zu erreichen“, so Mössle. Er plädiert dafür, die bAV zu einer tragenden Säule neben der privaten Vorsorge nach dem Vorbild vieler europäischer Länder auszubauen.
„Hier müssen neue Wege beschritten werden. Wir befürworten die Einführung einer automatischen Entgeltumwandlung mit Ausstiegsmöglichkeit und voller Beitragsflexibilität für den Arbeitnehmer“, fordert Mössle. Diese Vorsorgepflicht solle in jedem Arbeitsvertrag verankert sein und stelle eine einfache sowie transparente Lösung für Unternehmen und Mitarbeiter dar.
Die Forscher der Ruhr-Universität Bochum werteten im Auftrag von Fidelity Daten des Sozio-ökonomischen Panels des Wirtschaftsforschungsinstituts DIW Berlin aus, eine repräsentative Längsschnittbefragung von 20.000 Personen in rund 11.000 privaten Haushalten. Untersucht wurden konkret Personen, die zwischen 1992 und 2011 in Rente gingen. (jb)
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