Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner hat Banken und Sparkassen aufgefordert, die Produktinformationsblätter (PIB) für Geldanlageprodukte deutlich nachzubessern. Eine Stichproben-Untersuchung ergab, dass etwa die Hälfte der PIB nicht den gesetzlichen Anforderungen an Vollständigkeit, Verständlichkeit und Vergleichbarkeit entsprechen.
43 Prozent aller untersuchten „Beipackzettel“ waren schon deshalb formal unvollständig beziehungsweise unrichtig, weil überflüssige und unzulässige Angaben gemacht wurden oder wichtige Angaben fehlten. Dies ist das Ergebnis einer Evaluation des Beratungsunternehmens „evers & jung“ und dem Markt- und Meinungsforschungsinstitut „YouGov Deutschland“. Im Rahmen des vom Bundesverbraucherministerium in Auftrag gegebenen Forschungsberichts wurden 160 Produktinformationsblätter fachlich ausgewertet und 2.000 Verbraucher befragt.
„Die Untersuchung verdeutlicht, dass es richtig war, Produktinformationsblätter für Anlageprodukte gesetzlich vorzuschreiben. Rund drei Viertel aller befragten Verbraucher bewerteten den Beipackzettel für ihre Anlageentscheidung als wichtig oder eher wichtig. Deshalb haben auch fast alle Verbraucher die in der Anlageberatung übergebenen Produktinformationsblätter intensiv gelesen oder zumindest überflogen“, so Bundesverbraucherministerin Aigner. Nur ein Prozent der Befragten gab an, das Produktinformationsblatt ungelesen abgeheftet zu haben. Die Studie bescheinigt dem Beipackzettel als Informationsinstrument einen erfreulich hohen Bekanntheitsgrad.
In der Praxis von Banken und Sparkassen jedoch besteht laut Aigner „noch erheblicher Verbesserungsbedarf“. Der Forschungsbericht deckt etliche Schwachstellen in den eingesetzten Produktinformationsblättern auf. Aigner: „Mehr als ein Viertel der Produktinformationsblätter waren wegen langen, verschachtelten Sätzen, nicht erläuterten Fachbegriffen, zu detaillierten Angaben oder schwammigen Formulierungen kaum verständlich. Weniger als die Hälfte der Produktinformationsblätter waren so gestaltet, dass sie einen Vergleich mit anderen Produkten ermöglichten. Dafür habe ich keinerlei Verständnis – die Institute hatten lange genug Zeit, die Informationsblätter vorzubereiten.“ Die Ministerin betonte: „Ich werde Banken, Sparkassen und Verbraucherorganisationen noch im März an einen Tisch holen, um zu klären, wie diese Defizite zuverlässig beseitigt werden können. Die Geldinstitute müssen ihrer seit Juli 2011 geltenden Pflicht nachkommen, den Verbrauchern leicht verständliche Produktinformationsblätter über Wertpapiere bereitzustellen. Darauf haben die Verbraucher einen Anspruch“, so Aigner. „Ich werde die Finanzwirtschaft nicht aus der Verantwortung entlassen, Kosten und Risiken von Finanzprodukten verständlich darzustellen.“
Aigner betonte, natürlich bleibe dabei auch die Frage der Standardisierung solcher Informationen auf dem Tisch – insbesondere die Vereinheitlichung verständlicher und vollständiger Information über die Kosten und über die Risiken der Finanzprodukte: „Sollte es der Finanzwirtschaft nicht gelingen, im Laufe des Jahres zu Verbesserungen und einer Vereinheitlichung zu kommen, werde ich mich dafür einsetzen, den Inhalt der Produktinformationsblätter noch konkreter durch Rechtsverordnung vorzuschreiben. Diese Option bleibt auf dem Tisch.“
Im Rahmen des Forschungsberichts waren in einer Stichprobe 160 Produktinformationsblätter zu Inhaberschuldverschreibungen/Anleihen, Aktien, Zertifikaten, Investmentfonds, geschlossenen Fonds und Sparplänen untersucht worden.
Das primäre Ziel eines Produktinformationsblattes, Verbraucher kurz und prägnant über wesentliche Eigenschaften des Anlageprodukts zu informieren und Vergleiche zu ermöglichen, wird derzeit meist noch nicht erreicht. Somit werden auch die Verbrauchererwartungen an die Produktinformationsblätter nur teilweise erfüllt.
Die Produktinformationsblätter entsprechen überwiegend nicht den Anforderungen an Vollständigkeit, Verständlichkeit und Vergleichbarkeit.
Die Darstellung der Rendite ist bei 64 Prozent, die Darstellung der Kosten bei 33 Prozent der untersuchten Produktinformationsblätter verständlich, die Kostendarstellung bei komplexen Produkten sogar nur bei 16 Prozent. Als ursächlich wird eine fehlende Konkretisierung der Anbieteraussagen in den zentralen Rubriken gesehen.
Die Einheitlichkeit in der Informationsdarstellung als Grundvoraussetzung für Vergleichbarkeit ist meist nicht gegeben. Die untersuchten Produktinformationsblätter unterscheiden sich in Detailtiefe, Sprachqualität und Begriffsverwendung. So werden insgesamt nur 45 Prozent und bei komplexen Produkten nur 20 Prozent als für einen Produktvergleich nutzbar beurteilt.
Die inhaltliche Überprüfung der Produktinformationsblätter soll laut Bundesverbraucherministerium ab nächsten Jahr auch ein künftiger Schwerpunkt der „Stiftung Warentest“ sein. Sie erhält nach dem Beschluss des Koalitionsausschusses vom 4. März 2012 zusätzliche Finanzmittel, um Finanzprodukte intensiver zu prüfen und Verbraucher darüber zu informieren. Aigner: „Wir werden auf die Stiftung Warentest mit ihrer Expertise zurückgreifen. Wir wollen die Stiftung auch deshalb ab 2013 mit zusätzlichen 1,5 Millionen Euro pro Jahr ausstatten. Als eine ihrer ersten Aufgaben wird die Stiftung Warentest die Ausgestaltung der Produktinformationsblätter in der Praxis prüfen. Damit werden wir für die Verbraucher transparent machen, wo dem Informationsinteresse der Kunden auf vorbildliche Art und Weise nachgekommen wird und wo Defizite bestehen“, so die Bundesministerin. (af)
Foto: Verbraucherschutzministerium