Wer bisher meinte, die Immobilienwirtschaft in all ihren interessanten Facetten zu überschauen, muss seit geraumer Zeit zur Kenntnis nehmen, dass es neue Mitstreiter gibt. Die sogenannte Öffentlichkeit oder im Singular: der Bürger.
Die Beyerle-Kolumne
Genauer gesagt in der Kombination „Öffentliche Belange“ und „Großprojekte“. Das was Anfang der 90er Jahre am Beispiel Berlin Potsdamer Platz („Größte Baustelle Europas“) noch zu vermitteln war, geriet Ende der 90er Jahre am Beispiel Hafencity („Größte Baustelle Europas“) schon zu einer ernsten, aber dann weitgehend gelösten Herausforderung für die Freie und Hansestadt und die Immobilieninvestoren.
Neue Schwelle der Agitation
Doch mit dem Projekt Stuttgart 21 („Größte Baustelle Europas“) wurde seitdem eine Schwelle der Agitation erreicht, an welcher sich der „gesunde Immobilienverstand“ die Frage stellen muss, um was es hier eigentlich geht?
Um ein Immobilienprojekt „Abriss des alten Bahnhofs“? Um eine „neue Stadtentwicklung“? Eine Mobilitätsrevolution auf dem Weg von Wien nach Paris? Oder um die zukünftige „Unmöglichkeit von Infrastrukturleistungen“ (Kanzlerin Merkel)?
Seit Stuttgart 21 scheint der Damm gebrochen. Beliebte Taktik: erst einmal dagegen sein, und dann schauen, um was es eigentlich geht. Nachhaltige Immobilienwirtschaft war immer die maßgebliche Eigenschaft und Triebkraft um Objekte zu errichten, zu betreiben und damit selbstverständlich eine Gewinnerzielungsabsicht zu verfolgen.
Gutachten versus Gegengutachten
Doch wie soll die Branche mit dieser neuen Mitsprache umgehen? Negieren, tolerieren oder einbinden und akzeptieren? Die Antwort ist klar: auf jeden Fall einbinden. Und sich die Frage stellen, was die Branche zukünftig anders beziehungsweise besser machen kann. Stichwort Mediation.
Jeder Shoppingcenter-Entwickler kann ein Lied davon singen, was es an Mediationsanstrengungen bedarf bis der innerstädtische Konsumtempel endlich seine Pforten öffnet – oder auch nicht. Dass Flughafenausbauten wie aktuell in Frankfurt/Rhein-Main, Planungen in Stuttgart oder gar die neue Stromtrasse selten zu Jubelstürmen führt von Menschen, welche in der Einflugschneise leben oder Sichtkontakt haben, liegt auf der Hand.
Dass fast immer Gutachten durch Gegengutachten ausgehebelt werden, scheint aktuell in Deutschland – leider – „state of the art“ zu sein. Was also tun? Der Hinweis auf die Zahl der geschaffenen Arbeitsplätze, Wohnungen, Einkaufsmöglichkeiten, Kitas, Grünflächen etc. und Ausgleichsleistungen durch neue Entwicklungen fruchtet offensichtlich immer weniger.
Latente Angst vor Veränderungen
Warum? Es ist eine latente Angst vor Veränderungen zu spüren im Süden, Norden, Osten und Westen der Republik. Unbehagen und Angst entsteht aber in dem Unvermögen sich Dinge vorzustellen – gerade wie Immobilienprojekte sich nach Fertigstellung darstellen – wie sich etwas entwickeln könnte und welche Veränderungen dies mit sich bringen wird. Mehr auch nicht.
Es ist genau diese Angst vor Veränderung, was offensichtlich den Widerstand gegen diese Projekte immer stärker anwachsen lässt. Und dass die neuralgische Stufe oder Klippe einer Auseinandersetzung immer ist, mit denen umzugehen, die schlichtweg dagegen sind – und zwar fundamental.
Seite zwei: Kompromisse erzeugen Mehrwert