Telis konnte die Provisionserlöse im Jahr 2020 um 14 Prozent auf rund 143 Millionen Euro steigern. War dafür im „Corona-Jahr“ eine besondere Kraftanstrengung erforderlich?
Pöll: Ja, natürlich hat die Pandemie auch uns vor Herausforderungen gestellt. Jedoch haben wir von Beginn an die Chancen, die sich für uns als hochdigitalisierten Vertrieb ergeben haben, konsequent genutzt. Dabei haben wir die Gesundheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter absolut in den Fokus gerückt. Zugute kam uns, dass wir bereits in den Jahren und Monaten vor der Coronakrise alle Geschäftsbereiche konsequent auf digitale Geschäftsprozesse ausgerichtet haben. Diese digitalen Prozesse haben wir mit höchster Priorität vorangetrieben: vom papierlosen Antrag mit digitaler Unterschrift, der volldigitalen Vermittlerkorrespondenz bis hin zu zahlreichen Online-Services. Während sich also viele Unternehmen in einer Art „Schockstarre“ befanden, waren wir zu jedem Zeitpunkt handlungsfähig. Denn wir haben innerhalb kürzester Zeit unser Seminarwesen auf ein digitales Format umgestellt und mit der hauseigenen Videoberatung neue Kommunikationswege erschlossen. Dank unserer Unabhängigkeit im Prozess konnten unsere Berater und Makler in allen Vertriebswegen somit den gerade in solchen Krisenzeiten wichtigen Kontakt zu Kunden und Kollegen aufrechterhalten. Hierdurch haben wir die Kundenbindung nochmals gesteigert, neue Kunden hinzugewonnen und unsere Position als Branchenvorreiter, gerade im Bereich der Digitalisierung, weiter ausgebaut. Für unseren Vertrieb stellte all das nicht nur einen großen Wettbewerbsvorteil dar, sondern bedeutete gleichzeitig eine enorme Kraftanstrengung. Denn die Nutzung der neuen Tools und Systeme erforderte große Flexibilität, hohe Veränderungsbereitschaft und unbändigen Fleiß.
Was haben Sie dabei als größte Herausforderung empfunden?
Pöll: Wir erinnern uns immer noch an den Tag, den 13. März 2020, der unsere Welt plötzlich zum Stillstand gebracht hat. Von heute auf morgen war es notwendig, die Homeoffice-Quote im Innendienst von circa 25 auf über 90 Prozent zu erhöhen. Zahlreiche wichtige und weitreichende Entscheidungen mussten sofort getroffen werden. Schnelles Handeln war also gefragt, um den Geschäftsbetrieb weiter am Laufen zu halten. Mit der in alle Geschäftsprozesse vollintegrierten Videoberatung ist es uns gelungen, unseren digitalaffinen Beraterinnen und Beratern ein Tool an die Hand zu geben, um den Kundenkontakt aufrechtzuerhalten und Mandanten weiter betreuen zu können. Heute können wir voller Dankbarkeit zurückblicken und mit Stolz sagen, dass wir in dieser herausfordernden Zeit richtige und wegweisende Entscheidungen getroffen haben.
Die Berater mussten ihre Kundenkontakte vor dem Hintergrund der Kontaktbeschränkungen und Hygienekonzepte neu organisieren. Dadurch hat die Digitalisierung im Finanzvertrieb nochmal einen deutlichen Schub bekommen. Wie haben Sie diese Entwicklung wahrgenommen?
Alt: Die Digitalisierung hat enormen Einfluss auf effizientes und kundenzentriertes Handeln. Bereits vor der Krise war uns klar, dass moderne Tools und Kommunikationsformen notwendig sind, um insbesondere junge Menschen zu erreichen und lebenslang zu begleiten. Interaktion, barrierefreie Kommunikation, ganzheitliche Beratung und vor allem die Wertschätzung und Identifikation mit den Wünschen und Zielen unserer Kunden stand und steht für uns dabei im Fokus. Diese Sichtweise wurde durch die Coronakrise weiter bestärkt. So haben wir weiteren großen Entwicklungsaufwand in eben diese Tools investiert, sie weiterentwickelt und an neue Erwartungen angepasst. Das ist jedoch nur der Anfang, denn die Branche der Finanzdienstleistung befindet sich im größten Wandel aller Zeiten. Unser Anspruch ist es, die Rolle als Vorreiter der digitalen und kundenzentrierten Finanzberatung nicht nur zu beweisen, sondern sie als Leuchtturm der Branche in die Zukunft zu tragen, um unseren Beratern und Maklern die Chance zu geben, sich voll und ganz auf ihren Beratungsauftrag konzentrieren zu können.
Mit steigender Impfquote fallen die meisten Kontaktbeschränkungen weg, Präsenztermine sind wieder möglich. Befürchten Sie, dass das Tempo der Digitalisierung in der Branche dadurch wieder nachlassen wird?
Alt: Wie bereits erwähnt, sind wir der Meinung, dass die Pandemie ein „Turbo“, nicht jedoch die Ursache für neue Kommunikationsformen und effiziente, digitale Prozesse ist. Die Erwartungen unserer Kunden an zeitgemäße Dienstleistung haben sich bereits in den letzten Jahren massiv verändert. Dies hat uns die Pandemie nur wie ein Brennglas vor Augen geführt. Sich also darauf zu verlassen, dass alles wieder zum Alten zurückkehrt, wäre mehr als unklug und nicht mehr zeitgemäß. Die Telis-Unternehmensgruppe hat deshalb, insbesondere auch im Jahr 2021, hohe Summen in die weitere Digitalisierung des Unternehmens investiert. Diese Investitionen dienen sowohl der Infrastruktur, die dem enormen Wachstum gerecht werden muss, als auch modernsten digitalen Beratungstools, die sich bereits im Endstadium der Entwicklung befinden und den Markt der Finanzdienstleistung revolutionieren werden.
Wieviel digitalen und wieviel persönlichen Kontakt braucht es künftig in der Beratung?
Pöll: Nicht nur die Zugangswege zu unseren Beratern, Maklern und Kunden verändern sich, sondern auch deren Erwartungen. Dies zum einen in technischer Sicht, vor allem aber auch im Kopf. Das Verständnis und die Akzeptanz von digitalen Prozessen hat bei allen Akteuren deutlich zugenommen. Aus unserer Sicht werden durch die neuen Techniken Kontakt-Barrieren wie Anfahrtswege und allbekannte Zeitkonflikte abgebaut. Damit wird die Anzahl der Kundenkontakte steigen. Und dabei werden sich alle daran erinnern, welchen enormen Vorteil Online-Beratungen haben. Damit ist nicht gemeint, dass man Kunden und Mandanten nicht mehr persönlich trifft. Doch gerade für kleinere Gesprächsanlässe oder zur Erledigung von Formalitäten werden beide Seiten davon profitieren, den Zeit- und Arbeitsaufwand so gering wie möglich zu halten. Allerdings wird kein noch so modernes Tool den so wichtigen persönlichen Kontakt jemals ersetzen können. Wir sind uns deshalb sicher, dass eine kluge Kombination aus digitaler und persönlicher Beratung die Zukunft ist.
Auch bei Telis lag der Fokus in diesem Jahr auf der Digitalisierung und der Weiterentwicklung Ihrer Tools. Was haben Sie konkret vorangebracht?
Alt: Die Digitalisierung unserer Produktionsprozesse ist aktuell auf einem extrem hohen Level angekommen. Circa 95 Prozent der Anträge erreichen uns digital, circa 90 Prozent aller Geschäftsvorfälle im Bereich der Vermittlerkorrespondenz fließen automatisch in unsere Systeme und circa 95 Prozent aller Provisions- und Courtagebuchungen erfolgen vollautomatisch. Unseren Papierverbrauch konnten wir in nur 24 Monaten um mehr als 70 Prozent reduzieren. Da geht nicht mehr viel. Deshalb steht für uns nunmehr der Beratungsprozess mit all seinen Online-Tools sowie die weitere Digitalisierung unserer Services auf der Agenda. Wir arbeiten hier an einer echten Revolution der Beratung. Interaktion, Identifikation und Spaß sind unsere Ziele. Die Finanzdienstleistung soll endlich raus aus der Ecke der nichtgreifbaren und abstrakten Themen. Dies sehen wir nicht nur als unseren Auftrag als Telis-Unternehmensgruppe, sondern auch als gesellschaftspolitischen Auftrag. Hat es uns die Coronakrise oder auch die Flutkatastrophe nicht mehr als deutlich vor Augen geführt, wie wichtig genau diese Themen für uns alle sind?
Inwieweit sind Sie 2021 auch bei Ihrer „Vision 2025“ vorangekommen, mit der Sie den Fokus Ihrer vertrieblichen Aktivitäten noch stärker auf die Rekrutierung neuer Assistenten und Berater legen wollen?
Pöll: Wir haben auch und gerade in der Pandemie weiter unseren Fokus auf vertriebliches Wachstum gelegt. Mit unseren ausgefeilten Konzepten für Brancheneinsteiger und Brancheninsider sowie mit unserem klar formulierten Beratungsauftrag und den daraus resultierenden Mehrwerten konnten wir unsere Wachstumsziele mehr als übertreffen. Nun gehen wir mit großen Schritten unserer „Vision 2025“ entgegen. Wir bieten Heimat und einen modernen Vertrieb mit innovativer Technologie und exzellentem Service im Backoffice. Zudem gibt es bei uns tolle Chancen im Nebenerwerb mit klar formulierten Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten. Und ja, wir werden diesen Weg weiter beschreiten. Das Interesse war noch nie so groß wie es heute ist. Und gerade in Zeiten politischer Unsicherheit und weiter zunehmender Regulierung und Bürokratie in den Vermittlerbüros treffen unsere Unternehmenswerte und Services mehr denn je auf Interesse und Zuspruch.
Die Fragen stellte Kim Brodtmann, Cash.