Mit einer solchen Unklarheit musste sich das Oberlandesgericht München jüngst beschäftigen (Az.: 33 U 1473/21). In dem Fall hatte eine reiche Unternehmerin testamentarisch ihre Kinder zu den alleinigen Erben eingesetzt. Im Wege des Vermächtnisses wandte sie ihrem Patenkind ein nicht mehr im Nachlass vorhandenes Grundstück zu. An anderer Stelle weiter unten im Testament wies sie die Aufteilung ihres im Zeitpunkt des Erbfalles vorhandenen Bargeldes in 19 Teile an. Sodann zählte sie die Personen auf, die das Bargeld erhalten sollten. Am Ende des Testaments verteilte die Erblasserin noch ihren Schmuck an namentlich genannte Personen nach dem „First Come First Serve“ Prinzip. Hiernach durften sich die ersten, die beim Würfeln gewannen, jeweils 20 Stück Schmuck aussuchen.
Was versteht man unter Bargeld?
Vorliegend verfügte die Erblasserin über ein nicht unerhebliches Vermögen, das sich hauptsächlich auf Bankkonten befand. Das physische Bargeld war demnach nur ein sehr kleiner Teil des Vermögens, der sich auf einen drei- bis niedrigen vierstelligen Betrag belaufen haben soll. Einem der 19 Personen, die mit Bargeld bedacht wurden, war das zu wenig. Er zog gegen die Erben vor Gericht und vertrat die Auffassung, dass unter der Bezeichnung „Bargeld“ im Testament nicht nur das physische Bargeld in Form von Münzen und Scheinen zu verstehen sei, sondern das gesamte Geldvermögen, insbesondere auch private Bankkonten und sonstiges „Buchgeld“. Er gehe dabei von 100 Millionen Euro „Barvermögen“ aus.
Gericht: Es zählen nur Münzen und Scheine
Das Oberlandesgericht München erteilte dieser Auslegung eine Absage. Bei der Auslegung der Bedeutung des Begriffs „Bargeld“ sei der wahre Wille der Verstorbenen zu erforschen, mithin herauszufinden, wie die Erblasserin den Begriff verwendet bzw. verstanden hätte. Hierbei kommt das Oberlandesgericht zu dem Schluss, dass im allgemeinen Sprachgebrauch lediglich physisches Geld als „Bargeld“ zu bezeichnen ist. Auf Bankkonten liegendes Geld sei ersichtlich unbar. Dies habe die Erblasserin auch so verstanden und entsprechend den 19 Begünstigten des Bargelds auch nur das physische Bargeld zuwenden wollen. Dabei berücksichtigte das Gericht auch den Umstand, dass es sich bei der Erblasserin um eine „wirtschaftlich erfahrene Person“ handelte, die den Begriff „Bargeld“ richtig einzuordnen wusste.
Absteigende Systematik des Testaments entscheidend
Weiteres Argument des Oberlandesgerichts war unter anderem, dass die Erbeinsetzung der beiden Kinder als wichtigste Verfügung an der Spitze des Testaments stand und die weiteren Verfügungen einer absteigenden Systematik folgten, wonach zunächst umfangreich Immobilien, dann Bargeld und schließlich Schmuck durch ein Würfelspiel zugewendet wurden. Gerade das Zuteilungsverfahren am Ende des Testaments zeige, so die Münchener Richter, dass der Erblasserin diese Verfügungen nicht so wichtig waren. Dass das Bargeld gegen Ende des Testaments erwähnt wird, ist laut Gericht damit ein weiteres Indiz dafür, dass die Erblasserin damit nur das physisch vorhandene Bargeld meinte, also Münzen und Scheine in der tatsächlich vorhandenen Höhe. Im Übrigen konnte das Oberlandesgericht München die Summe von 100 Millionen Euro Bar- und Buchgeld, wie vom Kläger behauptet, nicht bestätigen.
Erfahrene Unternehmerin weiß um die wirtschaftliche Bedeutung ihrer Wortwahl
„Bei der Erblasserin handelt es sich um eine wirtschaftlich erfahrene Person, die noch wenige Wochen vor ihrem Tod einen Kredit in Höhe von 350 Millionen Euro aufgenommen hatte. Das Gericht ging deshalb zu Recht davon aus, dass sich die Erblasserin als erfahrene Geschäftsfrau über den Begriff des vorhandenen Bargeldes ausreichend Gedanken gemacht haben dürfte und ihn nicht leichtfertig verwendete“, hebt Rechtsanwalt Dr. Markus Schuhmann hervor. Der Münchener Fachanwalt für Erbrecht hält es zwar durchaus für denkbar, dass Bargeld auch leicht verfügbare Bankkonten einschließen könne. Es gebe aber keine allgemeine Regel, wonach Bargeld zwangsläufig auch auf Bankkonten liegendes Geld umfasse. Deshalb, so Schuhmann, komme es wie in jeder letztwilligen Verfügung von Todes wegen immer auf die Auslegung des Erblasserwillen im Einzelfall an.