Die britische Notenbank hat ihre Geldpolitik weiter gestrafft. Der Leitzins steige um 0,25 Prozentpunkte auf 1,25 Prozent, teilte die Bank of England am Donnerstag nach der Sitzung des geldpolitischen Ausschusses MPC in London mit. Analysten hatten dies im Schritt erwartet.
Nach der fünften Zinsanhebung in der Corona-Pandemie liegt der Leitzins im Großbritannien so hoch wie zuletzt 2009. Eine erste Straffung hatten die Währungshüter Ende vergangenen Jahres vorgenommen, weitere Schritte folgten im Februar, März und Mai.
Hintergrund der strafferen geldpolitischen Ausrichtung ist die hohe Inflation, die zuletzt auf 9,0 Prozent gestiegen ist. Das ist die höchste Rate seit Einführung des aktuellen Verbrauchpreisindex im Jahr 1997. Der Wert liegt auch klar über dem mittelfristigen Ziel der Notenbank von zwei Prozent liegt.
Eine unerwartet deutliche Zinserhöhung der Schweizer Nationalbank (SNB) hat den Aktienmärkten in Europa am Donnerstag schwer zugesetzt. In Frankfurt sackte der Dax in Richtung 13.000 Zähler. Zuletzt büßte er 2,85 Prozent auf 13.101 Punkte ein. Er bewegt sich auf dem tiefsten Niveau seit Anfang März.
Der MDax fiel um 3,09 Prozent auf 26.924 Zähler. Für den Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 ging es um 2,7 Prozent abwärts. Der Schweizer SMI sackte in Zürich gar auf den tiefsten Stand seit Ende 2020 ab und verlor zuletzt 2,8 Prozent. Die Nervosität bleibt hoch, zwischenzeitliche Kurserholungen wie am Vortag werden schnell für Verkäufe genutzt.
Die SNB erhöhte den Leitzins am Morgen überraschend um 0,50 Prozentpunkte und erklärte dies als Maßnahme gegen inflationären Druck. Laut einem Marktteilnehmer hatte so gut wie kein Ökonom damit gerechnet, dass sich die SNB in die Riege der zinserhöhenden Notenbanken einreiht.
Am Markt standen Online-Modehändler im Fokus nach einer gesenkten Prognose von Asos und einem enttäuschenden Zwischenbericht von Boohoo. Dies setzte die Titel des deutschen Konkurrenten Zalando erheblich unter Druck. Die Papiere fielen als Schlusslicht im Dax um fast zwölf Prozent.
Die Aktien von BASF und Uniper gehörten mit hohen Kursverlusten von mehr als sechs beziehungsweise fast neun Prozent ebenfalls zu den schwächsten Werten. Hauptgrund dürfte die weitere Reduzierung der Gaslieferungen nach Deutschland durch den russischen Energiekonzern Gazprom sein. Bei der BASF etwa bedroht ein möglicher Stopp russischer Gaslieferungen die Produktion am Chemiestandort Ludwigshafen.
Index-Änderungen bewegten die Aktien der davon betroffenen Unternehmen. Die Aktien des Windanlagenherstellers Nordex werden aus dem SDax und dem TecDax herausgenommen, damit bekommt Nordex die Quittung für die verzögerte Vorlage von Quartalszahlen. Die Titel sanken um 2,7 Prozent. SMA Solar Technology legten um 1,4 Prozent zu. Im Index der Technologiewerte ersetzen die Titel des Solartechnik-Herstellers jene von Nordex.
Fed als „Vorläufer“
Bereits gestern hatte die US-Notenbank Fed den Leitzins drastisch angehoben – mit dem größten Schritt seit fast 30 Jahren. Damit will die US-Notenbank die steigende Inflation bekämpfen und schürt die Angst vor einer Rezession. Die Federal Reserve (Fed) erhöht ihren Leitzins stark um 0,75 Prozentpunkte, wie sie am Mittwoch bekannt gab.
Fed-Chef Jerome Powell betonte zwar, dass ein so hoher Zinsschritt „natürlich ungewöhnlich“ und nicht üblich sei. Gleichzeitig stellte er für Ende Juli eine erneute Anhebung um 0,5 oder 0,75 Prozentpunkte in Aussicht. Für die Fed ist es nun ein Drahtseilakt, die steigende Inflation zu stoppen und gleichzeitig das Wirtschaftswachstum nicht zu sehr auszubremsen.
Der aktuelle Zinsschritt ist die dritte Erhöhung des Leitzinses seit dem Beginn der Coronavirus-Pandemie – und der erste Anstieg um 0,75 Prozentpunkte seit 1994. Eigentlich hatten die Zentralbanker vor einigen Woche noch einen Anstieg um 0,5 Prozentpunkte signalisiert. Daten aus der vergangenen Woche zeigten jedoch, dass die Verbraucherpreise im Mai gegenüber dem Vorjahresmonat um 8,6 Prozent gestiegen waren – dies setzte die US-Notenbank stark unter Druck. Sie überrascht eigentlich eher ungern die Märkte. Kurz vor der Fed-Sitzung wurde schließlich gar über eine Anhebung von einem Prozentpunkt spekuliert – und an den legendären Fed-Chef Paul Volcker erinnert.
Fed versichert: Versuchen nicht, Rezession herbeizuführen
Volcker hob den Leitzins in den 1970er und 80er Jahren drastisch an – er stieg zeitweise auf mehr als 20 Prozent. Auch damals hatte die größte Volkswirtschaft der Welt mit enormer Inflation zu kämpfen. Volcker wird zugute gehalten, die Inflation als Zentralbankchef erfolgreich bekämpft zu haben. Kritiker machten seinen Kurs jedoch für den Anstieg der Arbeitslosigkeit und einen Einbruch des Wirtschaftswachstums verantwortlich. Seine Maßnahmen waren so radikal, dass die USA dadurch in eine Rezession rutschten. Fed-Chef Powell versuchte nun eine klare Botschaft zu vermitteln: Die Fed ist entschlossen, die Inflation zu senken. Man versuche dabei nicht, eine Rezession herbeizuführen, versicherte er.
Wenn die Zinssätze steigen, leihen sich Bürgerinnen Bürger sowie die Wirtschaft weniger Geld oder müssen für Kredite mehr ausgeben. Folglich nimmt das Wachstum ab, Unternehmen können höhere Preise nicht mehr einfach weitergeben. Das alles hat direkte Auswirkungen auf den Alltag der Menschen – etwa bei Kreditkartenrechnungen, Krediten und Hypotheken. Ziel ist es, die Nachfrage im Laufe der Zeit zu senken, damit die Preise sinken und sich stabilisieren können. Die Folge: Die Inflation sinkt.
Wird das Wachstum aber zu schnell ausgebremst, könnten die USA in eine Rezession schlittern. Eine Rezession ist ein allgemeiner wirtschaftlicher Abschwung. Die Entscheider der Fed rechnen nun zum Jahresende im Mittel mit einem Leitzins von 3,4 Prozent und sogar 3,8 Prozent im kommenden Jahr – das ist allerdings noch sehr weit von den Volcker-Zeiten entfernt. „Wir verfügen sowohl über die notwendigen Instrumente als auch über die nötige Entschlossenheit, um die Preisstabilität im Interesse der amerikanischen Familien und Unternehmen wiederherzustellen“, sagte Powell. Wichtig sei dabei nun auch das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Fed.
Höhere Arbeitslosenquote als notwendiger Kompromiss
Die Prognosen der US-Notenbank zeigen nun auch dank der Zinserhöhung einen Anstieg der Arbeitslosenquote in den kommenden Jahren. Für Powell ist das offenbar ein notwendiger Kompromiss. Die Arbeitslosenquote lag im Mai bei niedrigen 3,6 Prozent – ein Erfolg, für den sich US-Präsident Joe Biden immer wieder rühmt. „Eine Arbeitslosenquote von 4,1 Prozent bei einer Inflation, die sich Richtung 2 Prozent bewegt – ich denke, das wäre ein erfolgreiches Ergebnis“, sagte Powell nun.
„Natürlich sind wir nie der Meinung, dass zu viele Menschen arbeiten und weniger Menschen Arbeit haben müssen“, betonte der Fed-Chef auf die Frage, ob nun Menschen im Kampf gegen die Inflation ihren Arbeitsplatz verlieren sollten. „Aber wir sind auch der Meinung, dass man ohne Preisstabilität keinen Arbeitsmarkt haben kann, wie wir ihn uns wünschen.“
Powell betonte auch, dass der Krieg in der Ukraine und die Corona-Lockdowns in China einen erheblichen Einfluss auf die Wirtschaft haben. „Das Problem ist, dass man nicht weiß, ob diese Kräfte in welchem Ausmaß anhalten werden», sagte der 69-Jährige. Es sei offen, ob man absehbar in eine Welt zurückkehre, die ein wenig mehr wie «die alte Welt aussehe“. „Oder werden wir uns in einer Welt befinden, in der es immer wieder zu größeren Versorgungsschocks kommt, wie in den 70er Jahren, die dann wieder verschwinden und sich die Dinge wieder einpendeln?“, fragte er. Angesichts der Ungewissheit sei es nun wichtig, «in der neuen Welt» für Preisstabilität zu sorgen. (dpa-AFX/fm)