Obwohl die Zweitprospekte als Werbung gekennzeichnet und durchweg entsprechend bunt und fröhlich sind, enthalten sie teilweise durchaus handfeste Informationen wie Prognoserechnungen, Objektfotos, Informationen zum Marktumfeld oder auch Leistungsnachweise der KVG, die der geneigte Anleger in den gesetzlichen Unterlagen vergebens sucht.
Nicht wenige Beobachter sehen diese Praxis schon seit geraumer Zeit kritisch, auch in Hinblick auf die Vertriebshaftung, sofern die Informationen im Zweitprospekt substanziell über den offiziellen Prospekt hinausgehen. Schließlich ist auch bei AIFs nicht vollkommen ausgeschlossen, dass wirtschaftliche Risiken zum Tragen kommen und die Sache eines Tages vor Gericht landet. Damit ist das Risiko verbunden, dass der formal vollständige Prospekt inhaltlich zur Aufklärung der Anleger nicht ausgereicht hat. Ob dann die Angaben außerhalb des offiziellen Prospekts als relevant angesehen werden, ist ungewiss.
Der Anlegeranwalt jedenfalls – so viel ist sicher – wird behaupten, sein Mandant habe den Zweitprospekt als überflüssige Werbung zur Seite gelegt und die zusätzlichen Informationen nicht weiter beachtet (es sei denn, eine der Angaben darin war falsch; dann hatte sie natürlich allerhöchste Wichtigkeit).
„Kein branchenseitiger Prospektstandard“
Trotz der Vorbehalte hat sich der Zweitprospekt durchgesetzt. Auch eine Vereinheitlichung der Prospekte selbst ist wohl so bald nicht zu erwarten. Jedenfalls wollen alle von Cash. befragten Anbieter an ihrer jeweiligen Praxis festhalten und auch Gero Gosslar, kommissarischer Geschäftsführer des Immobilienverbands ZIA, erklärt: „Wir sehen derzeit keine Notwendigkeit für einen branchenseitigen Prospektstandard.“
Neue Dynamik könnte die Diskussion aber durch zwei aktuelle Vorgänge erhalten: Die jüngste Kritik von Verbraucherschützern, die auf Basis eines (nicht veröffentlichten) Gutachtens des Fachjournalisten Stefan Loipfinger vor allem die Kostendarstellungen monieren, sowie das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zum „Schadenersatz ohne Schaden“ (II ZR 17/17).
Beide Vorgänge betreffen letztlich das Thema „Prognosen“: Die Verbraucherschützer-Kritik resultiert vermutlich in erster Linie daraus, dass ohne eine Detailprognose und entsprechende Erläuterungen nicht nachvollziehbar ist, warum die angesetzte KVG-Vergütung und weitere Gebühren von den „bis zu“-Kostenklauseln abweichen, die in den Anlagebedingungen aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen durchweg enthalten sind.