Themenfonds als Core-Investment würden Sie also gar nicht empfehlen?
Fischer: Es gibt ja noch den Mittelweg über den Multi-Megatrend-Fonds, wo ein Fonds allein schon mehrere Themen miteinander mischt. Bei uns ist das der Mediolanum BB Innovative Opportunities. Aber jedes Haus wird etwas Ähnliches haben. Damit habe ich schon eine Streuung in sich. Wenn ich darüber beispielsweise Themen wie Demographie, gesundes Altern, Urbanisierung und Digitalisierung verknüpfe, bin ich gar nicht mehr so weit weg von einem Core-Investment. Das Einzige, was dabei zu berücksichtigen ist, ist die Risikoneigung. Es bleibt: In der Regel werden dort Aktienthemen gemischt. Das heißt, wenn ich jetzt einen defensiven Anleger habe, würde ich ihm das trotzdem nicht ins Depot legen. Aber wenn es ein erfahrener Anleger ist, der auch ein bisschen offensiver denkt, dann wäre das ein chancenreiches Einsteigerprodukt.
Hemmer: Das würden wir für uns auch so sehen: Multithematisch investieren ist genau das, was der Carmignac Portfolio Grandchildren macht. Das Fondsmanagement kauft Qualitätsunternehmen, aber mit dem Fokus auf einen langfristigen Investitionshorizont, um genau diese Themen in sich dann abzubilden. Denn die Zusammenstellung der diversen vielleicht sehr nischigen, sehr volatilen Einzelfonds, ist schon hinreichend komplex im Privatkundengeschäft.
Wie groß ist das Klumpenrisiko bei Themenfonds?
Fischer: Groß. Das will man wahrscheinlich als Anbieter ungern sagen, aber für mich ist ein Themenfonds eine ganz spezielle Nische, die ich abdecke. Und wenn ich nur diesen einen Themenfonds spiele, dann ist es einfach ein Klumpenrisiko oder eine Klumpenchance. In manchen Bereichen (Robotik, Spaceinvestments) wird es ja sogar schwierig werden, überhaupt so viele Werte zu finden, dass ich die gewünschten 30 oder 50 Aktien für einen breiten Fondsaufbau zusammenbekomme. Aus meiner Sicht ist dieses Klumpenrisiko nicht wegzudiskutieren. Aber ich muss andererseits auch sagen, ich will es ja auch. Wenn ich einen speziellen Themenfonds kaufe, dann will ich auch genau diesen Bereich in meinem Depot haben. Und wenn dieses Segment dann eben mal nicht läuft, dann muss ich mir darüber vorher auch bewusst gewesen sein, dass dies mein eingegangenes Risiko gewesen ist.
Hemmer: Das ist genau der Grund, warum wir hier multithematisch vorgehen, gerade bei eng gefassten Nachhaltigkeitsthemen. Gibt es ein Bias, weil nur die Unternehmen, die hochwertige Datenlieferungen in dem Bereich haben, als Kandidaten in Frage kommen? Damit wird die Titelauswahl automatisch beengter, und wir sehen damit grundsätzlich, dass sich bestimmte Kapitalströme dann dahinter auch fokussieren, was zu Konzentrationrisiken führen kann.
Ulbricht: Wie Herr Fischer schon gesagt hat, gibt es Klumpenrisiken. Es gilt also die bekannte Börsenweisheit: Diversifizieren, nicht immer nur auf ein Pferd setzen und immer im Verhältnis zum Gesamtportfolio denken. Das ist der Punkt. Am Ende des Tages wollen wir uns auch nichts vormachen: Mit so einem Themenfonds glaubt man, es auch ein Stück weit besser zu wissen als irgendein Aktienfondsmanager, der globale Risiken managt. Wenn da Trends drin sind oder Megatrends aus bestimmten Branchen, bestimmten Bereichen, dann bildet der diese ja ohnehin in einer globalen Welt ab und gewichtet die vielleicht sogar zum Teil über.
Thematisches versus sektorales/regionales Investieren – was verspricht die beste Renditeoptimierung?
Hemmer: Wir sehen diese Ansätze tatsächlich als komplementär an. Sektor- und Länderfaktoren erklären einen hohen Anteil der Aktienrenditen, jedoch hat sich die Relevanz gegenüber anderen Stylefaktoren in den letzten Jahren verschoben. Thematisches Investieren kann somit einen etwas rationaleren Ansatz bieten, um Wachstumsthemen investierbar zu machen und so in den nächsten Jahren bessere Chancen für Outperformance zu sichern.
Fischer: Am besten eine Mischung daraus. Beispiel Indien für regionales Investieren war ein Haupttreffer. Das Thema Digitalisierung beim thematischen Investieren (Ausnahme 2022) ebenso. In beiden Bereichen gab es aber auch Verlierer, so z.B. regional China-Investments und thematisch alles was mit Energiewandel zu tun hatte. Wer von uns will nun fehlerfrei Vorhersagen, welche Region bzw. welches Thema eindeutig der Renner der nächsten Jahre sein wird. Hier macht es Sinn auf mehrere Favoriten zu setzen, da viele Themen ja noch in der Weiterentwicklung stecken. Wer sich z.B. vier Themen- bzw. Regionenfonds pickt, wird vermutlich drei Treffer und eine Niete erleben. Die Möglichkeiten sind doch breit genug.
Ulbricht: Eine sinnvolle Portfolioptimierung setzt nicht auf irgendwelche Themen, sondern auf die sinnvolle Kombination verschiede-ner Assetklassen. Eine rein geographische Optimierung ist eigentlich weitgehend überholt, da Unternehmen heute in der Regel global aufgestellt sind. Vielmehr sind derzeit eher Stile und Risikostrategien gefragt, die bei der Portfoliokonstruktion primär zu berücksichtigen sind.
Kommen wir zum Thema Ertrag. Wie gut klappt die Alpha-Generierung mit Themenfonds?
Hemmer: Für uns ist das natürlich vital. Ohne Alpha könnten wir nicht existieren. Die thematischen Investmentfonds bei uns, die aus der jüngeren Carmignac-Generation, den letzten fünf, sechs, sieben Jahren kommen, sind sehr stark geprägt von Mark Denhams Prozess: qualitativ getriebene Filter vorab, bevor dann die Bottom-up-Selektion hinterher erfolgt. Das wirkt zusammen, plus den ESG-Filter, der nicht nur wegen Nachhaltigkeit, sondern auch wirklich risikomanagementmäßig Vorteile bietet. Ein Blick auf die Zahlen verrät, es klappt richtig gut.
Fischer: Ich würde es mal ausnahmsweise wissenschaftlich angehen. Denn es ist ja erwiesen: Wo entsteht Alpha? In ineffizienten Märkten. Was sind ineffiziente Märkte? Nischenmärkte. Was machen Themenfonds? Sie beschäftigen sich mit Nischenwerten. Wenn ich überhaupt eine Chance habe, mit einem aktiven Fondsansatz nachhaltig und permanent ein Alpha zu erzielen, dann sind es Themenfonds, weil ich dort jeweils in einer ganz speziellen Nische unterwegs bin. Es wird nicht jedes Jahr klappen, aber ich habe erst einmal grundsätzlich perfekte Ausgangsvoraussetzungen. Ich glaube, das ist für die Themenfonds wirklich eine Riesenchance. Wenn ich Alpha haben will, muss ich mich in Richtung Themenfonds orientieren. Die größte Bestätigung, dass das so ist, sieht man derzeit im Bereich ETF, der sich mittlerweile umstrukturiert, weg vom reinen Index und hin zum themenbewussten Investieren. Alpha und Themenfonds, das passt gut zusammen.
Ulbricht: Am Ende des Tages geht es ja genau um eine Alpha-Generierung, wenn ich in Themenfonds investiere. Ansonsten kann ich mich global aufstellen und mit dem Markt schwimmen. Das ist der Punkt. Da bin ich ganz bei Ihnen, Herr Fischer, das funktioniert nur über Nischen.
Welche Themen sind aktuell besonders nachgefragt?
Hemmer: Bei disruptiven Themen konnte man im letzten Jahr gut punkten. Aktuell ist Künstliche Intelligenz auf jeden Fall weiter visibel, doch da muss sich etwas in Sachen Effizienzverbesserung tun. Dann natürlich die Themen Diabetes und Übergewichts-Behandlungen, das ist ein großes Thema im Healthcare-Segment. Ansonsten sicherlich auch mit Blick nach vorne sind es die Dauerbrenner Konsumverhalten und Gesellschaftlicher Wandel. Und auch das Lieferkettenthema sollten wir nicht außer Acht lassen. All das bietet genug Raum, um über die nächsten Jahre noch genügend Investmentideen zu generieren.
Fischer: Bei uns ist es regional im Augenblick definitiv Indien, auch wenn das Thema eigentlich schon seit 20 Jahren läuft. Aber die meisten entdecken es dennoch erst jetzt. China erlebt aktuell auch eine Renaissance und scheint am Wendepunkt, nachdem der dortige Aktienmarkt lange Zeit mausetot war. Aber jetzt so überlegt der ein oder andere doch, antizyklisch mal wieder etwas zu investieren. Auf der Zinsseite sind es eindeutig Hochzinsanleihen. Ob das richtig oder falsch ist, werden wir erleben. Die Nachfrage konzentriert sich zumindest eindeutig dort. Und ansonsten sind es tatsächlich wieder ver-mehrt „grüne“ Themen. Nachdem dieser Bereich erst gehypt wurde, und dann wieder völlig out war, kommt das Segment nun langsam wieder. Allerdings picken sich die Anleger im grünen Sektor zielsicher das raus, was sie für sinnvoll erachten. Und die Anfänger in diesem Bereich, die nehmen halt einen Multi-Megatrend-Fonds.
Ulbricht: Bei uns ist auch Künstliche Intelligenz ein ganz klares Thema, ebenso nachgefragt bleibt der Bereich Erneuerbare Energien. Wir arbeiten an dieser Stelle mit erfahrenen Anlageberatern zusammen, die seit Jahrzehnten erfolgreich im Nachhaltigkeitssegment tätig sind. Zusätzlich ist der Gesundheitssektor nach wie vor ein ganz klares Thema, plus natürlich das Thema Rohstoffe, Edelmetalle. Gerade das Thema Seltene Erden ist im Moment geopolitisch sehr interessant, natürlich nur als Beimischung.
Während der Corona-Pandemie verzeichneten Themenfonds enorme Zuflüsse. Selbstläufer oder Ladenhüter: Welche Rolle spielen Themenfonds aktuell im Vertrieb?
Ulbricht: Am Ende des Tages sind es immer wieder die globalen üblichen Verdächtigen, die bei uns eine Rolle spielen. Jetzt ist die Zinsseite noch ein bisschen in den Vordergrund gerückt, wo wir auch Laufzeitfonds, etc. sehen. Deshalb würde ich sagen, Themenfonds haben im Vertrieb einen Anteil von etwa 30 Prozent.
Hemmer: Normalerweise werden Fonds immer verkauft und nicht gekauft. Letzteres trifft auf Themenfonds – Sie haben es eingangs erwähnt – auf die Hochphase der Corona-Pandemie zu. Damals gab es enorme Mittelzuflüsse auch in diesem Segment. Das Thema Renten spielt vor allen Dingen eine Rolle im Vermittlervertrieb, was bisher sagen wir mal die letzten Jahre für uns auch eher ein diskretionäres Thema war, für Dachfondsmanager, für Vermögensverwalter, die immer bestimmte Quoten natürlich haben, um Multi-Asset-Fonds zu bestücken. Aktuell sind im Vertrieb die Laufzeitfonds ein echter Gamechanger, die dem Kunden prognostizierbare Renditen bieten.
Ulbricht: Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhang, auch wenn man sich für bestimmte Themen begeistert: Man muss sie regelmäßig hin-terfragen und das natürlich erst recht, wenn sich Parameter grundlegend verändern. Wenn im Jahr 2021 irgendjemand gesagt hätte, dass bei zehnjährigen Anleihen mal wieder eine drei vor dem Komma steht, hätte man ihm, salopp gesagt, einen Vogel gezeigt. Und jetzt sehen wir auch, dass man mit Renten Geld verlieren, aber auch Geld verdienen kann. Somit ist das eine sinnvolle ergänzende Alternative.
Fischer: Ich kann das eigentlich nur abrunden. Das Zinsthema ist deshalb entstanden, weil es der blinde Fleck im Portfolio gewesen ist. Wenn die Berater gut gewesen sind, dann haben sie alle 2022 möglichst keine Rentenfonds gehabt, damit sie nicht in diesen Zinssteigerungskurs reingelaufen sind. Jetzt ist aber allerhöchste Zeit, dass sie diesen blinden Fleck wieder auffüllen müssen – egal mit welcher Strategie, oder mit welchem Produkt. Deshalb ist es natürlich für uns als Gesellschaft span-nend, dass wir auf einmal wieder etwas aus dem Hut zaubern dürfen, was drei Jahre zuvor niemand mehr hören wollte. Manchmal ist unser Markt schon kurios.
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