Nichts ändern wird ein Führungswechsel an den knappen Mehrheitsverhältnissen im Parlament. Eine Neuwahl gilt daher nicht als unwahrscheinlich. Fraglich ist, ob sich eine der großen Parteien dabei eine absolute Mehrheit sichern könnte. Sollte es weder für eine Tory- noch für eine Labour-Regierung reichen, gäbe es möglicherweise weiter keinen Ausweg aus der Brexit-Sackgasse.
Kein Spielraum für Nachverhandlungen
Für Nachverhandlungen mit der EU würde dann der politische Spielraum fehlen. Aus Brüsseler Sicht ist ohnehin nur eine Nachjustierung an der Politischen Erklärung über die künftigen Beziehungen möglich, nicht aber an dem rechtlich verbindlichen Abkommen über den Austritt. Am ehesten scheint die Labour-Partei mit ihrem Plan für eine engere Anbindung an die EU ein erfolgversprechendes Konzept für neue Gespräche mit Brüssel zu haben.
Ein Brexit ohne Abkommen mit möglicherweise drastischen Folgen für die Wirtschaft und viele andere Lebensbereiche ist das Ziel einiger konservativer Brexit-Hardliner wie Boris Johnson. Sollte bis zum Ende der Austrittsfrist am 31. Oktober nichts anderes vereinbart werden, würde es zu einem sogenannten No-Deal-Brexit kommen.
Munition des Parlaments verschossen
Das will zwar eine Mehrheit der Abgeordneten im Parlament verhindern, aber es ist umstritten, ob sie gegen den Willen des Premierministers etwas ausrichten könnte. Einer Expertin der renommierten Denkfabrik Institute for Government zufolge hat das Parlament seine Munition weitgehend verschossen. Es läge aber wohl in der Hand von Parlamentspräsident John Bercow, den Abgeordneten die Gelegenheit für eine Gesetzesinitiative zu geben, um den No Deal zu verhindern.
Zweites Referendum als Ausweg?
Ein Ausweg aus der Sackgasse könnte ein zweites Referendum über den Brexit sein. Umstritten ist aber, welche Optionen dabei den Wählern vorgelegt werden. Zudem ist der Widerstand gegen eine zweite Volksabstimmung im Parlament sehr groß. Bislang hatte sich dafür keine Mehrheit gefunden.
Theoretisch könnte Großbritannien den Brexit einfach absagen. Eine einseitige Rücknahme der Austrittserklärung ist einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zufolge noch bis zum tatsächlichen Austritt ohne Weiteres möglich. (dpa-AFX)
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