Tierkrankenversicherungen: Maklers Glück hat sanfte Pfoten

Hund, Katze und Stethoskop
Foto: PantherMedia
Hund, Katze und Stethoskop

EXKLUSIV Tierkrankenversicherungen schienen bislang eher von geringer Priorität in Deutschland. Doch der Markt hat sich gedreht. Die Abschlusszahlen steigen, die Zahl der Anbieter und Tarife ebenfalls. Von über 27 Millionen Hunden und Katzen sind in Deutschland derzeit nur ein Bruchteil abgesichert. Ein Wachstumsmarkt für Versicherer und Vermittler. Weil sich das Verhältnis der Tierhalter zu ihren Fellnasen ändert und weil viele Kunden den digitalen Tarifdschungel wohl nicht komplett durchblicken dürften.

„Hunde haben Herrchen, Katzen haben Personal“, sagt ein Sprichwort. Seit 2014 sind auch wir Angestellte. Chilli, so heißt die mittlerweile 12-jährige Katzendame, gehört zur Familie, schnattert fleißig mit und macht – manchmal auch sehr energisch – eindeutig klar, wohin die Reise gehen soll. Katzenbesitzer wissen, wovon ich spreche. Vor gut sechs Jahren haben wir uns, nach reiflicher Überlegung, für eine Tier-OP-Versicherung und gegen eine Krankenversicherung entschieden. Aus Kostengründen. Denn für eine gute Tierkrankenversicherung für eine achtjährige Katze wurden 2018 auch schon deutlich über 40 Euro aufgerufen.

Für unseren Premium-OP-Tarif – der zum Beispiel Zahnoperationen, sechs Wochen Klinikaufenthalt, Kostenübernahme von Medikamenten nach einer OP oder Physiotherapien als Nachbehandlung sowie eine vierfache GOT im Notfall miteinschließt – waren anfangs rund zehn Euro fällig. Inzwischen sind es knapp elf, nach einer Prämienanpassung im Oktober 2023. Die 133,20 Euro pro Jahr sind aus unserer Sicht gut investiert, wenn man die möglichen Kosten im Ernstfall bedenkt: So schlägt etwa eine Wundnaht bei Katzen bereits mit rund 300 Euro, eine Zahnextraktion mit rund 250 Euro, eine Harnsteinentfernung mit rund 400 Euro oder ein Kreuzbandriss mit 1.700 Euro zu Buche.

Waren tierärztliche Behandlungen schon vor dem 22. November 2022 kein Schnäppchen, so hat die seither geltende neue Gebührenordnung für Tierärzte die Behandlungskosten auf ein völlig neues Niveau gehoben. Es war die erste umfassende Neugestaltung seit 20 Jahren. Und die Anpassungen waren notwendig, denn auch die Tiermedizin hat sich seit dem Jahr 2000 stark verändert. Viele medizinische Verfahren sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten neu hinzugekommen. Zum Beispiel die Kernspintomographie oder die Telemedizin.

Steigerungen bis zu 120 Prozent

„In einzelnen Posten aus der Gebührenordnung sehen wir Steigerungen von 60, 100 oder 120 Prozent. Das sind in der Regel Einzelposten wie Injektionen oder Blutentnahmen, die sich im einfachen Eurobereich bewegen“, ordnet Dr. Christian Prachar, Produktmanager Tierkrankenversicherung bei der Gothaer Versicherung, die Anpassungen gegenüber Cash. ein. „Wenn man durch die komplette GOT geht, sehen wir eine Anhebung der Gebühren von 20 bis 30 Prozent“, so der Tierarzt weiter.

Die Behandlungen von Hunden sind nach seinen Aussagen dabei ungefähr 15 bis 20 Prozent teurer geworden. Gleichzeitig hätten sie die Gebühren für die Behandlung von Katzen aber auch dem Niveau der Kosten für Hunde angenähert. „In der alten GOT waren Katzen immer deutlich günstiger. Das war historisch gewachsen, weil man früher immer argumentiert hatte, dass das Tier kleiner sei und nicht so viel koste. Dabei hatten die Tierärzte schon vor 30 Jahren gesagt, dass das nicht mehr zeitgemäß sei. Insofern ist der Sprung bei der Katzenbehandlung deutlich höher, als es bei Hunden der Fall ist“, erklärt Prachar.

Laut einer Umfrage von Nordlight Research, Hilden, vom November 2022 haben 30 Prozent aller Hundehalter und 23 Prozent aller Katzenbesitzer eine Tierkrankenversicherung abgeschlossen; eine Tier-OP-Versicherung besitzen der Umfrage zufolge 27 Prozent der Hunde- und 18 Prozent der Katzenbesitzer. „Auch wenn die Zahlen generell insgesamt hoch erscheinen – im Vergleich zu Ländern, in denen Tierkrankenversicherungen bereits deutlich weiter verbreitet sind, sind sie jedoch noch niedrig“, sagt Gothaer-Produktmanager Prachar.

Vergleichsweise günstig und bezahlbar

„In Deutschland werden anders als in anderen europäischen Ländern, die Kosten für Tierarztbehandlungen über die Gebührenordnung für Tierärzte geregelt werden und sind somit im Vergleich zu manchen Nachbarländern eher günstig beziehungsweise bezahlbar. Allerdings wurde diese Gebührenordnung vor nicht allzu langer Zeit reformiert, was zu einem teils deutlichen Anstieg der Behandlungskosten geführt hat“, erklärt Jessica Ruiz Ribota, Senior Research Consultant bei Nordlight die vergleichsweise geringe Durchdringungsrate.

Ein weiterer Faktor könne das teils mangelnde Bewusstsein für die Vorteile und den Leistungsumfang von Tierkrankenversicherungen sein, so Ribota. Viele Tierhalter seien wahrscheinlich unsicher, welche Leistungen abgedeckt sind und welche Kosten im Krankheitsfall übernommen werden. Diese Unsicherheit könne dazu führen, dass Tierhalter zwar bei der Anschaffung eines Haustieres über eine Versicherung nachdenken, den Abschluss dann aber hinauszögern oder ganz darauf verzichten.

„Erst wenn der Ernstfall eintritt und man die erste hohe Tierarztrechnung in den Händen hält, wird einem bewusst, wie sinnvoll eine Tierversicherung wirklich ist.“

Jessica Ruiz Ribota

„Nach unseren Ergebnissen werden Tierversicherungen am ehesten wegen der zu erwartenden Kosten nicht abgeschlossen oder weil eine ernstere Erkrankung beziehungsweise ein Schadensfall für wenig wahrscheinlich gehalten wird. Aber oft ist es ja so: Erst wenn der Ernstfall eintritt und man die erste hohe Tierarztrechnung in den Händen hält, wird einem bewusst, wie sinnvoll eine Tierversicherung wirklich ist. Gänzlich uninteressiert an Tierversicherungen zeigen sich nur knapp 20 Prozent aller Tierhalter“, so Ribota.

Ende 2023 gab es 27,3 Millionen Hunde und Katzen in Deutschland. Bei dem von Ribota skizzierten Marktpotenzial von rund 80 Prozent wären also rechnerisch rund 21,8 Millionen Hunde und Katzen als Versicherungskunden möglich. Welche Relevanz die Tierkrankenversicherung für einen Versicherer haben kann, zeigte sich bereits auf der Bilanzpressekonferenz der Hanse Merkur 2023. Dort vermeldete der Versicherer ein Plus von 42 Prozent im Segment Sachversicherungen. Maßgeblich verantwortlich war die Entwicklungen in der Tierkrankenversicherung. Insofern verwundert es nicht, dass der Hanse Merkur-Vorstandsvorsitzende Eberhard Sautter sie als strategisches Feld bezeichnete.

Eric Bussert, Vertriebsvorstand Hanse Merkur
Eric Bussert: „Wir verzeichnen eine überaus hohe Nachfrage.“

Rund 14,3 Prozent der Beitragseinnahmen der Hanse Merkur Allgemeine stammten laut Sautter aus den Tierversicherungen. Die Beitragseinnahmen in dem Segment stiegen von knapp sechs Millionen Euro Ende 2021 auf knapp 14 Millionen Euro Ende 2022. „Unser erklärtes Ziel ist es dann auch, der Tierversicherer zu werden“, bekräftigte denn auch Hanse Merkur-Vertriebsvorstand Eric Bussert. Der Bestand wachse stetig in sehr erfreulichem Maße. „Wir verzeichneten auch im 1. Quartal 2024 eine überaus hohe Nachfrage bei unseren Tierversicherungen, also Kranken- und Operationsversicherungen“, so Bussert. Auch die Gothaer Versicherung und die Agila Tierversicherungen verzeichnen ein stabiles Wachstum und eine nahezu unveränderte Nachfrage.

Nach Angaben von Dr. Johannes Neder, Vorstand des Maklerverbundes Vema, hat sich die Tierkrankenversicherung im deutschen Markt etabliert. „Seit Jahren zählt unser eigener Tarifrechner hier stabile Zahlen ohne große Schwankungen“, sagt Neder. Auch das erste Quartal 2024 sei im positiven Sinne unauffällig gewesen.

Dr. Johannes Neder, Vorstand Vema
Dr. Johannes Neder: „Die Sparte ist auf Wachstumskurs“

„Die Sparte ist weiter auf ihrem Kurs, die Marktdurchdringung auszubauen.“ Die Herausforderungen in dem Wachstumsmarkt sind laut Neder allerdings die gleichen wie in der Krankenversicherung. „Es muss der Spagat gelingen, von den Leistungen her interessant und bei dem kalkulatorisch nicht unterfinanziert.

Lesen Sie hier, wie es weitergeht.

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