Nur ein leistungsstarkes Produkt fällt auf, nur mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis verkauft es sich auch und nur eine ausreichende Finanzierung lässt eine vernünftige Schadenabwicklung und Beitragsstabilität für den Bestand vermuten“, erklärt
Neder. Neders Aussagen werden von Nordlight Research gestützt. „Die Herausforderung besteht vor allem darin, eine Balance zwischen Profitabilität und attraktiven, kundenorientierten Produkten zu finden. Der starke Wettbewerb und der daraus resultierende Preisdruck erfordern innovative Produktlösungen, die sich von der Konkurrenz abheben, wie zielgruppenspezifische Angebote, einfache Tarifrechner und digitale Kundenservices“, sekundiert Nordlight-Consultant Ribota.
Apropos Beitragsstabilität: Vor dem Hintergrund der Aussage Neders, die Tierkrankenversicherung stehe vor den gleichen Herausforderungen wie die Krankenversicherung für Menschen, lohnt ein Blick auf die private Krankenversicherung. Nach Berechnungen der Kölner Ratingagentur Assekurata zogen dort die gesamten Leistungsausgaben aufgrund von Nachholeffekten und Inflation 2023 um 9,1 Prozent an. Für 2024 erwarten die Analysten einen weiteren Anstieg um 8,5 Prozent.
Inflation und Nachholeffekte auch in der Tierversicherung
Es ist davon auszugehen, dass Inflation und Nachholeffekte auch vor der Tierkrankenversicherung nicht Halt machen werden. „Unbestritten ist, dass der Fortschritt auch in der Tiermedizin stetig voranschreitet. Immer umfangreichere Behandlungsmöglichkeiten, innovative Operationstechniken und verbesserte Diagnosemöglichkeiten etwa im Bereich der hochauflösenden Bildgebung haben zweifellos Auswirkungen auf den Kostendruck und damit auch auf die Beitragsstruktur der Versicherer und deren Leistungsumfang. Versicherer müssen genau kalkulieren, damit ein attraktiver und möglichst leistungsstarker Tarif für den Kunden bezahlbar bleibt, gleichzeitig aber auch für den Anbieter noch profitabel ist“, bestätigt Gothaer-Mann Prachar.
Laut dem Produktmanager musste die Gothaer seit Ende 2022 keine Beitragsanpassungen vornehmen. „Weder außerordentliche für bestehende Verträge noch in Bezug auf das Beitragsniveau für das Neugeschäft. Aktuell ist dies auch weiterhin nicht erforderlich.“ Anders hingegen die Situation bei der Hanse Merkur und der Agila Haustierversicherung. „Ja, die Preisanpassungen in der Tiermedizin haben natürlich dazu geführt, dass bei uns als Tierkrankenversicherung, die genau diese Kosten abdeckt, die Kosten gestiegen und die Beiträge angepasst werden mussten“, bestätigt Franziska Obert, Head of Communication bei der Agila Haustierversicherung, Hannover. Auch die Hanse Merkur musste vor dem Hintergrund von neuer Gebührenordnung für Tierärzte und Leistungserhöhungen bei der Kalkulation nachbessern.
Über die Notwendigkeit einer Tierkrankenversicherung wird kritisch diskutiert. Während eine Tier-OP-Versicherung aufgrund aus Sicht der Verbraucherzentralen wegen der hohen Kosten von mehreren tausend Euro sinnvoll sein kann, raten die Verbraucherschützer von Tierkrankenversicherungen hingegen ab. Stattdessen sollten Tierbesitzer lieber selbst regelmäßig sparen und eine Rücklage für Notfälle auf dem Konto bilden, 20 Euro im Monat für eine Katze, 40 Euro für einen Hund, so ein Ratschlag; über die Lebenszeit des Tieres gerechnet sei das meist günstiger als ein Vertrag.
Klassische Risikoabsicherung
„Diese Empfehlung können wir nicht wirklich nachvollziehen. 20 oder 40 Euro im Monat zu sparen, ergibt 240 beziehungsweise 480 Euro jährlich. Damit kommen Besitzerinnen und Besitzer unter Anbetracht der Kostensituation in der Tiermedizin nicht ansatzweise hin, wenn ihre Tiere krank werden oder auch nur wichtige Vorsorgemaßnahmen wie notwendige Impfungen, Wurmkuren und Zeckenprophylaxe mit ihrem Tier wahrnehmen“, kritisiert daher auch Agila-Expertin Obert.
„In der Tat ist die Tierkrankenversicherung eine klassische Risikoabsicherung. Wenn dem Tier nie etwas passiert, ist dies erfreulich und eine Behandlung entfällt. Die gezahlten Beiträge werden dann nicht zurückerstattet. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Tier behandelt werden muss, ist jedoch vergleichsweise hoch“, sekundiert Gothaer-Mann Prachar.
Umfragen zufolge geht ein Drittel aller Tierhalter mindestens zweimal im Jahr zum Tierarzt. Gleichzeitig steigt auch die Lebenserwartung bei Hunden oder Katzen durch immer bessere Fütterungs- und Haltungsbedingungen und den stetigen Fortschritt in der Veterinärmedizin. „Statistisch gesehen steigt das Risiko von Erkrankungen und Operationen ab dem 7. Lebensjahr stark an“, sagt Prachar.
Sofern das Tier nie krank wird oder nur jährlich geimpft wird, mag die Rechnung der Verbraucherschützer aufgehen, so der Experte weiter. Doch die Kosten für eine Operation, etwa bei einem Kreuzbandriss beim Hund, liegen je nach Schwere zwischen 2.000 und 4.000 Euro. Und auch bei Katzen liegen die Operationen schnell im vierstelligen Euro-Bereich. Und dann ist da noch das Sparen von größeren Beträgen über einen längeren Zeitraum.