Die EU-weiten Stresstests für die Versicherungsbranche, die die europäische Aufsichtsbehörde EIOPA (European Insurance and Occupational Pensions Authority) plant, sind nach Ansicht des Beratungsunternehmens Towers Watson eine sinnvolle und nützliche Übung, um das Regelwerk Solvency II und seine finanziellen Auswirkungen besser zu erfassen.
„Diese Initiative ist die erste weitreichende Aktion der neuen europäischen Aufsichtsbehörde“, sagt Michael Klüttgens, Berater bei Towers Watson. Daher sei es für die EIOPA sehr wichtig, dass die Stresstests erfolgreich durchgeführt werden, auch wenn sie im Markt kontrovers diskutiert würden. Die Anforderungen der Tests werden laut Towers Watson auf der Basis von QIS5, allerdings zum Stichtag 31. Dezember 2010, erarbeitet. QIS5 hatte bei den Versicherern noch zahlreiche Probleme aufgeworfen, die man aufgrund des Übungscharakters auch kommuniziert hat. Dem Beratungsunternehmen zufolge befürchten nun einige Marktteilnehmer, dass diese Probleme in die Stresstest-Ergebnisse einfließen.
„Diese Bedenken kennt die EIOPA natürlich“, so Klüttgens. Sie habe aus diesem Grund bereits zugesagt, die Ergebnisse der Stresstests nur in aggregierter Form zu veröffentlichen. Towers Watson sieht zum jetzigen Zeitpunkt keine sinnvollen Alternativen zur QIS5-Basis: „Würde man von Solvency I ausgehen, würde dies das Bild noch stärker verzerren, da das bisherige Regelwerk in den verschiedenen Märkten nicht einheitlich implementiert wurde“, so Klüttgens.
Die Stresstests der EIOPA sollen mindestens je 50 Prozent des Leben- sowie Nicht-Leben-Prämienvolumens in jedem EU/EWR-Versicherungsmarkt sowie der Schweiz abdecken. Aufgrund dessen werden rund 200 Versicherungsgesellschaften inklusive der großen europäischen Versicherungskonzerne in die Tests einbezogen.
Ziel der Übung ist es, die Fähigkeit der Unternehmen zur Erfüllung der Mindestkapitalanforderungen zu testen. Dazu untersucht man ihre Belastbarkeit unter ungünstigen Marktbedingungen ebenso wie mögliche systemische Risiken in Stresssituationen. Drei Szenarien gelten dabei als Maßstab: ein Basisszenario, ein adverses Szenario und ein Inflationsszenario. Jedes Gefährdungsbild enthält eine Mischung aus plötzlichen Störungen im allgemeinen Markt-, Kredit- und Versicherungsumfeld – wobei die Markt- und Kreditunruhen im adversen Szenario jeweils mindestens doppelt so hoch wie im Basisszenario sind. Darüber hinaus gibt es zwei abgekoppelte Szenarien, um die Belastungsfähigkeit der Versicherer in einem langfristig niedrigen Zinsumfeld und mögliche Ausfallrisiken von Staatsanleihen festzustellen.
Von Ausfallrisiken sind vor allem Irland, Griechenland und Portugal betroffen, Deutschland dagegen nicht. Der Zeitplan für die Tests erscheint allerdings knapp, denn schon Ende Mai werden die ersten Ergebnisse erwartet. Das setzt laut Towers Watson die Gesellschaften unter Druck, deren Finanzabteilungen schon durch die Vorbereitungen für Solvency II am Limit arbeiteten. Positiv sei allerdings zu sehen, dass die Unternehmen hierdurch eine weitere Möglichkeit hätten, ihren Status Quo in der Implementierung von Solvency II zu bestimmen. (te)
Foto: Shutterstock