Trotz Riester-Reform: Weiter Fehlanreize im Vertrieb?

Michael Hauer
Foto: Petra Homeier
Michael Hauer, IVFP

EXKLUSIV Bleiben Fehlanreize im Vertrieb auch nach der Riester-Reform bestehen, wie ein Verbraucherschützer im "Spiegel" beklagt? Cash. bat einen Altersvorsorge-Experten um seine Einschätzung.

Unter der Überschrift „Was bringt Lindners Riester-Reform?“ hat das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ kürzlich die Reformpläne des Finanzministeriums analysiert. Das Fazit: Mit seiner Überarbeitung behebe der Finanzminister Schwachpunkte, verfehle aber das wichtigste Ziel: die massiven Fehlanreize im Vertrieb der Vorsorgeprodukte zu beseitigen. In dem Artikel heißt es unter anderem: 

Das neue Altersvorsorgedepot ermöglicht eine Kapitalanlage in ETFs künftig mit einer satten staatlichen Förderung: 600 Euro Grundzulage im Jahr sind möglich, dazu kommen Kinderzulagen und steuerliche Vorteile. Hier ist die Reform ein echter Fortschritt. Allerdings ist es auch möglich, mit einem Riester-Produkt in den Kapitalmarkt zu investieren, etwa mit einer fondsgebundenen Rentenversicherung. Dann jedoch schlägt allein die Verwaltung der Versicherung jährlich mit rund einem Prozent des verwalteten Geldes zu Buche. Dazu kommen Fondsgebühren mit zwei bis drei Prozent Kosten. (…) Es ist logisch, dass Berater und Finanzindustrie nur selten zu einem Altersvorsorgedepot raten werden, da sie daran wenig verdienen. „Das Problem ist nicht, dass die, die jetzt schon alles richtig machen und in ETFs investieren, bislang keine Förderung bekommen“, sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Das Problem sei, dass auch nach der Reform absehbar nur Produkte mit sehr hoher Provision verkauft werden.

Ein weiterer Teil der Reform macht Nauhauser Sorgen: Bislang müssen Riester-Anbieter garantierten, dass zu Rentenbeginn zumindest die eingezahlten Beiträge und die staatliche Förderung noch in voller Höhe vorhanden sind. Dadurch wurde auch bei fondsgebundenen Produkten meist nicht in renditeträchtigere, risikoreichere Anlagen investiert. Künftig soll es auch Produkte geben, die nur 80 Prozent des eingesetzten Geldes garantieren. „Es besteht aber die Gefahr, dass die Sparer künftig die gleichen schlechten Produkte erhalten, jedoch die Verluste allein tragen müssen“, warnt er. Mehr noch: „Viele Versicherer würden gern alte Riester-Verträge loswerden, für die sie hohe Garantiezinsen bezahlen müssen. Sie werden ihren Vertrieb darauf trimmen, für den Wechsel in einen neuen 80-Prozent-Garantievertrag zu werben, um die Verpflichtung loszuwerden und neue Verträge gegen hohe Provisionen zu verkaufen.“ 


Das könnte Sie auch interessieren:

Tatsächlich seien einige Kritikpunkte von Niels Nauhauser nicht von der Hand zu weisen, erklärt Prof. Michael Hauer, Geschäftsführer des Instituts für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP), gegenüber Cash. Die geplante Reform der privaten Altersvorsorge beinhalte dennoch einige positive Elemente: „So ist zukünftig ein staatlich gefördertes Altersvorsorgedepot mit und ohne Garantie sowie mit einer Leibrente als auch einem Auszahlplan geplant. Dies bedeutet, dass das Angebot an staatlich geförderter Altersvorsorge breiter und flexibler gestaltet ist, während gleichzeitig die Zulagenförderung vereinfacht wird. Die neue Regelung soll ab 2026 gelten.“ Ab diesen Zeitpunkt könnten durchaus die von Nauhaus angesprochenen Fehlanreize im Vertrieb erfolgen. „Dabei muss erwähnt werden, dass die meisten Beraterinnen und Berater ganz gewiss das Wohl der Kundinnen und Kunden im Auge haben, jedoch gibt es sicherlich auch schwarze Schafe, die eher zu ihrem eigenen Vorteil agieren“, betont er.

Mit einer nicht geringen Wahrscheinlichkeit werden auch nach Hauers Einschätzung Riester-Bestandsverträge in neue Verträge umgewandelt. „Als Argument wird die bessere Förderung des neuen Modells genutzt, denn es ist tatsächlich so, dass in vielen Fällen die neue Förderung ab 2026 mehr Vorteile bringt als die bisherige Förderung. Allerdings könnte auch jeder Riester-Sparer mit einem Bestandsvertrag ab 2026 die neue Förderung erhalten, ohne dass er einen neuen Vertrag abschließen muss“, so Hauer. Es bleibe fraglich, ob dies stets in dieser Form kommuniziert wird, da der Vertrieb für Neuabschlüsse Prämien erhält. „Ob diese zu Beginn vollständig ausgezahlt oder durch fortlaufende Gebühren vergütet werden, ist in diesem Zusammenhang von eher untergeordneter Bedeutung“, sagt er.

Besonders drastisch könne es für Menschen „50plus“ werden, die bereits seit längerer Zeit einen Riester-Vertrag besitzen. „Für diese ist ein Wechsel des Vertrags in vielen Fällen nicht mehr ratsam (Ein Wechsel des Fördermodels von alt auf neu schon). Hat man bereits längere Laufzeiten hinter sich, dann sind die Abschlusskosten bereits abgegolten und die Verträge weisen einen höheren Garantiezins auf. Ein Wechsel in einen neuen Vertrag zum Beispiel in einen Vertrag ohne Garantien würde bei einer Laufzeit von 15 oder weniger Jahren das Risiko auf den Kapitalmärkten beachtlich erhöhen“, erläutert Hauer. Fehlberatungen könne man eventuell verhindern, indem der Kunde mit seiner Unterschrift bestätigen muss, dass er über neue Vertriebskosten und die Möglichkeit, den Bestandsvertrag auch mit der neuen Förderung fortführen zu können, aufgeklärt worden ist.

Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
1 Kommentar
Inline Feedbacks
View all comments