In den letzten beiden Konjunkturzyklen vor dem aktuellen scheint sich der Zeitversatz zwischen der Inversion und der Rezession auf deutlich mehr als 18 Monate verlängert zu haben. So waren es nach der Inversion im Jahr 2005 ganze 29 Monate und 33 Monate nach der Inversion im Jahr 1998.
Zeitversatz beim Index für das produzierende Gewerbe
Bestätigt wird dies auch durch den verlängerten Zeitversatz zwischen einem zyklischen Hoch des ISM-Index für das produzierende Gewerbe in den USA und den anschließenden Rezessionen. Dieser Zeitversatz hat sich deutlich über seinen Durchschnittswert von 36 Monaten hinaus verlängert. In den vorangegangenen drei Konjunkturzyklen betrug er 80, 78 und 44 Monate.
Die Verlängerung des Zeitraums zwischen einer Inversion der Renditekurve beziehungsweise Höchstständen von Indikatoren für das Produzentenvertrauen, sowie Rezessionen in den letzten Jahrzehnten spricht dafür, dass die derzeitige – bereits verlängerte – Wachstumsphase noch eine Weile anhält.
Die wahrscheinlichste Erklärung für einen verlängerten Zeitversatz in den letzten Jahrzehnten ist die nachlassende Bedeutung der Industrieproduktion für den globalen Konjunkturzyklus. Dem steht eine zunehmende Bedeutung des Dienstleistungssektors gegenüber, der mittlerweile 45 Prozent der Wirtschaftsleistung in den USA ausmacht.
Während die Industrieproduktion bereits schrumpft, ist der Servicesektor robust geblieben. So deutet der ISM-Index für das nicht-produzierende Gewerbe weiterhin auf eine Fortdauer der Expansion im US-Dienstleistungssektor hin. Es fällt schwer, mit einer Rezession in den USA zu rechnen, ohne dass es im Dienstleistungssektor zugehörige Anzeichen dafür gibt.
Reale Leitzinsen wirken unterstützend
Ein weiterer Faktor ist, dass die derzeitigen realen Leitzinsen stark von denjenigen abweichen, die in früheren Straffungszyklen der US-Notenbank zu beobachten waren.
Die realen Leitzinsen liegen in den USA unterhalb von einem Prozent beziehungsweise im Euroraum in negativem Territorium (-1 Prozent). In der Vergangenheit dagegen betrugen die realen US-Zinsen am Ende des Straffungszyklus der Notenbank deutlich mehr als zwei Prozent.
Sofern man nicht der Ansicht ist, dass der neutrale Realzins (das heißt das Zinsniveau, das das Wirtschaftswachstum weder verlangsamt noch beschleunigt) sogar noch unterhalb der derzeitigen realen Leitzinsen in den entwickelten Volkswirtschaften liegt, sollte der Nettoeffekt der derzeit niedrigen realen Leitzinsen in einer Verlängerung der wirtschaftlichen Wachstumsphase bestehen, nicht in einer Verkürzung.