Jahrelang wurde die Regulierung der Banken in den Vereinigten Staaten und in Europa immer intensiver. Mit der Trump-Wahl und dem Brexit werden die Kreditinstitute in der EU aber jetzt strukturell benachteiligt. Der Rademacher-Kommentar
Nach der Lehman-Krise in den Jahren 2008 und 2009 war die weltweite Verärgerung über die führenden Finanzinstitute groß – und das auf beiden Seiten des Atlantiks. Entsprechend herrschte hüben wie drüben Einigkeit, dass die Aufsicht über die Kapitalmärkte und Bankhäuser deutlich strenger werden müsse. Mit dem Brexit und insbesondere nach der Wahl von Donald Trump scheint dieser Konsens aber nun endgültig beendet zu sein. Großbritannien und die USA entfernen sich derzeit in rasender Geschwindigkeit von dieser Grundhaltung.
Politik benachteiligt Finanzstandort Frankfurt
In Europa werden immer noch schärfere Regulierungen umgesetzt und gleichzeitig an der Einführung der Finanztransaktionssteuer gearbeitet. Zudem wird in Deutschland seitens der CDU aber insbesondere von der SPD, der Linkspartei und den Grünen über eine massiv höhere Besteuerung von Kapitalerträgen diskutiert. In den USA und Großbritannien werden hingegen die Schranken gelockert, was dazu führt, dass die Schere zwischen diesen Regionen sich immer weiter öffnet.
Bereits jetzt hinken Frankfurt und Paris hinter den Finanzzentren in London und New York massiv hinterher. Die Mainmetropole ist im Vergleich zur Londoner City fast schon provinziell. Jetzt droht die europäische aber auch die heimische Politik die Schranken noch zu vergrößern. Im vergangenen Sommer wurde noch über einen Boom in Frankfurt dank des Brexits diskutiert. Blitzschnell zogen einige Immobilienpreise an. Allerdings dürfte die tatsächliche Zahl neuer Jobs die einstigen Expertenschätzungen enttäuschen. Da zudem die großen Institute im Rhein-Main-Gebiet viele Stellen streichen, ist der Effekt in Summe fast zu vernachlässigen. Hingegen haben sich Konkurrenten wie der Standort Dublin sehr gut positioniert und drohen Deutschland den Rang abzulaufen. Insgesamt scheint Irland durch eine attraktive Steuerpolitik viele neue Player anzulocken. In anderen Branchen gilt die Politik der grünen Insel ebenfalls als äußerst wirtschaftsfreundlich.
Deutsche Institute abgestraft
An den Kapitalmärkten haben die Akteure die unterschiedliche Entwicklung in der EU und den USA bereits bei ihren Investitionsentscheidungen berücksichtigt. Während Aktien deutscher Banken zeitweise unter Abgabedruck gerieten, blieb die Stimmung an der Wall Street für die US-Institute gut. Sollte diese Tendenz anhalten, dürfte dies dem gesamten europäischen Bankensektor belasten, der in vielen Ländern bereits jetzt massiv unter Druck steht. So sind die Probleme in Italien bereits jetzt nicht einmal ansatzweise gelöst.
Es besteht deshalb großer politischer Handlungsbedarf seitens der europäischen Politik. Gleiches gilt auch, für die Finanzbildung der Bürger auf dem Kontinent. Allerdings scheinen die relevanten Entscheider die Notwendigkeit für entsprechende Maßnahmen noch nicht einmal erkannt zu haben. Europa droht also auch bei dieser Branche den Anschluss zu verpassen. In den Sektoren Elektronik, Software und IT-Technologie ist der Zug bereits abgefahren.
Tim Rademacher ist leitender Redakteur im Bereich Investmentfonds bei Cash. und analysiert die Geschehnisse am Kapitalmarkt direkt vom Finanzplatz Frankfurt aus.
Foto: Dirk Beichert