Björn Jesch, Global Chief Investment Officer bei der DWS: „Stand Mittwochmorgen gehen wir davon aus, dass Donald Trump mit hoher Wahrscheinlichkeit der nächste Präsident wird, und dass der Senat in die Hände der Republikaner fällt. Haben die Märkte damit alle Informationen, die sie brauchen? Nein, denn sollte, wovon wir derzeit noch ausgehen, das Repräsentantenhaus demokratisch bleiben, dann dürften insbesondere die Steuerkürzungspläne von Trump deutlich moderater ausfallen.
Wir sind sehr vorsichtig damit, die unmittelbare Marktreaktion vorher zu sagen. Auch wenn das grundlegende Sentiment ist, dass die Märkte Trumps Wirtschaftspolitik den Vorzug geben würden, gibt es eine Handvoll Gründe, diese Wahl nicht als Anlass einer vermeintlichen Jahresendrally zu deuten:
1. Trump kommt, anders als vor acht Jahren, diesmal nicht überraschend für die meisten Anleger.
2. Die Märkte haben daher über die vergangenen Monate in Summe bereits einen Sieg Trumps eingepreist, den sogenannten Trump-Trade. Wir erwarten mittelfristig sicher keine Umkehr dieses Trades, aber er begrenzt eben auch weiteres Aufwärtspotenzial für gewisse Anlageklassen.
3. So knapp wie die letzten Wahlumfragen waren, muss man davon ausgehen, dass sich, zugespitzt gesprochen, 100 Prozent der Wähler als potenzielle Sieger der Wahl gesehen haben. Mit anderen Worten: halb Amerika ist heute unzufrieden. Dazu kommt unseres Erachtens diesmal eine besonders fragile Übergangsperiode zwischen Wahl und Amtseinführung im Januar, die für Marktvolatilität sorgen könnte.
Zudem denken wir, dass die Wahl auf wirtschaftspolitischer Ebene nicht nur Antworten gibt, sondern auch Fragen aufwirft. Wird der Wahlsieger im Amt konzilianter als im Wahlkampf agieren, oder glaubt er nun das Mandat für eine rigorose Parteipolitik zu haben? Welche Zugeständnisse wird er dem Kongress machen müssen? Wie reagieren oder pro-agieren jene Staaten, denen US-Handelsrestriktionen drohen? Wird die Staatsverschuldung doch noch adressiert werden?
Auch in Bezug zu den Auswirkungen auf die Anlageklassen gilt der Vorbehalt, dass ein demokratisches Repräsentantenhaus Trumps Vorhaben deutlich abschwächen könnte.
Anleihen
Die von Donald Trump angekündigten Steuersenkungen dürften das Wachstum stärken, gleichzeitig aber die Inflationsgefahren erhöhen. Dementsprechend wird die Fed ihren Zinssenkungszyklus wohl verlangsamen müssen. An den Anleihemärkten wurde ein Trump-Sieg zwar teils schon vorweggenommen, aber wir gehen davon aus, dass die Treasury-Renditen zunächst weiter steigen werden. Das dürfte auch den Dollar stärken, insbesondere jenen Währungen gegenüber, die am meisten unter neuen Handelsbeschränkungen leiden würden, wie der mexikanische Peso. Gleiches gälte für den Chinesischen Yuan, wäre er nicht reguliert.
Für Aktien gilt, dass wir mehr Veränderung auf der Sektorebene denn auf dem Gesamtmarkt erwarten. Denn sollten die zehnjährigen Treasury-Renditen sich nachhaltig Richtung fünf Prozent bewegen, wäre das ein deutlicher Gegenwind.
Zu den sektoralen Gewinnern zählen vor allem jene Sektoren, die von potenziellen Steuerkürzungen und Deregulierung profitieren würden: (regionale) Finanzwerte, Kommunikations- und Ölunternehmen etwa. Auch wenn wir nicht damit rechnen, dass Bidens Inflation Reduction Act kippen wird, dürften Erneuerbare Energien weiter unter Druck bleiben. Vom Gesundheitssektor wiederum könnte etwas Druck genommen werden.
Europa
Auch europäische Anlagen werden von einem Sieg Trumps beeinflusst. Neben den zu erwartenden Handelsrestriktionen ist es insbesondere die Unsicherheit über ihren Eintritt und ihr Ausmaß, welche die Investitionsfreude der Unternehmenslenker senken sollte. Wir werden unsere europäischen und insbesondere die deutschen Wachstumsraten für 2025 daher leicht reduzieren. Als positiv könnte man die Hoffnung äußern, dass eine weitere Trump-Präsidentschaft den Reformwillen in Brüssel und Berlin vorantreiben könnte.
Asien
Wir denken, dass der Trump-Trade auch auf chinesischen Aktienmärkten schon zu spüren war. Auch wenn das Land eines der größten Verlierer von Trumps Wahl sein dürfte, könnte die Hoffnung auf höhere Stimulipakete Pekings für etwas Beruhigung an den dortigen Aktienmärkten sorgen.“
Björn Jesch (Foto: DWS)