Kurz nach der Wahl von Donald Trump war die Reaktion an der Wall Street überraschend positiv. Inzwischen sind auf dem Frankfurter Börsenparkett immer mehr Experten der Meinung, dass die Unsicherheiten noch nicht ausreichend in den Kursen eingepreist sind. Es wird somit unwahrscheinlicher, dass die Rekordfahrt an der Wall Street ungebremst weitergeht.
Der Rademacher-Kommentar
Ganz aus der Luft gegriffen waren die optimistischen Erwartungen keinesfalls. Marktexperten gingen von einem Konjunkturprogramm in Höhe von mehreren hundert Milliarden Dollar aus, welches tatsächlich die amerikanische Wirtschaft stimulieren könnte. Allerdings hat sich die Stimmung auch bei den großen Fondsgesellschaften in Frankfurt gewandelt. Nachdem Trump sein Regierungsprogramm mehr und mehr präzisierte, kam die Unsicherheit in die Märkte zurück.
Hausse gestoppt
An den weltweiten Handelsplätzen ist die Unsicherheit mittlerweile zu spüren. Der Dax unterbrach zuletzt seine kurzfristige Aufwärtsrallye, die seit Anfang November 2016 anhielt und schaltete in den Rückwärtsgang. Der US-Dollar gab seit dem Jahreswechsel gegenüber dem Euro spürbar nach. Dies dokumentiert, dass die Devisenhändler mittlerweile einem möglichen konjunkturellen Boom in den Vereinigten Staaten skeptischer gegenüberstehen. Auch der Goldpreis, der ein Gradmesser für die Unsicherheit an den Märkten ist, tendierte zuletzt wieder deutlich fester.
Sicherlich gehören Schwankungen zu dem Geschehen an den internationalen Kapitalmärkten dazu. Allerdings zeigen die jüngsten Kursbewegungen, dass die Unsicherheit gestiegen ist. Dies gilt insbesondere für den Freihandel, der nach den Äußerungen von Trump immer mehr in Gefahr gerät. Mittlerweile ist erkennbar, dass die Außenpolitik des designierten US-Präsidenten zu massiven handelspolitischen Komplikationen führen kann. Die Äußerungen von Trump gegenüber Mexiko, der EU aber auch China lassen erwarten, dass sich die wirtschaftspolitischen Beziehungen großflächig verschlechtern könnten.
Handelskrieg möglich
Unter einem solchen Klimawandel könnten nicht nur deutsche Autobauer wie BMW, Volkswagen oder Daimler leiden, auch andere Exportbranchen geraten zunehmend in Gefahr. Kleine Erfolge von Trump, wie der Aufbau von einigen tausend Arbeitsplätzen bei bestimmten US-Firmen wie Ford, fallen da überhaupt nicht ins Gewicht. Noch warten die Regierungschefs der anderen wichtigen Staaten mit klaren Statements die Amtseinführung von Donald Trump ab. Aber danach könnte der Rest des Winters aus politischer Sicht sehr kalt werden.
Mittlerweile sind auch auf dem Frankfurter Börsenparkett immer mehr Experten der Meinung, dass diese Unsicherheiten noch nicht ausreichend in den Kursen eingepreist sind. Vielmehr besteht zunehmend negatives Überraschungspotenzial, welches verstärkt zur Realität wird. Hinsichtlich der schuldenbasierten Konjunkturspritze gibt es von den Fachleuten auch immer mehr Fragen zur Finanzierung. Da die Zinsen in den USA steigen dürften, sollte sich die Refinanzierung der Staatsschulden wieder verteuern.
Unsicherheit bei Anlegern steigt
Da Unsicherheit für die Börsen Gift ist, wird es zunehmend unwahrscheinlicher, dass die Rekordfahrt an der Wall Street ungebremst weitergeht. Vielmehr sollte die Risikoaversion steigen, was Aktien zunehmend unter Druck setzt. Die Auswirkungen für den Dax sind in diesem Szenario keinesfalls zu vernachlässigen. Es gilt immer noch die Börsenweisheit: “Wenn die Wall Street hustet, bekommt der Dax eine Grippe.“
Tim Rademacher ist leitender Redakteur im Bereich Investmentfonds bei Cash. und analysiert die Geschehnisse am Kapitalmarkt direkt vom Finanzplatz Frankfurt aus.
Foto: Dirk Beichert