Nach einer jahrelangen Talfahrt hatten überraschend viele Versicherer im
vergangenen Jahr die Wende eingeleitet und ihre Überschussbeteiligung
erhöht. Dieser Trend setzt sich nun fast marktweit fort. In diesem Jahr hat
erneut keine Versicherungsgesellschaft ihre Überschussdeklaration gesenkt.
37 Versicherer haben zum Jahreswechsel ihre Überschussbeteiligung
angehoben. Das sind 17 Gesellschaften mehr als im vergangenen Jahr. 13
Versicherer halten die Beteiligung an ihren Überschüssen konstant.
42 Versicherer liegen inzwischen bei mindestens zwei Prozent Verzinsung. In
diesem Jahr bieten nur noch acht Gesellschaften ihren Kunden eine
Überschussbeteiligung von unter zwei Prozent. Im vergangenen Jahr waren es
noch 21 Versicherer. 13 Versicherer halten ihre Deklaration konstant und
erhöhen nicht. Das waren 2023 noch 33 Gesellschaften.
„Der Trend, die Überschüsse zu erhöhen, setzt sich marktweit fort und führt
dazu, dass inzwischen ein Großteil der Gesellschaften ihren Kunden eine
Verzinsung von mindestens zwei Prozent bieten“, fasst Thorsten Saal,
Bereichsleiter Mathematik und Rating, die verbraucherfreundliche
Entwicklung zusammen.
Im Mittel liegen die laufenden Verzinsungen der 50 Gesellschaften 2024 bei
2,4 Prozent, im Vorjahr waren es 2,1 Prozent. Die höchste Beteiligung an den
Überschüssen bietet ein Versicherer mit 3,25 Prozent. Im Vorjahr lag das
Maximum bei 3 Prozent. Die geringste Verzinsung beträgt 1,6 Prozent. Im
Vorjahr waren es 1,25 Prozent.
Von den analysierten 50 Gesellschaften haben 37 Gesellschaften ihre
Überschüsse von 2023 auf 2024 im Durchschnitt um 0,4 Prozentpunkte erhöht.
2023 waren es 0,3 Prozentpunkte. Die höchste Steigerung liegt bei einem
Prozentpunkt und ist damit höher als im Vorjahr (0,85 Prozentpunkte). Mit 0,1
Prozentpunkten liegt die niedrigste Erhöhung unter dem Wert von 2023 (0,15
Prozentpunkten). „Für einzelne Tarife gibt es abweichende Deklarationen –
vor allem bei den neueren Tarifen, wie Indexpolicen und neue Klassik. Hier
erkennen wir höhere Beteiligungen“, sagt Saal.
Überschusserhöhungen im Kontext
In diesem Jahr ist die Zinssituation am Markt erstmalig wieder so, dass die
Versicherer keine Aufwände für die Zinszusatzreserve stemmen müssen. Dies
liegt daran, dass der Referenzzins konstant bleibt und nicht wie in den
Vorjahren weiter sinkt.
Der Zinsanstieg hat in vielen Bereichen Auswirkung auf die Situation der
Lebensversicherer. Der große Hebel, der bei den meisten Gesellschaften
kurzfristig Mittel für Überschusserhöhungen freigesetzt hat, sind die nicht
mehr notwendigen Aufwände für die Zinszusatzreserve, die die Versicherer
bilden mussten, um die teilweise hohen Garantiezinsen in den Beständen
abzusichern. Im Gegenzug wurden sogar Mittel frei: Statt die Zinszusatzreserve
weiter auszubauen, wurde die Zinszusatzreserve in diesem Jahr bei fast allen
Versicherern abgeschmolzen.
Wie die Zinszusatzreserve auf den durchschnittlichen Rechnungszins in den
Beständen der Versicherer wirkt, verdeutlicht die Grafik „Rechnungszins im
Bestand“. Sie zeigt die Werte des Bestandsrechnungszinses vor und nach der
Zinszusatzreserve (ZZR) im Zeitablauf – also wie er ohne Zinszusatzreserve
aussehen würde und wie er sich durch die Zinszusatzreserve verändert hat.
Anhand der Linie des Bestandsrechnungszinses vor ZZR ist zu erkennen, dass
die Bestandsrechnungszinsen im Laufe der Jahre sinken, allein durch den
Effekt, dass die Altverträge mit den hohen Rechnungszinsen auslaufen. Je
nachdem, wie viele Altverträge ein Versicherer hat, wie lange diese laufen und
wie viel niedrig verzinstes Neugeschäft ein Versicherer schreibt, geschieht dies
unterschiedlich schnell. In den letzten Jahren hätten die
Bestandsrechnungszinsen von den meisten Versicherern ohne die
Zinszusatzreserve deutlich über dem Referenzzins gelegen, der wiederum die
Zinsentwicklung am Kapitalmarkt der letzten 10 Jahre widerspiegelt. Dies
verdeutlicht die Notwendigkeit der Zinszusatzreserve.
Der Wert der Bestandsrechnungszinsen nach ZZR zeigt, wie die
Bestandsrechnungszinsen sinken, wenn man den Effekt der Zinszusatzreserve
zusätzlich betrachtet. Die ZZR drückt die Bestandsrechnungszinsen unter den
Referenzzins. Hierfür waren in den vergangenen Jahren große Aufwendungen
seitens der Versicherer notwendig.
In diesem Jahr ist der Referenzzins aufgrund der steigenden Zinsen am
Kapitalmarkt erstmals nicht weiter gesunken, sondern konstant geblieben. Die
Geschäftsberichte der Versicherer für das Jahr 2022 zeigen, dass ihre
Zinszusatzreserve nicht weiter aufgebaut wurde. Sie konnte sogar bei fast allen
Versicherern verringert werden, da der Effekt durch die wegfallenden
Altverträge sich weiter fortsetzt.
„Mittel von über drei Milliarden wurden 2022 branchenweit aus der
Zinszusatzreserve frei. Im Vorjahr wurden noch rund 8,5 Milliarden zugeführt“,
hält Saal diesen enormen Sprung fest und ergänzt: „Die daraus resultierenden Erträge lassen Spielraum für eine höhere Überschussbeteiligung, die den Kunden zugutekommt.“
Die Situation der Versicherer in Bilanzkennzahlen
Ein Indikator, der Aufschluss über die finanziellen Puffer eines Unternehmens
gibt, sind die Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen (RfB). Insgesamt ist
die RfB-Quote im Marktschnitt in den letzten Jahren stetig gesunken, erstmals
in 2022 ist sie wieder angestiegen, auch Dank der Entlastungen bei der
Zinszusatzreserve.
Der Zinsanstieg führte im Jahr 2022 zum Rückgang der Bewertungsreserven,
hauptsächlich sind im Saldo nur noch stille Lasten vorhanden. Grundsätzlich
ist das nicht dramatisch, diese müssen in der Regel nicht realisiert werden.
Jedoch kam es stellenweise zu Abschreibungen, dies verringerte die
Nettoverzinsung.
Dieser Rückgang der Bewertungsreserven ist zunächst nicht
besorgniserregend, da auch die Aufwände für die Zinszusatzreserve
zurückgingen und es bei den meisten Versicherern sogar bereits Rückflüsse
aus der Zinszusatzreserve gab. Eine Realisation von Bewertungsreserven zur
Finanzierung der Zinszusatzreserve war daher nicht notwendig.
Die Nettoverzinsung sank insgesamt deutlich im Vergleich zum Vorjahr.
Neben den Abschreibungen war dafür vor allem das Ausbleiben der
Realisation von Bewertungsreserven maßgeblich. Zunächst, weil kaum
Bewertungsreserven mehr vorhanden waren, aber auch, weil keine großen
Zuführungen zur Zinszusatzreserve und somit weniger Zinserträge notwendig
sind. Dies ist im Hinblick auf die Überschussbeteiligung jedoch kein
schlechtes Zeichen. Die gestiegenen Zinsen wirken sich positiv auf die
zukünftig laufenden Kapitalerträge aus und ermöglichen langfristig auch
wieder höhere Überschussbeteiligungen.
Fazit
Die gestiegenen Zinsen sind langfristig gesehen ein gutes Zeichen für die
Versicherungsnehmer. Der Kapitalmarkt bietet nun bessere Möglichkeiten für
die Neu- und Wiederanlage und somit für eine höhere laufende Verzinsung
der Kapitalanlagen. Gleichzeitig verringert sich die Garantiebelastung der
Versicherer, vor allem durch die nicht mehr notwendigen Zuführungen zur
Zinszusatzreserve. Das Abschmelzen der Zinszusatzreserve bringt Erträge mit
sich. All dies lässt mehr Spielraum für eine langfristig höhere
Überschussbeteiligung, wie sich bereits Anfang 2023 gezeigt hat und sich 2024
verdeutlicht.
Im kommenden Jahr wird sich der Trend eventuell auch bei den
Garantiezinsen fortsetzen. Die Deutsche Aktuarvereinigung sowie die
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht haben für 2025 die Anhebung
des Höchstrechnungszinses auf 1 Prozent empfohlen. Sofern das
Bundesfinanzministerium dem folgt, werden auch wieder höhere Garantien
am Markt zu finden sein.
Ob die Versicherer die Überschussbeteiligungen und im Neugeschäft
gegebenenfalls die Rechnungszinsen anheben, hängt von vielen individuellen
Faktoren ab. Die Garantiebelastung des Bestandes und die Struktur der
Kapitalanlage sind bei jedem Versicherer unterschiedlich, zusätzlich spielt die
Geschäftspolitik eine große Rolle. „Die Deklaration ist eine äußerst
individuelle Entscheidung. Wir sehen aktuell einen stabilen Markt, der die
Versicherten an dem Aufwärtstrend partizipieren lässt und attraktive
Angebote generiert“, zieht Saal das Fazit.