Ukraine-Konflikt: Perspektiven für die Märkte

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Die Märkte sind aufgrund des Ukraine-Konflikts hochgradig verunsichert. Prof. Dr. Jan Viebig, Chief Investment Officer der Oddo BHF AG, kommentiert, wie sich die drohende Kriegsgefahr auf die Märkte auswirkt.

„Lage ist alles.“ Was bei Immobilien gilt, gilt auch in der Geopolitik. Aufgrund von 2.295 Kilometern gemeinsamer Grenze ist die Ukraine für Russland von zentraler strategischer Bedeutung. Durch einen NATO-Beitritt der Ukraine – der aktuell gar nicht auf der Agenda des westlichen Verteidigungsbündnisses steht, wohl aber von der Ukraine angestrebt wird – verlöre Russland einen wichtigen Pufferstaat an den geopolitischen Gegenspieler, die USA. Aus russischer Sicht muss eine weitere Beschneidung seiner traditionellen Einflusssphäre unbedingt verhindert werden. Der jüngste russische Truppenaufmarsch, die Diskussion möglicher Sanktionen des Westens sowie der Abzug von Botschaftspersonal ist vor dem Hintergrund dieses neuen Ost-West-Konflikts zu sehen. Dieser verursacht zwangsläufig Kollateralschäden. Getroffen werden vor allem die ukrainische Souveränität, die europäischen Gasspeicher und russische Aktien.

Seit Jahresbeginn hat der MOEX Russia Index mit 14% am meisten verloren. Der S&P 500 gab um 9% nach, der DAX nur um knapp 5% (Stand: 25.01.2022). Bei dem Vergleich sollte allerdings berücksichtigt werden, dass die Korrektur an den Aktienmärkten in diesem Jahr primär auf die restriktivere Geldpolitik in den USA und nicht auf die geopolitischen Spannungen zurückzuführen ist.

Bei der Analyse geopolitischer Konflikte macht es Sinn, in Szenarien zu denken. Die Hoffnung bleibt, dass ein Krieg abgewendet wird. Ein Szenario ist, dass Putin weiter die Ukraine destabilisiert und versucht, ein ihm genehmes Regime in der Ukraine zu installieren. Die Wahrscheinlichkeit eines begrenzten regionalen Konflikts in der Ostukraine nimmt mit dem Aufmarsch der Truppen an der Grenze zu. Sanktionen könnten zu einer weitreichenden Unterbrechung der Energielieferungen führen, auf die Europa im hohen Maße angewiesen ist.

Dies würde zu einem Anstieg der Energiepreise insbesondere für Erdgas führen angesichts der gering gefüllten Erdgaslager in Europa und möglicherweise zu Störungen der Energieversorgung. Eine solche Entwicklung hätte vermutlich signifikante Auswirkungen auf die wirtschaftliche Aktivität. Die Schäden für die russische Seite wären ebenfalls beträchtlich, der russische Aktienmarkt würde dramatisch einbrechen. Man kann derzeit leider nicht mehr ausschließen, dass Europa – wie in Christopher Clarks Buch „Die Schlafwandler“ beschrieben – abermals nachtwandlerisch in einen militärischen Konflikt schlittert angesichts des Aufmarsches an Militär, einer zunehmend aggressiveren Rhetorik und eines komplexen, intransparenten Konflikts. Die ökonomischen Konsequenzen wären groß. Bis zur Lösung dieses Konflikts bleibt die Spannung an den Märkten und damit die Volatilität hoch.

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