„Die Wachstumssorgen haben sich zuletzt weiter verstärkt. Das gilt insbesondere für Europa, wo sich die Unternehmen in Umfragen pessimistischer zeigen als erwartet. Zusätzlich belasten Unsicherheiten bezüglich der Gasversorgung aus Russland die Stimmung: Der Pipelinedurchsatz von russischem Gas liegt derzeit bei etwa 40 Prozent der Kapazität. Die Aussage des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der Westen dürfe nicht versuchen, ‚Russland zu demütigen‘, scheint Moskau zu einem selbstbewussteren Auftreten ermutigt zu haben, um die Solidarität unter den Verbündeten der Ukraine zu brechen.
Jüngst hat die Europäische Union beschlossen, den Transit sanktionierter Waren in die russische Enklave Kaliningrad zu blockieren. Das führt zu weiteren Spannungen. In Moskau hofft man nun offenbar auch darauf, dass eine weltweite Hungersnot die westlichen Staats- und Regierungschefs dazu veranlasst, die Sanktionen im Gegenzug für eine Wiederaufnahme der Lebensmittelexporte aufzuheben.
Es wird jetzt interessant sein zu sehen, ob Russland mit seiner Einschätzung Recht hat und die Solidarität im Westen gebrochen werden kann – oder ob Europa angesichts der Aggression eines kriegerischen Tyrannen standhaft bleiben wird.
Das Rezessionsrisiko in der Eurozone ist wesentlich höher als in den USA, das Inflationsrisiko ebenfalls. Wir gehen davon aus, dass die Teuerung in den Vereinigten Staaten in den kommenden Monaten zu sinken beginnt. In der Eurozone hingegen dürfte der Verbraucherpreisindex nicht vor September fallen.
Wir sind der Meinung, dass die Europäische Zentralbank (EZB) bis Ende 2023 weniger Zinserhöhungen vornehmen wird, als die Futures-Märkte erwarten. Die Renditen dürften jedoch erst entscheidend sinken, wenn die Marktteilnehmer weitere Hinweise darauf erhalten, dass die Inflation ihren Höhepunkt erreicht hat und sich auf dem Weg zurück in Richtung Zielwert befindet.
Derweil gab es einen ziemlichen Hype um das Anti-Fragmentierungsinstrument zur Begrenzung der Staatsanleihe-Spreads, das die EZB auf ihrer Juli-Sitzung ankündigen möchte. Papiere der Peripherieländer haben sich im Zuge dessen erholt. Die Marktteilnehmer befürchten, dass die Bekanntgabe der EZB am Ende zu wenig Details enthält. Sollte dies der Fall sein, könnte es sein, dass die Märkte die Gerüchte kaufen – nach der Ankündigung aber die Fakten verkaufen.
Wir haben den Eindruck, dass die EZB hofft, die von ihr angekündigten Instrumente müssen in der Praxis nie zum Einsatz kommen. Vielmehr soll die Drohung damit ausreichen, um die Märkte zu beruhigen. Vor diesem Hintergrund wird das Instrument unserer Meinung nach eher darauf abzielen, eine wesentliche Ausweitung gegenüber dem derzeitigen Niveau einzudämmen, als explizit auf eine Verengung der Spreads hinzuwirken.“