Russland und Ukraine sind für die allgemeine Entwicklung der Weltwirtschaft eher unbedeutend. Sie spielen jedoch eine große Rolle als Energie- und Getreidelieferant. Es ist davon auszugehen, dass entweder durch politischen Willen Russlands (Erpressung), durch regionale Zerstörung oder auch schlichtweg durch Sanktionen des Westens diese Lieferungen dramatisch zurückgehen werden und damit die entsprechenden Marktpreise steigen.
In einem ohnehin inflationären Umfeld kämen weitere Preisanstiege zur Unzeit. Insbesondere steigende Energie- und Getreidepreise sind emotional und bergen sozialen und damit politischen Sprengstoff. Bereits jüngste Anstiege infolge pandemiebedingter Lieferkettenstörungen und der Klimapolitik haben teilweise ihren Weg an geschockte Endverbraucher gefunden, andere werden noch durch die Unternehmen abgefedert. In jedem Fall sind Konsum- und Gewinnrückgänge die weitere Folge mit entsprechenden negativen Wirkungen auf das Wirtschaftswachstum. Zurecht darf man daher die jüngsten Ereignisse in ihren Auswirkungen als „stagflationär“ bezeichnen – steigende Preise bei sinkender wirtschaftlicher Aktivität. Die 70er Jahre sind ein Beispiel, in denen Aktienmärkte über Jahre wie ein Flummi hin- und hergesprungen sind – aber kein zwingendes Szenario.
Jenseits der militärischen Eskalation hängen die wirtschaftlichen Auswirkungen in Ausmaß und Dauer jetzt vor allem vom Willen und der Geschlossenheit des Westens und natürlich auch von der chinesischen Reaktion ab. Geht China auch den irrationalen russischen Weg und stellt sich an Putins Seite? Oder bleibt der nach Wirtschaftsleistung gemessen zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt ein tragbares Verhältnis zum Westen mit seinen vielen zahlungskräftigen Konsumenten und High-Tech-Unternehmen wichtiger? Wir hoffen letzteres…
Eine echte Geschlossenheit des Westens hingegen würde sogar neue Zukunftsperspektiven eröffnen, zumal Putin damit nicht zu rechnen scheint. Russland droht dank der Monostruktur seiner Wirtschaft der ökonomische Selbstmord, wenn niemand sein Öl und Gas kauft. Ein völliger Importverzicht russischen Öls und Gas würde natürlich Deutschland dank seiner verfehlten Energiepolitik besonders hart treffen. Aber selbst eine Verdoppelung der Marktpreise könnte leicht abzufedern sein, wenn die Politik endlich ihre Eingriffe in die Märkte reduziert. So betragen die staatlichen Anteile für Steuern, CO2 und sonstige Abgaben in Deutschland jeweils etwa 50 % der Gas-, Strom- und Benzinpreise. Ein Verzicht auf diese staatlichen Anteile wäre mal ein positives Signal. Natürlich würden dann dem Staat Einnahmen fehlen, der über Schulden zu finanzieren wäre. Aber analog jüngster Krisen wie 2008/2009, der Eurokrise oder der Pandemie nur eine weitere, um auch gesellschaftlich steigende Schulden rechtfertigen zu können.
Bleibt also die Zinsfrage – eigentlich müssten diese angesichts der Inflation weiter steigen – der erneute Krisenmodus könnte aber dazu führen, dass die befürchteten Anstiege im Ausmaß schwächer ausfallen. Ein Szenario, das die internationalen Anleihemärkte schon länger einpreisen. Die aktuell gemessenen hohen Inflationsraten könnten durchaus noch weiter anziehen, bevor Basiseffekte und auch eine wirtschaftliche Abschwächung zu einer Gegenbewegung führen – dennoch erscheinen niedrige Inflationsraten <2 % mittelfristig eher unwahrscheinlich, sodass Zinsengagements nach Abzug der Inflation weiterhin vermögensvernichtend bleiben. Realwerte wie Aktien, Immobilien, Infrastruktur aber auch Rohstoffe bleiben auch im stagflationären Umwelt im Fokus.
Unsere Portfolien weisen keinen direkten Bezug zu Russland oder der Ukraine auf. Auch der Bezug unserer investierten Unternehmen ist überschaubar, von Energie und Getreide abgesehen. Insofern erscheint es uns falsch, in dieser aktuellen Krise unsere Aktienpositionen zu reduzieren, da diese unverändert vom Weltwirtschaftswachstum überproportional profitieren sollten und auch im Rezessionsfalle über defensive Qualitäten verfügen.
Jenseits der Aktien haben sich die Szenarien nicht verändert und Gold kann mal wieder sein Potenzial als Krisenversicherung ausspielen.
Es ist aber zu erwarten, dass die täglichen Wertschwankungen weiter überdurchschnittlich hoch bleiben.