Umfrage: Deutschland tritt beim Thema Finanzwissen auf der Stelle

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Foto: Union Investment / Nils Hendrik Mueller
Giovanni Gay, Vorstand Union Investment: „Die Beurteilung zeigt, dass die bestehenden Maßnahmen in den Schulen noch keine durchschlagende Wirkung zeigen."

Das Finanzwissen in der Bevölkerung bleibt auf mäßigem Niveau und ist im Vergleich zu 2017 nach Einschätzung von Experten sogar noch einmal gesunken. Union Investment hat dazu Fachleute und Betroffene befragen lassen. Was Union-Vorstand Giovanni Gay zu den Ergebnissen sagt.


In der von Union Investment beauftragten repräsentativen Befragung vergeben die 261 Fachleute aus Schule, Politik und Finanzbranche durchschnittlich nur die Schulnote 4 für das Finanzwissen hierzulande. Damit hat sich ihre Bewertung im Vergleich zur letzten Befragung im Jahr 2017 sogar noch verschlechtert (3,8).

Insgesamt zeigen die Zahlen, dass die Befragten das Thema Finanzbildung für essentiell halten, so Union Investment. Zwei Drittel der Experten sehen die Kenntnisse in diesem Bereich als noch wichtiger an als das Wissen über Bereiche wie Gesundheit, Politik, Nachhaltigkeit und Ernährung. Die Experten rechnen damit, dass es künftig noch einmal stark an Bedeutung gewinnen wird. Gut zwei Drittel (69 Prozent) sind der Meinung, dass Finanzbildung in zehn Jahren äußerst wichtig beziehungsweise wichtig sein wird (2017: 61 Prozent).


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Als Hindernisse bei der Wissensvermittlung nennen die befragten Experten noch vor allgemeinem Desinteresse Schule und Elternhaus (siehe Grafik 1). Dabei rückt die Schule noch deutlicher ins Blickfeld als 2017: Zwei Drittel (67 Prozent) nennen die zu geringe Behandlung des Themas im Unterricht als Grund für das mangelhafte Finanzwissen (2017: 52 Prozent). Mit Abstand folgt das Elternhaus (56 Prozent, 2017: 50 Prozent). Auch der Eindruck, dass kein Interesse am Thema besteht, hat zugenommen (54 Prozent, 2017: 47 Prozent).

Die Experten geben den Schulen im Schnitt die Note 4,7 für die Vermittlung von Finanzwissen und damit eine deutlich schlechtere Note als 2017 (4,1). Die Performance der Eltern bleibt nach ihrer Meinung unverändert bei einer 3,7. „Die Beurteilung zeigt, dass die bestehenden Maßnahmen in den Schulen noch keine durchschlagende Wirkung zeigen. Hier bedarf es offensichtlich noch größerer Anstrengungen“, so Giovanni Gay, Vorstandsmitglied von Union Investment.

Experten sehen Schulen stärker in der Pflicht

Dabei sehen Experten gerade die Schulen in der Pflicht, sich des Themas stärker anzunehmen. Wurden vor sieben Jahren von ihnen die Eltern (71 Prozent) und Schulen (69 Prozent) nahezu gleichauf in der Verantwortung gesehen, votieren inzwischen 79 Prozent der Experten dafür, dass die Vermittlung von Finanzwissen eine Aufgabe der Schulen ist. Die Rolle der Eltern fällt mit 63 Prozent hingegen niedriger aus. „Die Expertenmeinung zeigt, dass wir in Deutschland beim Thema Finanzwissen auf der Stelle treten und wie groß hier der Handlungsbedarf ist“, resümiert Gay.

Neben den Experten aus Schule, Politik und Finanzbranche wurden im Rahmen der Umfrage auch über 1.000 Menschen zwischen 14 und 85 Jahren zu ihrem Finanzwissen befragt. Diese Gruppe der Befragten schätzt ihr Finanzwissen deutlich besser ein als die Experten und gibt sich selbst im Durchschnitt die Note 2,7 (2017: 2,5).

Herausforderungen im Bereich Altersvorsorge

Ihre größten Herausforderungen sehen die meisten vor allem im Bereich Altersvorsorge. 65 Prozent der repräsentativen Gruppe an Befragten hätte vor allem in diesem Bereich gerne bessere Kenntnisse (siehe Grafik 2). An zweiter Stelle steht das Verständnis zum Umgang mit Schulden. Gut vier von zehn (42 Prozent) möchten besser über Schulden Bescheid wissen. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Geldanlage mit Aktien oder Fonds. 40 Prozent wünschen sich, hierüber besser informiert zu sein.

„Gerade der Wissensbedarf zum Thema Altersvorsorge zeigt, dass den Menschen bewusst ist, welche Bedeutung es für ihre Zukunft hat“, meint Gay. Insgesamt scheinen die Umfrageteilnehmer sehr klar zu wissen, wo Defizite bestehen, so Union Investment. Nur sieben Prozent sagen, dass sie sich in keinem der genannten Bereiche eine bessere Finanzbildung wünschen.

Soziale Netzwerke fallen kaum ins Gewicht

Obwohl immer mehr Informationen rund um Geld und Finanzen online zu finden sind, spielt der persönliche Austausch immer noch eine bedeutende Rolle. Wenn es darum geht, konkrete Finanzentscheidungen zu treffen, wird vor allem die Familie gefragt. 39 Prozent aller Befragten suchen zunächst im engsten Verwandtenkreis Unterstützung (siehe Grafik 3). Bei 36 Prozent unterstützt der Lebenspartner oder die Lebenspartnerin.

Auf Rang drei der wichtigsten Quellen rangieren Online-Medien (31 Prozent), die in ihrer Bedeutung im Vergleich zu 2017 gestiegen sind (21 Prozent). Sie rangieren damit inzwischen vor Finanzberatern (27 Prozent, deren Wichtigkeit indes weitgehend stabil geblieben ist (2017: 30 Prozent).

Soziale Netzwerke fallen mit acht Prozent immer noch kaum ins Gewicht, auch wenn diese Zahl im Vergleich zu 2017 gewachsen ist (2017: 1 Prozent). Weiteres Ergebnis: Zwölf Prozent der Befragten treffen ihre Entscheidungen im Alleingang (2017: 15 Prozent).

Wirtschaft als Wissensquelle weniger gefragt

Was ist also aus Sicht der Befragten konkret zu tun, um die Wissenslücken zu schließen? Bei der Beantwortung dieser Frage bleibt die Schule im Fokus. Mehr als die Hälfte der Befragten (56 Prozent) hält die Wissensvermittlung in der Schule bereits in unteren Jahrgängen für einen Lösungsansatz (2017: 73 Prozent). Für 46 Prozent wäre ein eigenes Schulfach ideal (2017: 61 Prozent).

Allerdings könnte sich auch die Wirtschaft mehr einbringen, wobei der Wunsch danach gegenüber dem Stand vor sieben Jahren deutlich zurückgegangen ist. Nur noch 39 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass Weiterbildungsmaßnahmen in Unternehmen das Finanzwissen verbessern könnten. 2017 gab es für diese Idee unter allen Lösungsvorschlägen sogar die größte Zustimmung (83 Prozent). „Dieser Ansatz hatte bereits vor sieben Jahren etwas überrascht, könnte aber ein zusätzlicher Baustein sein, Finanzbildung in die Breite zu tragen“, sagt Gay.

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