Was waren die bemerkenswertesten Weiterentwicklungen zwischen dem 1. und dem 2. Nachhaltigkeitsbericht?
Beitz: Ich würde es folgendermaßen zusammenfassen: Das Thema Nachhaltigkeit ist für uns als Versicherer selbstverständlich geworden. Damit meine ich, dass ESG und die damit verbundenen Kriterien und Anforderungen für uns Alltagsgeschäft sind. Dazu gehört auch die Frage, wie wir uns als Versicherer auf Mitarbeiterseite ausrichten.
Zum Beispiel das Thema Homeoffice, das betriebliche Gesundheitsmanagement oder die Anschaffung von Dienstwagen – das werden in Zukunft Elektroautos sein – und die Frage, wie verändern wir die Mobilität der Mitarbeiter, damit diese künftig den ÖPNV oder das Elektrorad nutzen.
Es gibt viele Themen, die wir aufgreifen. Es ist schön, dass wir hierfür auch Anerkennung erhalten. Beim Financeforum in Liechtenstein Anfang September werden wir mit den Banken, der Fondswirtschaft und der Politik über das Thema sprechen. Diese Aufmerksamkeit haben wir dem konsequenten Weg zu verdanken. Das macht uns ein stückweit stolz.
Schulz: Für die Kapitalanlage war es ein wesentlicher Schritt, dass wir das gesamte Thema ESG in das Haus hineingeholt und in der Geschäftsleitung verankert haben. Wir analysieren die ESG-Investments mittlerweile im Haus und greifen nicht mehr auf einen Dienstleister zurück. Hinzu kommt, dass wir unsere Ausschlusskriterien nicht nur für Neuanlagen anwenden, sondern auch für den Bestand.
Dafür haben wir Umschichtungen vorgenommen, an den sich andere nicht heranwagen. Das ist durchaus ein Thema im Markt. Hinzu kommt, dass wir für unser Hauptgeschäft, die fondsgebundene Lebensversicherung, die Anzahl der Nachhaltigkeitsfonds wesentlich gesteigert haben. Von elf Fonds Ende 2019 auf aktuell 52.
Zudem haben wir einen Prozess im Investmentmanagement implementiert, der uns dabei unterstützt, das Angebot an ESG-Fonds kontinuierlich zu erweitern. Ich gehe davon aus, dass wir bis zum Jahresende das Angebot nochmals aufstocken werden. Aber es muss unseren strengen Kriterien genügen. Wenn die Ratings oder die fünf-Jahres-Performance passen, prüfen wir, einen solchen Fonds in unsere Palette aufzunehmen.
„Wir sind seit einigen Jahren nachhaltiger unterwegs, als andere“
Wie herausfordernd ist es, die Kapitalanlage eines Versicherers umzustellen?
Schulz: Wir verfolgen hier eine Zwei-Schritt-Strategie. Erst richten wir die Neuinvestments neu aus. Und dann folgt der Bestand. Das haben wir in den vergangenen zwölf Monaten realisiert. Letztlich waren es aber weniger Veränderungen, als man glaubt.
Das hängt aber auch damit zusammen, dass das Unternehmen bereits seit einigen Jahren nachhaltiger unterwegs ist, als andere. Wobei ich glaube, dass wir dort das Ende der Fahnenstange noch längst nicht erreicht haben. Wir können uns beim ESG-Score weiter verbessern. Aber wir sind ein kleiner Versicherer mit dem Fokus auf der fondsgebundenen Altersvorsorge.
Daher müssen wir auf die Mischung und Streuung achten. Und wir investieren in Größenordnungen, die zu uns passen. Da haben wir sicherlich auch noch Entwicklungsfelder. Im Markvergleich sind wir da aber weiter als andere Gesellschaften.
Bei der Neuanlage sprechen wir über Staatsanleihen, über Unternehmensanleihen, Immobilien, Private Debt. Wo sind Sie nachhaltig? Wo sehen sich Raum für Entwicklung
Schulz: Im private Debt-Bereich, dem kleinsten Segment, sind wir im Moment noch nicht nachhaltig. Im Bereich der Green-Bonds halten wir zwei Staatanleihen, sowie eine Unternehmensanleihe. Ansonsten versuchen wir unsere Strategie über Anlagevehikel umzusetzen.
So kaufen wir beispielsweise ESG-optimierte ETFs und erzielen damit ein ausreichende Mischung und Streuung. Zudem haben wir bei der Emittentenauswahl darauf geachtet, dass wir einen Best-of-class-Ansatz nutzen und Unternehmen wählen, die einen hohen ESG-Score besitzen. So kann man versuchen, einen guten ESG-Score weiter zu verbessern.
Wie groß ist der Hebel, den die Kapitalanlage bei der Umstellung spielt?
Schulz: Prisma Life hat Ausschlusskriterien definiert und wendet dies nicht nur für Neuanlagen an, sondern auch auf den Bestand. So gibt es Ausschlusskriterien für Staaten, die gewissen Kodizes nicht folgen. Das betrifft autoritäre Regime, Kinderarbeit, Pressefreiheit, die praktizierte Todesstrafe. Dies sind für uns KO-Kriterien.
Auf der Unternehmensseite geht es auch um die Produkte. Wir haben einen Ausschluss für geächtete Waffen, also auch Atomwaffen. Das hat beispielsweise dazu geführt, dass wir General Electric verkauft haben. Zudem haben wir auch einen Ausschluss für Unternehmen, die Biozide produzieren.
Daher haben wir auch Bayer nicht mehr im Bestand. Wir schauen, dass wir nur in Unternehmen investieren, die Arbeitnehmer- und Menschenrechte achten und gegen Zwangsarbeit und Kinderarbeit vorgehen.
„Wir haben General Electric verkauft und auch Bayer nicht mehr im Bestand“
Wer analysiert das Portfolio?
Schulz: Wir arbeiten hier mit der Software von MSCI. Wir haben in einem ersten Schritt die Ausschlusskriterien für uns definiert und angewandt. Immer wenn wir ein neues Investment in unseren Eigenanlagen und unseren Deckungsstock haben, prüfen wir, ob es die Kriterien erfüllt. Das ist Teil unseres zweistufigen Investmentprozesses.
Auf der Investmentseite schauen wir auf Risiko und Rendite. Und dann scannen wir die möglichen Investitionsvehikel auf ihre Ausschlusskriterien. Wir hatten früher mit einem Dienstleister zusammengearbeitet, der eine andere Software genutzt hat. Nach der Logik unseres bisherigen Anbieters liegen wir bei 78,8.
In Zukunft werden wir nur noch den MSCI-Nachhaltigkeitsscore reporten. Auf einer Scala von eins bis zehn erreichen wir hier 6,7. Das ist überdurchschnittlich. Wir haben auch den C02-Footprint, der mit unserem Portfolio verbunden ist, berechnen lassen. Gegenüber einem Standard-Portfolio haben wir eine Einsparung von 19.000 Tonnen CO2.
Wie erfolgreich sind die Investments?
Schulz: Was wir gesehen haben, ist, dass sich unsere Green Bonds besser entwickelt haben, als die nicht „grünen Zwillinge.“ Für uns ist das ein Erfolg. Wir sind auch für dieses Jahr weit über Plan, was unserer Kapitalerträge anbelangt.
Was heißt, weit über Plan?
Schulz: Wir haben eine erwartete Nettoverzinsung von etwa 2,4 Prozent. Dazu muss man sagen, dass wir eine konservative Kapitalanlagepolitik verfolgen und ein Zinsverpflichtung im Bereich von 1,5 Prozent haben. Prisma Life hat ein konservatives Asset-Management und legt risikoarm an.
Zudem haben wir haben derzeit keine Aktien im Portfolio, weil diese unter Solvency II sehr benachteiligt sind. Im Februar haben wir langlaufende Staatsanleihen verkauft, weil wir erwartet haben, dass sie unter der Entwicklung der Inflation leiden werden.
Das ist tatsächlich auch so eingetroffen. Dadurch haben wir Veräußerungsgewinne erzielt und den Cash-Bestand erhöht, um im Juni nachzukaufen. Da hatten wir ein gutes Händchen.
Wie weit ist der Vertrieb beim Thema? Die Vermittler sind ja letztlich der Transmissionsriemen für die Produkte. Sie müssen diese verstehen und dem Kunden auch erklären können.
Beitz: Nach meiner Einschätzung steht der Vertrieb hier noch ganz am Anfang. Das muss man offen und ehrlich sagen. Es gibt Vermittler, die das Thema gut beherrschen. Letztlich ist es aber für uns und andere Versicherer eine große Herausforderung, die Vermittler durch geeignete Instrumente konsequent zu unterstützen.
„Der Vertrieb steht hier noch ganz am Anfang“
Wir bieten den Vermittlern über Morningstar Übersichten, welche Fonds nachhaltig sind und welche nicht. Vermittler können sich damit nicht nur unter Ertrags- sondern auch unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten Fonds anschauen. Das ist für die Vermittler eine große Hilfe. Aber es steht und fällt mit der Vermittlerin oder dem Vermittler und der Ansprache an Kundin und Kunden.
Man muss ehrlicherweise sagen, dass wir im Markt derzeit nur eine gering steigende Nachfrage zu diesem Thema registrieren. Ich würde hier derzeit noch nicht von einem Nachfrageboom sprechen. Die Kunden laufen uns nicht die Türen ein, nur weil nachhaltige Fonds im Angebot gibt. Da haben wir noch viel Arbeit vor uns.
Zumal die Vermittler Gefahr laufen, in Beratungsfallen zu tappen, wenn sie hier nicht beraten.
Beitz: Für die Vermittler ist das ein Problem. Ja. Darauf weisen auch die Vermittlerverbände unisono hin. Wir ermuntern die Vermittler nachdrücklich und weisen sie darauf hin, das Thema beim Kunden anzusprechen. Zumal – das zeigt unsere Kapitalanlage – ESG-Fonds mindestens so gute Renditechancen haben, wie ein klassisches Fondsspektrum.
„Wir ermutern die Vermittler nachdrücklich, das Thema beim Kunden anzusprechen“
Das muss man in das Bewusstsein der Vermittlerinnen und Vermittler transportieren. Denn sie überzeugen letztlich den Kunden durch ihre Beratung bei der Auswahl der Assets.
Sie hatten in Ihrer Pressemitteilung geschrieben, dass der CO2-Verbrauch von 51,1 auf 35,4 Tonnen gesunken ist. Das ist sicherlich auch der Coronapandemie geschuldet sein und wird sich verändern, wenn die Mobilität wieder zunimmt.
Beitz: Die Reiseaktivitäten werden sicherlich wieder steigen. Allerdings haben wir unsere Policies verändert. Künftig wird die Bahn das präferierte Verkehrsmittel, sofern Distanzen und Zeitaufwand vertretbar sind. Allerdings haben sich in den vergangenen eineinhalb Jahren Videokonferenztools etabliert.
Das minimiert den Reiseaufwand zusätzlich, ist ökonomischer und effektiver und wird dauerhaft zu Einsparungen führen. Zudem unterstützen wir die Mitarbeiter beim Umstieg auf das Fahrrad oder die öffentlichen Verkehrsmittel.
Darüber hinaus werden wir bei unseren Dienstwagen nach Ablauf der aktuellen Leasingverträge auf E-Fahrzeuge umsatteln. Also findet auch hier eine Reduzierung statt. Und was unsere Zentrale betrifft, die haben wir dauerhaft auf Ökostrom umgestellt. (dr)
Das Gespräch führte Cash.-Redakteur Jörg Droste