„Die Sorgen scheinen niemals zu verschwinden – auch nicht in guten Zeiten. Zurzeit ist das Thema wieder hochaktuell und bezieht sich vielstimmig auf die Nachfrage: Wer kauft all die Anleihen, die zur Staatsfinanzierung notwendig sind“, sagt Thomas Grüner, Gründer und Vice Chairman von Grüner Fisher Investments. Analysen bemängelten regelmäßig vermeintlich schwache Auktionen und würden im Anschluss erleichtert aufatmen, wenn die Nachfrage höher ausfalle als befürchtet. „Unserer Meinung nach sieht die Realität anders aus“, betont Grüner.
Zum einen seien die Anleiheauktionen der USA nicht schwach. Ein praktisches Maß für die Nachfrage sei das Verhältnis zwischen der Gesamtnachfrage und der Menge der angebotenen Anleihen. Hierbei habe man bislang bei den vier Auktionen im Jahr 2024 im Durchschnitt etwa 2,5-mal mehr Nachfrage als Angebot beobachten können. „Dieser Wert liegt höher als jemals zuvor in den letzten 25 Jahren. Beispielsweise lag das Verhältnis von Nachfrage zu Angebot 2002 bei nahezu allen Auktionen unter zwei und im Jahr 2003 nur bei zwei Aktionen über dieser Marke. Haben wir alle die schreckliche US-Schuldenkrise von 2002-2003 vergessen? Oder war die Nachfrage damals in Ordnung und wird es auch jetzt sein“, fragt Grüner.
Begeben sich die USA in eine Abhängigkeit?
„Einige Experten argumentieren, das eigentliche Problem sei, dass die USA zur Finanzierung ihrer Schulden von ausländischen Regierungen und Investoren abhängig sei“, so Grüner weiter. Die Konsequenz daraus: In dem Maße, in dem ausländische Regierungen ihre Dollarreserven diversifizierten, würde der Verkauf von Schulden viel schwieriger werden. „Dies ist ein altes Argument, das jedoch nach der Verhängung von Sanktionen gegen russische Auslandsguthaben durch die USA im Jahr 2022 zurückkehrte. Der Anreiz steigt für Regierungen, ihre Reserven durch Währungsdiversifikation vor potenziellen zukünftigen Sanktionen zu schützen“, hebt Grüner hervor. Doch ausländische Bestände an US-Staatsanleihen seien seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine angestiegen und befänden sich mit einem Wert von knapp acht Billionen US-Dollar aktuell auf einem Allzeithoch.
Käufer im Fokus
Auch die Abhängigkeit von China gestalte sich differenzierter als häufig dargestellt. „Größter Gläubiger der USA ist Japan mit US-Staatsanleihen in Höhe von 1,17 Billionen US-Dollar – China hingegen sitzt auf Beständen von 775 Milliarden US-Dollar, was 2,83 Prozent der gesamten US-Nettoverschuldung entspricht. Trotz aller Schlagzeilen, die Chinas Besitz von US-Schulden verursacht, fällt er kaum ins Gewicht“, erläutert Grüner. Ausländische Investoren besäßen heute einen geringeren Anteil an den US-Schulden als in den vergangenen Jahren. „Im Jahr 2011 besaßen sie fast die Hälfte der gesamten öffentlichen Nettoverschuldung. Dieser Anteil ging 2018 allmählich auf 40 Prozent zurück und schwankte im vergangenen Jahr um 30 Prozent. Die Gesamtnachfrage nach US-Schulden hat sich hierdurch nicht verschlechtert“, meint Grüner.
Fazit
„Die Befürchtung, dass die Anleger den Appetit auf US-Schuldtitel verlieren, ist alt und unserer Meinung nach falsch. Wenn man sich die Alternativen ansieht, sind die Gründe leicht zu verstehen“, sagt Grüner. Der Bedarf an Anleihen werde weiter bestehen, ganz gleich, ob es sich um Pensionsfonds handele, die ihre Verbindlichkeiten verwalten würden, Regierungen, die Rücklagen benötigten, Banken, die stabile, renditestarke Anlagen zur Bilanzstärkung benötigten, oder Privatanleger, die die Volatilität ihres Portfolios verringern wollen würden. „Der weltweite Anleihepool ist groß, aber zersplittert und kein anderer Emittent kommt an die Qualität des US-Schatzpapiermarktes heran.“