Die Märkte sind seit fast einem Jahrzehnt von den Zentralbanken und ihrer sehr expansiven Geldpolitik getrieben. Das Gegenmittel, das zur Bewältigung einer der schlimmsten Finanzkrisen der Geschichte dienen sollte, ist für die meisten Investoren zu einer harten Droge geworden. Vor sieben Jahren versprach EZB-Präsident Draghi „alles zu tun um den Euro zu retten“.
Derzeit stellt sich die Billionen-Dollar-Frage, ob zusätzliche Maßnahmen der Zentralbanken bei der Bekämpfung rezessiver und vor allem deflationärer Kräfte erfolgreich sein werden. Nach 7 Jahren geldpolitischem Stimulus scheinen die Handelsmöglichkeiten begrenzter denn je. Dennoch reagierte der Markt auf die Zinssenkung und die zusätzlichen geldpolitischen Maßnahmen der EZB in der vergangenen Woche, als ob „die Welt nicht genug“ wäre.
Makro: Die erste negative Inflationsüberraschung überhaupt
Das Hauptproblem der Zentralbanken ist (noch?) nicht das Risiko einer Rezession, sondern ein konstantes Unterschreiten der Inflationsziele, was wiederum zu einer schädlichen Deflation führen könnte. Die Notenbanker, insbesondere der Fed, sind jedoch weiterhin zuversichtlich, dass zurzeit die Risiken einer globalen Rezession trotz der Inversion der Zinskurve gering sind.
Die mangelnde Inflation steht im Mittelpunkt: Wie ist es möglich, dass trotz unbegrenztem Geldzufluss und dem längsten Aufschwung aller Zeiten ein so geringer Preisdruck besteht? Weltweit wirken säkulare Kräfte, welche die Inflation belasten. Diese umfassen unter anderem die Demografie (die Auswirkungen des Alterns auf das Konsumverhalten), Automatisierung (Druck auf die Löhne) und Digitalisierung.
Seit der Finanzkrise fehlen auch zyklische Elemente wie der Rohstoffzyklus und Investitionen. In der Regel steigen die Rohstoffpreise nach anhaltenden Wachstumsperioden und beeinträchtigen sowohl Verbraucher als auch Unternehmen, die unter höheren Inputkosten leiden.
Zurzeit jedoch zeigt unser Inflations-Nowcaster nicht nur eine Abschwächung der Inflation an, sondern auch, dass keine einzige Inflationskomponente Anzeichen von Preissteigerungen aufweist: Löhne, Inputpreise, sowie die importierte und erwartete Inflation sind niedrig und sinken in allen Industrie- und Schwellenländern. Infolgedessen haben die Zentralbanken den Spielraum, mehr billiges Geld in das System zu pumpen, um das Wachstum zu verlängern und die Inflation wiederzubeleben.
Marktstimmung: Wenn man nach dem Mond greift, reicht die Welt nicht mehr aus
Der Erwartungen an die Zentralbanken sind seit Anfang des Jahres massiv gestiegen ebenso wie die Wahrscheinlichkeit, dass die Notenbanker die Investoren enttäuschen werden. Der Markt erwartet, dass die Zinsen in den G10-Ländern, mit Ausnahme der Nordischen Länder, im Laufe des nächsten Jahres um insgesamt 250 Basispunkte gesenkt werden. In den USA rechnen die Anleger immer noch mit drei Zinssenkungen in den nächsten zwölf Monaten.
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