Unisex-Tarife: „Von einer Überkalkulation kann keine Rede sein“

Dr. Ralf Kantak, Vorstandsvorsitzender der Süddeutschen Krankenversicherung (SDK), widerspricht im Interview mit Cash. dem Vorwurf, dass die Unisex-Tarife in der privaten Krankenversicherung (PKV) überkalkuliert seien. Zudem warnt er vor neuen kalkulatorischen Einschränkungen aus Brüssel.

„Wenn Beiträge nicht nach dem Alter zu differenzieren sind, können keine Alterungsrückstellungen aufgebaut werden.“

Cash.: 2012 nutzten viele Versicherer den „Bisex-Endspurt“, um Männern einen PKV-Abschluss zu alten Konditionen schmackhaft zu machen. Haben sich vor diesem Hintergrund die pessimistischen Erwartungen im PKV-Unisex-Neugeschäft 2013 bewahrheitet?

Kantak: Es hat mehrere Gründe, dass 2013 ein schwieriges Vertriebsjahr war. Nach Einführung der Unisex-Tarife folgte wie zu erwarten eine Flaute, die dadurch verlängert wurde, dass viele Menschen erst einmal den Ausgang der Bundestagswahl abwarten wollten, bevor sie sich für einen privaten Krankenversicherungsschutz entscheiden.

Gibt es Anzeichen, dass sich die Lage für die PKV auf absehbare Zeit wieder verbessert?

Mit der betrieblichen Krankenversicherung haben wir ein starkes Jahr hinter uns, weshalb die Gesundheitsabsicherung für Firmen ein wichtiges Standbein im Vertrieb geworden ist. Die PKV legt durchschnittlich 43 Prozent der gezahlten Beiträge für das Alter zurück. Bei der SDK sind es sogar 52 Prozent, wohingegen die Vorsorgequote der GKV bei null liegt. Die gesetzlichen Systeme kommen immer stärker unter Druck, wir müssen deshalb den Menschen deutlich machen, dass sie in einer PKV, die für später vorsorgt, besser aufgehoben sind.

In der Annahme, dass Frauen in großer Zahl in die Unisex-Tarife der PKV wechselten, seien diese offenbar „massiv überkalkuliert“ worden, behaupten Verbraucherschützer. Hätten die PKV-Unternehmen vor diesem Hintergrund ihre Volltarife für 2014 im Mittel nicht absenken müssen als diese nur stabil zu halten?

Richtig ist, dass die Unisex-Tarife im Interesse der Versicherten mit ausreichend Sicherheitspuffern entsprechend der kalkulatorischen Vorgaben berechnet sind, aber von einer Überkalkulation kann keine Rede sein. Wäre dem so, dann wären die auslösenden Faktoren angesprungen und die Branche hätte die Beiträge nach unten absenken müssen. Es liegt an mehreren Faktoren, dass die Unisex-Beiträge stabil sind: so wurden auch alle Rechnungsgrundlagen, wie zum Beispiel die zugrunde gelegte Schadenentwicklung, im Zuge der Unisex-Kalkulation aktualisiert.

Viele Versicherer haben die Unisex-Einführung dazu genutzt, um die vom PKV-Verband empfohlenen Mindestkriterien, etwa bei Hilfsmitteln und Psychotherapie, in die Tarife einzubauen und neue Leistungen aufzunehmen. Welche Veränderungen hat Ihr Haus vorgenommen?

Die SDK hat mit Einführung der Unisex-Tarife auf die Begrenzungen bei Psychotherapie verzichtet, einen offenen Hilfsmittelkatalog eingeführt und die Anzahl der Versuche bei Suchtentwöhnungen auf drei ausgeweitet. Insbesondere die Leistungsverbesserung beim Hilfsmittelkatalog ist positiv, weil dieser Punkt häufig von Kunden oder bei Testvergleichen als störende Begrenzung eingeschätzt wurde.

Nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg geschlechtsspezifische Versicherungstarife verboten hat, könnte den Versicherern neues Ungemach aus Brüssel drohen. Die Kommission prüft derzeit noch, inwieweit unterschiedliche Prämien für Alter und Behinderung diskriminierend sind. Steuert die Versicherungswirtschaft auf eine Einheitsprämie zu?

Die Gefahr besteht, aber das käme faktisch einer GKV-Zwangseinführung gleich. Wenn Beiträge nicht nach dem Alter zu differenzieren sind, können keine Alterungsrückstellungen aufgebaut werden. Wir sprechen von zehn Milliarden Euro pro Jahr und 155 Milliarden Euro insgesamt. Ohne Not würde die Vorsorge für das Alter und die Entlastung zukünftiger Generationen aufs Spiel gesetzt, wobei gerade diese Form der Nachhaltigkeit doch eigentlich ausgebaut werden müsste.

Interview: Lorenz Klein

Foto: SDK

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