“Unser Leben wurde seit Corona entschleunigt”

Foto: Alexander von Spreti
Matthias Wald

Cash.-Interview mit Dr. Matthias Wald, Leiter Vertrieb bei Swiss Life Deutschland und Vorstand des Votum-Verbands, über finanzielle Vorsorge in Zeiten von Corona, die Umstellung auf Videoberatung und die Auswirkungen der Krise auf die Vermittlerzahlen.

Cash.-Interview mit Dr. Matthias Wald, Leiter Vertrieb bei Swiss Life Deutschland und Vorstand des Votum-Verbands, über finanzielle Vorsorge in Zeiten von Corona, die Umstellung auf Videoberatung und die Auswirkungen der Krise auf die Vermittlerzahlen.

Deutschland steht wegen der Coronakrise vor einer tiefen Rezession, viele Menschen fürchten um ihre Arbeitsplätze. Das wird auch Folgen für den Versicherungsvertrieb haben. Kommt jetzt die große Stornowelle?

Wald: Aktuell nehmen wir keine solche Entwicklung wahr und für Prognosen ist es noch zu früh. Selbst wenn die Arbeitslosen- und Kurzarbeiterquoten dramatisch steigen sollten, bedeutet das im Umkehrschluss nicht, dass die Deutschen ihre finanzielle Vorsorge einfach ad acta legen. Das Leben geht weiter – vielleicht im Homeoffice, vielleicht in temporärer Kurzarbeit. An den grundsätzlichen Bedürfnissen der Menschen wird sich trotz Coronakrise wenig ändern. Der Bedarf an guter Beratung und Vorsorge für eine finanzielle Selbstbestimmung ist gerade in herausfordernden Zeiten groß. Viele Versicherer, wie auch Swiss Life, bieten auch entsprechende Unterstützungsleistungen an. Es besteht beispielsweise die Möglichkeit, einen Vertrag beitragsfrei stellen zu lassen, sodass der Versicherungsschutz auch bei kurzfristigen Zahlungsengpässen bestehen bleibt. Zahlungsstundungen oder Tarifumstellungen bieten darüber hinaus eine erhöhte Flexibilität. Eine Stornierung erweist sich in den seltensten Fällen als sinnvoll: Die eigene Arbeitskraft muss weiter abgesichert sein und auch die Altersvorsorge – gerade auf Fondsbasis – würde man zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt aufgeben.

Eine optimistische Einschätzung lautet: Das Sicherheitsbedürfnis der Deutschen ist aufgrund der Coronakrise gestiegen, davon wird auch der Versicherungsvertrieb profitieren. Wie stehen Sie zu dazu?

Wald: Dem stimme ich zu. Schon vor der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, dass der Bedarf nach einem persönlichen Ansprechpartner zu Vorsorgefragen hoch ist und weiter steigt. Unser Leben wurde seit Corona entschleunigt. Die Menschen nehmen sich vermehrt Zeit, um sich mit ihren Bedürfnissen und somit auch ihrer Vorsorgesituation auseinanderzusetzen. Das führt zu einer Rückbesinnung auf Werte wie Sicherheit, die in der heutigen schnelllebigen Zeit ansonsten durchaus zu kurz kommen. Dies wird sicherlich bei Altersvorsorgeprodukte stärker von Bedeutung sein als bei Sachversicherungen. Da „Social Distancing“ das Gebot der Stunde ist, werden diejenigen Vermittler punkten, die ihre Kunden jetzt zum Beispiel über eine Videoberatung bei ihrer Vorsorge- und Finanzplanung unterstützen.

Wie läuft Ihr Geschäft derzeit?

Wald: Unsere Kunden haben viele Fragen rund um die Coronakrise. Die Nachfrage ist groß, da die Menschen Vorsorge für eine selbstbestimmte Zukunft treffen möchten. In den Swiss-Life-Finanzvertrieben haben wir im Sommer 2019 die Videoberatung eingeführt. Dass es die richtige Entscheidung war, auf diese Technologie als Ergänzung zur persönlichen Vor-Ort-Beratung zu setzen, zeigt sich besonders jetzt. Im März hat sich die Anzahl der Videoberatungssessions im Vergleich zum Vormonat versechsfacht. Die März- und April-Zahlen sowohl unserer Versicherungssparte als auch unserer Finanzvertriebe zeigen, dass wir die aktuelle Situation sehr gut meistern.

Gehört dieser Form der Beratung die Zukunft? Auch unabhängig von Corona?

Wald: Für uns und unsere Kunden ist die Kombination von digitalen Tools und persönlicher Beratung die ideale Form. Gut möglich, dass die aktuelle Situation auch bei vielen anderen Menschen dazu führt, dass sie sich an den Einsatz der digitalen Technologien noch mehr gewöhnen und diese auch in Zukunft zu ihrem Vorteil nutzen möchten. So auch in der Finanz- und Vorsorgeberatung.

Wie läuft die Kundenberatung derzeit konkret ab?

Wald: Auch in Zeiten der Coronakrise sind unsere Vermittler persönlich für unsere Kunden da – entweder telefonisch, per E-Mail oder per Videoberatung. Bei der Videoberatung der Swiss-Life-Finanzvertriebe sehen die Kunden auf dem Endgerät ihrer Wahl zum einen ihre persönlichen Berater, zum anderen auch die Unterlagen, die diese über den Bildschirm mit ihnen teilen. Dokumente können elektronisch auf dem Handy oder Tablet unterschrieben werden. Diese digitale Form der Beratung wurde bereits vor Corona sehr gut angenommen. Und sie wird aktuell auch von denjenigen Menschen stark nachgefragt, die bislang lediglich auf den physischen Kontakt mit unseren Vertriebspartnern gesetzt haben. Bei Bedarf können sich unsere Kunden auch laufend auf unseren Websites und Social-Media-Kanälen informieren. Wir veröffentlichen FAQs, Artikel und Posts mit Ratgebercharakter. Diese Inhalte informieren nicht nur rund um Absicherungs- und Vorsorgethemen, sondern geben auch Tipps zum Umgang mit der Krise im Alltag. Mit unserer Kommunikation möchten wir den Menschen helfen und Zuversicht vermitteln.

Wie kommunizieren Sie zum Thema Coronakrise mit Ihren Vertriebspartnern?

Wald: Wir verstehen uns als starken Partner an der Seite unserer Vertriebspartner, indem wir Halt und Orientierung bieten. Im Hinblick auf unsere Kommunikationskanäle setzen wir neben den üblichen digitalen Tools wie Infotheken, Newsletter, Webkonferenzen, Vertriebs-Apps und Social Media-Kanäle sowie Messenger nun auch auf groß angelegte Video-Live-Events, an denen mehrere tausend Vertriebspartner gleichzeitig teilnehmen können. Dafür haben wir kurzfristig ein eigenes Studio eingerichtet, aus dem wir Impulse setzen und Antworten geben können.

Wie wird sich die Krise auf die Vermittlerzahlen in Deutschland auswirken? Wird sich der Rückgang weiter beschleunigen?

Wald: Der jahrelange Trend zum Vermittlersterben wird sich auch in diesem Jahr fortsetzen. Die physische Beratung bleibt aufgrund des allgemeinen Strebens nach möglichst wenigen direkten Kontakten größtenteils aus. Vermittler, die keine modernen Kommunikationsmittel wie zum Beispiel die Videoberatung anwenden oder diejenigen, die ihre Prozesse bislang nicht effizient und effektiv genug aufgesetzt haben, werden in diesem Jahr zusätzlich unter Druck geraten. Das wäre schade, weil persönliche Beratung nicht nur jetzt besonders wichtig, sondern auch gesellschaftlich notwendig ist.

Wie rekrutieren Sie in Zeiten wie diesen neue Vertriebspartner?

Wald: Die Suche nach den richtigen Kandidaten funktioniert bei uns schon lange als Multikanal-Disziplin. Als Ergänzung zu klassischen Kanälen haben wir früh auf Xing, LinkedIn, Facebook oder Instagram gesetzt. Wir bieten unseren Vertriebspartnern professionelle Schulungen im Umgang mit sozialen Netzwerken an und haben Social-Media-Guidelines erarbeitet. Insofern ändert sich durch die Corona-Pandemie nicht viel für uns. Wichtiger als die Suche selbst ist derzeit jedoch die Frage, wie der neue Nachwuchs in das Team integriert und in die neuen Aufgaben eingearbeitet wird. In der aktuellen Situation sind die Führungskräfte besonders gefordert. Wir unterstützen sie in dieser herausfordernden Zeit, wo wir können.

Die Fragen stellte Kim Brodtmann, Cash.

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