Die europäische Staatsschuldenkrise bleibt ungelöst. Deswegen sollten Investoren auch bei Corporate Bonds genau hinschauen.
Gastkommentar: Stevan Bajic, Bank Sarasin
Die Finanzmärkte befinden sich weiterhin auf einer Talfahrt. Die Zeit, als Anleihen als sichere Alternative zu Aktien galten und sich deren Preise entgegen denen der Aktien bewegten, ist vorbei. Viele Staatsanleihen halten nicht mehr, was sie einst versprachen. Die Finanzkrise im Jahr 2008 hat dies verdeutlicht, die aktuelle Krise unterstreicht es deutlich. Der Markt musste in den vergangenen Wochen einiges wegstecken: Die Abstufung des US-Kredit-Ratings seitens S&P, schwache wirtschaftliche Leitindikatoren und das politische Gezerre in der Eurozone, welches die EU-Krise Schritt für Schritt zur Eskalation führt.
Unternehmensanleihen mussten in diesem Umfeld einen signifikanten Bewertungsabschlag hinnehmen. Nach dem Platzen der US-Kreditblase im Jahr 2008 konnten Staaten als Retter einspringen, die Banken rekapitalisieren und die Zentralbanken der Wirtschaft günstiges Geld zur Verfügung stellen. Günstiges Geld wird weiterhin angeboten, doch nun scheint die Stützkraft gewisser EU-Staaten zu schwinden. Unvorhersehbare politische Risiken auf europäischer Staatsebene halten die Finanzmärkte in Atem.
Die Chancen auf eine US-Rezession liegen bei 50 Prozent. Obwohl Diskussionen zur geld- und fiskalpolitischen Stimulierung im Gange sind, können zwei Quartale mit negativem Wachstum nicht ausgeschlossen werden. In Unternehmensanleihen wird diese Gefahr durch die hohe Risikoprämie zur Zeit mehr als eingepreist. Die Gefahr einer unkontrollierten Eskalation in der Eurozone drängt die Investoren zusätzlich zur Zurückhaltung.
Bei Banken, die üblicherweise als Vermittler zwischen Unternehmen und Investoren fungieren, ist die Liquiditätslage ebenfalls angespannt, weshalb sie kaum mehr Risiko auf ihre Handelsbücher nehmen. Das Ergebnis ist sehr geringes Umsatzvolumen in Unternehmensanleihen und entsprechend defensive Preisstellung für mögliche Transaktionen.
Hochwertige Anleihen sind sicher
Für die Mehrheit der Anlagen mit Investment-Grade-Rating AAA bis BBB- ist die hundertprozentige Rückzahlung des Nominalbetrages nicht gefährdet. Dennoch rät die Bank Sarasin im aktuellen Umfeld zur Vorsicht. Der Markt handelt aktuell nicht nach den fundamentalen Daten der Unternehmen, sondern nach dem Takt der europäischen Politiker. Die Rückkehr zu den Kerndaten ist wünschenswert, da diese in der Tat sehr solide sind und auch die Finanzlage bei Industrieschuldnern viel komfortabler ist als bei der letzten Finanzkrise. Die Spreu muss auch hier vom Weizen getrennt und Kreditrisiken aus Peripherie- und Kern-Europa unterschieden werden. Die europäischen Randstaaten dürften unter den aufgesetzten Sparmaßnahmen zwischenzeitlich leiden. Dies wird auch die dortigen Unternehmen nicht unberührt lassen.
Autor ist Stevan Bajic, Stratege für Unternehmensanleihen bei der Bank Sarasin & Cie AG.