Sébastien Galy, Senior-Makrostratege bei Nordea Asset Management, äußert sich über die Strategie Donald Trumps, das geplante US-Konjunkturpaket und wie sich Investoren in diesem Umfeld positionieren sollten.
US-Präsident Trump erfährt derzeit innenpolitisch einigen Gegenwind. Das zeigte sich auch bei seinem Auftritt in Tulsa. Könnte dies Auswirkungen auf andere Volkswirtschaften haben?
Galy: Donald Trumps Problem sind aktuell seine schlechten Umfragewerte. Er befindet sich in einer schwierigen Position und ringt um Aufmerksamkeit. Dafür braucht er einen großen Sieg. Bei seinem Auftritt in Tulsa hatte er versucht, das mit ein wenig Deutschland-Bashing zu erreichen. Doch dies hatte nicht die erwartete Zugkraft. Immerhin hat ein Großteil der Bevölkerung im Mittleren Westen der USA deutsche Wurzeln. Deutschland-Bashing funktioniert dort also nicht. Zudem wird Deutschland zu den Gewinnern der Corona-Krise gezählt.
Nun dürfte sich Trump gegen China wenden. Dies dürfte insbesondere beim US-Militär sehr gut ankommen. Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, wie der Präsident gegen China vorgehen könnte. So könnte er zum Beispiel die Dollar-Finanzierung durch chinesische Banken allmählich drosseln. Damit würde Trump für ein oder zwei Tage Lärm am Markt verursachen. Alle Maßnahmen gegen China dürften jedoch nur von kurzer Dauer sein, denn die Republikaner behalten den Aktienmarkt genau im Blick. Was auch immer der Präsident tun wird, es dient vor allem den Schlagzeilen und dürfte sich nicht unbedingt negativ auf Aktien auswirken.
In den Medien ist viel von einem zweiten US-Konjunkturpaket die Rede. Was erwartet uns da?
Galy: Bislang ist nicht viel über dieses Paket bekannt. Wir wissen, dass es vermutlich zwei Billionen US-Dollar umfassen wird, dass es wahrscheinlich um die Landwirtschaft geht und um die Infrastruktur. Wir erwarten das Paket im Juli. So lange wird Trump brauchen, um seine Strategie zu überdenken. Die Entscheidungen hinsichtlich seiner Strategie werden direkte Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Fiskal-Pakets haben. Denn es soll ja die Menschen belohnen, die der US-Präsident am meisten braucht.
Sobald sich Trump über seine Strategie im Klaren ist, wird es sehr schnell gehen. Das Paket dürfte enorme Auswirkungen auf den Infrastruktur-Bereich haben und auch auf die Geschwindigkeit der Erholung in den USA. Letztere dürfte sich durch das Paket viel schneller vollziehen, was der Markt natürlich sehr begrüßen würde. Sobald Gewissheit darüber besteht, dass dieses Paket kommt, werden die Aktien- und Kreditmärkte anziehen. Das dürfte eine sehr interessante Zeit werden.
Wie bewertet die US-Notenbank Fed die wirtschaftliche Lage in den USA?
Galy: Die aktuellen Prognosen der Fed sind nicht sehr ermutigend. Das erhöht den Druck auf das Weiße Haus und den Kongress, ein zweites Konjunkturpaket zu schnüren. Sobald dieses Paket kommt, wird höchstwahrscheinlich auch die Fed aktiv werden. Sei es in Form von Ertragskontrolle, was vielen Marktbeobachtern wahrscheinlich erscheint, oder durch negative Zinssätze. Letzteres würde bedeuten, dass der Wert des US-Dollars insbesondere gegenüber Schwellenländern-Währungen, aber auch gegenüber anderen Nationen sinken würde. Negative Zinssätze sind aus unserer Sicht zwar nicht sehr wahrscheinlich, sie wären jedoch ein sehr positives Zeichen sowohl für die Schwellenländer als auch für die Aktien-Märkte.
Was bedeutet das für Investoren?
Galy: Börsennotierte Infrastrukturunternehmen haben sich zuletzt als widerstandsfähig erwiesen. Darüber hinaus empfehlen wir flexible Strategien. Denn: Wir befinden uns in der letzten Phase des einfachen Teils der Rally, die sich aus dem Nachlassen der Ängste um die Corona-Pandemie ergibt. Solange die Rally anhält, setzen viele Investoren verständlicherweise auf Risiko-Anlagen. Der Wendepunkt wird jedoch kommen. In zwei Monaten dürfte die Lage komplizierter werden, und dann funktionieren Lösungen, die sich anpassen können. Davon abgesehen, sehen wir einige langfristige Trends, beispielsweise bei ESG-Investments und im Hinblick auf die Erholung, die von China ausgeht.
Zuletzt fielen die Einzelhandelsumsätze in den USA deutlich stärker aus als erwartet. Sind das Anzeichen einer V-förmigen Erholung?
Galy: Nein. Die hohen Einzelhandelsumsätze lassen sich durch das Nachlassen der Ängste im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und einem gewissen Nachholbedarf bei den Konsumenten erklären. Insgesamt erwarten wir eher eine U- als eine V-förmige Erholung in den USA. Verlauf und Geschwindigkeit der Erholung hängen aber, wie gesagt, stark von dem zweiten Konjunkturpaket ab.