In knapp einer Woche ist die US-Präsidentenwahl schon vorbei. Aber ob wir dann auch das Ergebnis kennen, steht in den Sternen. Ein Kommentar von Manuel Heyden, CEO von nextmarkets.
Besonders die Auszählung der Briefwahlunterlagen könnte sich hinziehen – und eine Hängepartie befördern. Dabei mögen vor allem die Kapitalmärkte keine Unsicherheit. Sicherer ist dagegen, für welche Art von Wirtschafts- und Handelspolitik die beiden Kandidaten stehen und welche Branchen durch etwaige Konjunkturpakete befördert werden. Daher fragen sich die Anleger zu Recht, wessen Aktien sie in Hinblick auf den – leider noch nicht bekannten – Wahlsieger auswählen sollten. Was also sind Trump-Papiere? Wo sind die Biden-AGs?
Bei einer Antwort kommt es dabei zuerst auf die entsprechende Politik an: Welche Branchen werden bevorzugt (Biden: Elektroautos), welche benachteiligt (Biden: Öl), was für Effekte ergeben sich durch jeweils unterschiedliche Steuer-, Ausgaben-, und Infrastrukturpolitik? Und über allem schwebt natürlich die Frage: Wer hat Corona besser im Griff? Auch für deutsche und europäische Aktien sind die Antworten interessant. Anleger bei solchen Papieren bewegt besonders auch die Frage, wie es mit den Restriktionen oder Strafzöllen weitergeht.
Bessere Atmosphäre
Zunächst: Die Politikinhalte und vor allem -Stile weichen zwar deutlich voneinander ab. Trotzdem wird die Politik nicht großartig anders sein. Auch ein Wahlsieg Bidens wird die wirtschaftsfreundliche Politik der Trump-Ära nicht beenden. Ob Demokrat oder Republikaner, jeder US-Präsident weiß, dass eine funktionierende Wirtschaft die Basis für das Land ist. Auch wenn Biden also die Steuersenkungen zurücknimmt, wird dies maßvoll und ausgleichend passieren.
Vielleicht wird dadurch die Investitionsbereitschaft der Firmen eingeschränkt, dafür aber privater Konsum befördert. Zumal Investitionen wiederum von einem gewaltigen Corona-Konjunkturpaket und mehr Staatsausgaben befeuert werden dürften – vermutlich von Trump und Biden gleichermaßen. In ein Biden-Portfolio gehören demnach also die Baubranche und deren Zulieferer, wie Baustoffproduzent Vulcan Materials, Anlagenbauer Jacobs Engineering, Baumaschinenhersteller Caterpillar oder auch Heidelberg Cement – in ein Trump-Depot aber auch. Der vorgesehene Ausbau des 5G-Netzes würde der ohnehin schon florierenden Telekom-Tochter T-Mobile weitere Flügel verleihen.
Viele Mythen – zu Trump und Biden
Wer übrigens denkt, unter Biden würde sich der US-Markt wieder für ausländische Waren öffnen wie einst, dem muss man gleich zwei Zähne ziehen. Zum einen haben sich die deutschen Warenexporte in die USA in den vergangenen Jahren nämlich prächtig entwickelt. Zwischen 2016 und 2019 sind sie von 107 auf 119 Milliarden Euro gestiegen. Zum anderen wird ein US-Präsident Biden seiner Nation und seinen Wählern verpflichtet sein: „America first“ würde inoffiziell fortgesetzt werden. Auch Biden würde die USA vor ausländischer Konkurrenz schützen. Protektionismus ist sogar noch stärker eine Domäne der Demokraten.
Biden-Basket: Erneuerbare Energien
Wo sich allerdings die Spreu vom Weizen trennt, ist die Bevorzugung einzelner Branchen durch eine jeweils andere Politik. In ein Portfolio Bidens – der übrigens im letzten TV-Duell den Ausstieg aus „Öl“ verkündet hat, unter großem Dementi von Parteifreunden aus den „Öl-Bundesstaaten“ –würde man Firmen der Erneuerbaren-Energien-Branche aufnehmen. Dazu gehören etwa Entwickler von Windparks oder Solaranlagen wie First Solar Inc. oder Brookfield Renewable Partners LP.
Hier kommt auch ein deutsches Dax-Mitglied ins Spiel: RWE etwa hat knapp 40 Prozent seiner Windkraft- und Solaranlagen in den USA – ein Segment, das bei einem Biden-Sieg wachsen wird. Zur „Biden-Strategie“ passt übrigens auch Tesla, wobei das Beispiel zeigt, dass sich dieses Segment auch unabhängig von Trump/Biden entwickelt. Nicht zu vergessen die Quasi-Autonomie der US-Bundesstaaten in vielen Politikbereichen. Manche Gesetze in Kalifornien prägen mehr die Standards weltweit als Präsidentendekrete aus Washington.
Trump half deutschen Maschinenbauern
Auch die US-Geschäfte der deutschen Maschinenbauer sind in den vergangenen drei Jahren vor Corona übrigens gut gelaufen. Trumps Steuerreform hat gerade die Investitionsbereitschaft der US-Firmen befeuert – und damit den Export deutscher Maschinen in die USA von 2016 und 2019 um fast 20 Prozent. Eine Steuererhöhung Bidens könnte diesen Effekt zunichtemachen.
Naturgemäß sind fast alle DAX30-Unternehmen international in den USA engagiert. Manche, wie Bayer oder Deutsche Telekom, mit starken US-Töchtern und/ oder im Ergebnis von Megafusionen (Bayer/Monsanto; Telekom/Sprint). Sie sind daher besonders von der US-Politik abhängig. Sie haben aber zumindest keine hohen Zölle oder Handelskonflikte zu befürchten, wie Hersteller von Stahl- und Aluminiumprodukten mit bis zu 352 Prozent. Die Autofirmen VW, Mercedes und BMW sind ebenfalls vor Ort mit Produktionsstätten vertreten, exportieren jedoch zusätzlich enorm. Letztere müssen sich immer wieder vor Strafzöllen Trumps sorgen.
Unabhängig dürften sich Aktien wie Adidas oder Allianz entwickeln. Die beiden Wohnungsunternehmen Vonovia und Deutsche Wohnen sind gar ausschließlich auf den europäischen Markt und besonders Deutschland fokussiert. Industrie- und Chemiebetriebe wie Linde, Siemens, MTU haben eher vom Trump-Investitionsboom profitiert. Tendenziell könnte es deutsche Autobauer, Stahl- und Aluminiumhersteller unter Biden leichter haben.
US-Aktien lassen sich – wie die bereits erwähnten – eindeutiger zuordnen: In ein Trump-Portfolio gehören daher Rüstungsaktien, etwa Raytheon oder Boeing. Republikaner geben traditionell mehr für die Verteidigung aus. Caterpillar, der von Infrastrukturboom profitieren würde, sollte auch in ein „Trump-Basket“, ebenso wie GE und andere US-Unternehmen, die Trump gern lobt. Ausgerechnet die großen Tech-Unternehmen wie Amazon, Google oder Facebook – die rein kulturell und von ihrer Belegschaft her schon gegen Trump sind – könnten eher von einer Fortsetzung seiner Präsidentschaft profitieren. Unter den Demokraten nämlich wäre die oft geforderte Zerschlagung – wegen deren teils monopolartiger Marktmacht – wahrscheinlicher.
Hingegen würde ich in ein Biden-Portfolio Firmen auch Unternehmen der Gesundheitsbranche aufnehmen. Biden möchte das unter seinem Ex-Chef eingeführte Obamacare fortsetzen. Analysten sehen daher Krankenversicherer wie United Health, Cigna oder Anthem als Nutznießer. Allerdings müssten sich Pharmakonzerne wie Pfizer, Merck, Abbvie, Bristol-Meyers Squibb oder europäische Branchengrößen wohl warm anziehen. Biden beabsichtigt nämlich, die Pharmapreise zu beschränken.
Viele Optionen schon eingepreist
Viele dieser Überlegungen sind in den Kursen der genannten Unternehmen jedoch schon eingepreist. Und wer US-Präsident wird und die Politik der nächsten vier Jahre bestimmt, das ist auch nur ein Einflussfaktor unter vielen, zumal sich manche Papiere in beiden Portfolios befinden sollten. Es gilt die Argumente jeweils abzuwägen – und Depots auch abzusichern. Denn noch wissen wir eben nicht, wer das Rennen macht. Es ist, wie immer an der Börse, eine Wette.
Autor Manuel Heyden (M. Sc. , Jahrgang 1980) ist Mitgründer und CEO von nextmarkets, Europas gebührenfreiem Neobroker aus Köln. Als CEO steht er Büros in Köln, Lissabon und Malta mit aktuell 35 Mitarbeitern vor. nextmarkets wird von führenden Wagniskapitalgebern wie Peter Thiel, Founders Fund, Christian Angermayer, Axel Springer, Falk Strascheg und der börsennotierten FinLab AG unterstützt. Neben einem der größten Angebote auf dem Markt und innovativen Finanzprodukten wie Fractional Trading oder dem eigens entwickelten Geldmarktprodukt, zeichnet nextmarkets der klare Fokus auf Börsenwissensvermittlung durch kostenlose Coaches aus.